Die Bush-Administration: Full of Energy!
Nach der Megapleite des einstigen New Economy-Stars Enron steht der Einfluss der Energieindustrie auf die Politik unter George W. Bush und auch auf den Krieg in Afghanistan auf dem Prüfstand
"Enron wird nicht Bush's Whitewater. Es wird viel schlimmer", kommentierte der Chefredakteur von CBS MarketWatch die dunklen Wolken, die sich über dem Weißen Haus zusammenziehen. Schon nehmen amerikanische Medien den enormen Geldfluss vom Energiekonzern Enron in Richtung Bush-Administration unter die Lupe. Seit 1989 sollen allein CEO Kenneth Lay und seine Frau über 800.000 Dollar der Politik gestiftet haben. Gut 90 Prozent gingen dabei an die Republikaner. Grund genug für den US-Kongress sich jetzt mit diesem brisanten Fall zu beschäftigen.
Doch zurück an den Anfang. Der Shooting-Star der amerikanischen New Economy startete 1985, als Kenneth Lay zwei Gasunternehmen fusionierte und so den Grundstein für Enron legte. In Rekordtempo stieg der Energiehändler zum siebtgrößten Unternehmen der USA auf. 20 Quartale in Folge wurden steigende Gewinne gemeldet. Das Hauptgeschäftsfeld war der Handel mit Rohstoffen. Über die Plattform EnronOnline wickelte das Unternehmen insbesondere Terminkontrakte auf Gas und Strom ab.
1997 steigt Jeff Skilling bei Enron als COO ein. Ab 1998 beginnt eine verstärkte Auslandsexpansion. Schließlich handelt das Unternehmen auch mit Breitbandkapazitäten, Holz und Metall. Darüber hinaus gibt es jede Menge undurchsichtiger Finanzdeals und kerngeschäftsfremder Engagements, die aber kaum von der Wirtschaftspresse wahrgenommen werden. Vielmehr bleibt Enron Darling der Wall Street.
Investoren und 20.000 Angestellte als "Looser"
Im Jahr 2000 steigt die Aktie noch um 87 Prozent. 2001 zieht sich Lay überraschend zurück. Im Februar übernimmt Skilling als CEO das Ruder. Doch im Sommer geht auch er. Zuvor holt er aber noch schnell - gemeinsam mit einigen anderen Führungskräften - Millionenbeträge aus dem Verkauf großer Aktienpakete. Der Kurs bricht ein. Die Mehrheit der rund 20.000 Angestellten hat das Nachsehen. Ihnen wird die Veräußerung von Anteilen im Pensionsfonds verboten. Viele verlieren nicht nur ihren Job, sondern auch ihre gesamte private Altersvorsorge.
Mitte Oktober 2001 gibt Enron einen Verlust für das dritte Quartal in Höhe von 618 Millionen Dollar bekannt. Ein geplanter Deal mit Dynegy bringt weitere Unregelmäßigkeiten ans Tageslicht . Die US-Börsenaufsicht SEC nimmt noch im Herbst vergangenen Jahres Ermittlungen auf. Inzwischen beschäftigen sich mehrere Kongressausschüsse, das Arbeits- und das Justizministerium mit dem größten Pleitefall in der US-Geschichte.
Und die Sache wird zusehends politischer. So ist Präsident George W. Bush ein Duzfreund von Kenneth Lay. Justizminister John Ashcroft wiederum verabschiedete sich inzwischen wegen Befangenheit aus dem Ermittlungsausschuss. Seinen Senatswahlkampf im Jahr 2000 sponserte nämlich Enron mit nahezu 60.000 US-Dollar.
Das Center for Responsive Politics dokumentiert bereits seit Jahren penibel den Geldfluss an US-Politiker. In einer Pressemitteilung vom 9. November 2001 bilanziert Opensecrets nochmals die wichtigsten Infos zur Politsponsoring-Praxis von Enron. Danach flossen seit 1989 etwa 5,8 Millionen US-Dollar des texanischen Konzerns in die Politik. 73 Prozent davon gingen an Republikaner.
