Mit dem digitalen Geld in die Unfreiheit?
Seite 2: Von Indien zurück ins Vereinigte Königreich
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Die "Lessons from india" der BIZ beziehen sich explizit auf die "Prägung" durch Augustín Carstens. Die Visionen des 64-jährigen Mexikaners, für den Bargeld nach eigener Aussage keine Zukunft hat, sind das Ergebnis von Gesprächen mit Nandan Nilekani, Mitbegründer und Geschäftsführer von Infosys – dem Unternehmen von Rishi Sunaks Schwiegervater.
Der Präsident von Infosys, Mohit Joshi, erklärte im August 2020 in einem Beitrag auf der Webseite des "Strategischen Partners" Weltwirtschaftsforum (WEF) – seinerseits ebenfalls starker Verfechter von Digitalwährungen –, warum CBDC als Schritt zu einer nachhaltigen Weltwährung verfolgt werden sollten.
Ganz uneigennützig war Joshis flammendes Plädoyer allerdings nicht, immerhin zählt Infosys mit der Ausgründung EdgeVerve Systems und der digitalen Plattform Finacle zu den führenden Finanzdienstleistungsunternehmen der Welt.
In einem weiteren WEF-Beitrag vom August 2021 mit dem Titel "Digitale Identität kann helfen, inklusive Finanzdienstleistungen zu fördern" plädiert der Infosys-Präsident dafür, jeder Person eine "einzigartige digitale Identität" zuzuordnen, um Finanztransaktionen durchzuführen. Als Vorbild gilt ihm die Volksrepublik China. Und so schließt sich der Kreis.
CBDC können aber weitaus mehr als nur Finanztransaktionen vereinfachen. Die von Blackrock angekündigte Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik und die Erschaffung einer "ganz neuen Marktstruktur", die Rishi Sunak 2021 versprochen hat (siehe Teil 1), bietet ungeahnte Möglichkeiten. Kehren wir dafür kurz zurück zu BIZ-Generalsekretär Augustín Carstens.
Einkommen mit Bedingungen
Carstens war von 2010 bis 2015 Chef der mexikanischen Zentralbank und zuvor beim Internationalen Währungsfonds – 1999 als Exekutivdirektor der von Mexiko geführten Ländergruppe und von 2003 bis 2006 als Stellvertreter des Generaldirektors.
Der IWF, der sich selbst für eine Beseitigung des Bargelds engagiert, sieht ebenfalls ein "nachhaltiges Geschäftsmodell" in einem System, das auf Grundlage eines transparenten Zahlungsverkehrs die Kreditwürdigkeit von Individuen errechnet. – zumindest sagte das der neue stellvertretende Generaldirektor Bo Li kürzlich bei einer Panel-Diskussion Mitte Oktober:
Diese Transaktionsdaten können von Dienstleistern bei der Kreditwürdigkeitsprüfung in dem Sinne genutzt werden, dass sie wissen, wie viele Kaffees ich jeden Tag trinke, wo ich Kaffee kaufe, ob ich jeden Tag Uber benutze und welche Arbeitszeiten ich habe – diese nicht-traditionellen Daten können für Finanzdienstleister sehr nützlich sein, um mir eine Bonitätsbewertung [credit score] zu geben.
Für Banker klingt das sicher gut. Bei einer reinen Bonitätsbewertung muss es aber nicht bleiben, denn CBDC, so der IWF-Vize, böten auch der Politik weitreichende Möglichkeiten zur Einflussnahme:
"Die dritte Art und Weise, wie CBDC die finanzielle Inklusion verbessern können, ist das, was wir Programmierbarkeit nennen, das heißt, CBDC können es Regierungsbehörden und Akteuren aus dem privaten Sektor ermöglichen, "Smart Contracts" zu programmieren, um gezielte politische Funktionen zu erfüllen, wie die Zahlung von Sozialleistungen, Konsumgutscheine oder Lebensmittelmarken.
Durch die Programmierung von CBDC kann dieses Geld genau darauf ausgerichtet werden, welche Art von Menschen es besitzen können und wofür dieses Geld genutzt werden kann."
Mit solchen Visionen und der Orientierung an den "lessons from india" ist der Weg nicht mehr weit zu einem veritablen Sozialkreditsystem, das nur noch dem durchleuchteten Bürger die vollständige gesellschaftliche Teilhabe gestattet – und jeden anderen ausschließt.
Es sind Visionen, die trotz ihrer – nach bisherigen Maßstäben eigentlich menschenfeindlichen – Implikationen immer salonfähiger werden. Auch in Deutschland. Das wurde schon deutlich, als das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021 das Szenario eines Punkte-Systems in eine Prognose aufnahm (siehe Telepolis-Artikel Sozialkredite als Zukunftstrend?).
Und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Debatte darum zuletzt erneut angeregt, als er sich auf Twitter für die Einführung einer programmierbaren CBDC aussprach – selbstverständlich nur unter Achtung der Privatsphäre, und nur als Ergänzung zum bestehenden System, wie er beteuerte. So wie es in Indien auch einmal angefangen hat.
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