CNN wiederum listet eindrucksvolle personelle Verquickungen zwischen dem Energiekonzern und dem Umfeld des US-Präsidenten auf:
Karl Rove -- Senior Bush adviser Owned Enron stock at the beginning of Bush's term but sold it under federal ethics rules
Lawrence Lindsey -- White House economic adviser Served on Enron board last year
Robert Zoellick -- U.S. trade representative Served on Advisory Council of Enron Corp.
Thomas White -- Secretary of the Navy Enron executive for 10 years
Marc Racicot -- Head of the Republican National Committee Lobbied for Enron until Bush appointment (Quelle: CNN)
Wie das Center for Public Integrity herausfand, hatten 14 der 100 höchsten Mitglieder der Bush-Regierung teilweise beträchtliche Mengen von Enron-Aktien. Die meisten haben ihre Anteile rechtzeitig verkauft. Die meisten und größten Investitionen der Bush-Regierung fanden überdies mit 221 Investitionen im Wert von über 144 Millionen Dollar im Energiesektor statt.
Die CNN-Recherchen geben indirekt auch den Ausführungen von Damien Cave in Salon.com Recht, der im Zuge der Diskussion über einen möglichen Zusammenhang zwischen dem kriegerischen Engagement der USA in Afghanistan und den Öl-Interessen des Landes, eine mehrseitige Analyse verfasste. Damals wies Cave bereits darauf hin, dass unter George W. Bush jr. Personen in Schlüsselpositionen verschiedener Ministerien gehievt wurden, die eine enge Verbindung zur Energieindustrie haben. Unter dem Titel "United States of Oil" vom 19. November 2001 verabsäumt es der Autor nicht, neben der zweiten Reihe auch auf die persönlichen Verstrickungen der öffentlich präsenten Exponenten der Bush-Regierung einzugehen.
Öl, Bush und der Krieg in Afghanistan
Cave beginnt ganz oben bei George W. Bush, dessen Familie einst einen Ölkonzern gegründet und mit eher weniger denn mehr Erfolg betrieben hatte. Aus diesem Engagement ergaben sich auch die engen Verbindungen zum Bin Laden-Clan - eine Connection, die Bush heute eher unter den Teppich kehrt. Ganz dick mit dem Energie-Business hat es auch Vize-Präsident Dick Cheney, der in den späten 90er-Jahren CEO von Halliburton war, einer der weltweit größten Öl-Konzerne. Halliburton war selbstredend in die Pipeline-Pläne im zentralasiatischen Raum eingeweiht. Dabei ging es um den Bau einer Pipeline die zwischen Turkmenistan und Pakistan, die quer durch afghanisches Gebiet verlaufen sollte (Ein lange geplanter Krieg).
Besonders engagiert hatte sich dabei der Ölmulti Chevron, was wiederum zur amerikanischen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice führt. Sie war vor ihrem Engagement in der Bush-Regierung im Vorstand von Chevron tätig. Unter Clinton mobilisierten Menschenrechtsgruppen und die US-Grünen die Öffentlichkeit. Die texanische UNOCAL, der Verhandlungen mit den Taliban nachgesagt wurden, legte das Pipeline-Projekt schließlich 1998 auf Eis.
Inwieweit auch Enron mit diesen Plänen zu tun hatte, müssten sich Fachleute genauer ansehen. Auf der Konzernhomepage finden sich einige wenige Hinweise auf Geschäfte mit Indien und Pakistan. Fest steht allerdings, dass mit dem Fall von Enron die Debatte über den Einfluss amerikanischer Energiekonzerne auf die US-Politik erneut entbrennt.
Dieses Mal allerdings scheint sie sich nicht mehr nur in den Zirkeln kritischer Online-Medien oder begrenzt auf Europa abzuspielen. Mit den bevorstehenden Kongresshearings zum Fall Enron dringt auch die politische Brisanz des Lobbyismus der amerikanischen Energiekonzerne (auch in Hinblick auf zukünftige kriegerische Engagements der USA, z.B im Irak) zusehends in die amerikanische Öffentlichkeit ein.