Mit dem digitalen Geld in die Unfreiheit?

Das "Digitale Zentralbankgeld" soll Geldwäsche bekämpfen und Entwicklungsländern helfen. Es könnte auch neue Formen der Ausbeutung begünstigen. Was das mit der Architektur der Unterdrückung zu tun hat. (Teil 2 und Schluss).

Nicht nur der britische Premier Rishi Sunak, auch die weltgrößte Schattenbank Blackrock und die "Zentralbank der Zentralbanken", die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel (BIZ), begeistern sich für die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC).

In der Öffentlichkeit wird aber nur selten mit den systemischen Zwängen für diese neue Geldordnung argumentiert, die Blackrock in seinem "Going Direct"-Elaborat von 2019 angeführt hat (siehe Teil 1).

Stattdessen bemühen die Zentralbanken oftmals das Narrativ der "finanziellen Inklusion" beziehungsweise der "finanziellen Gleichberechtigung". Es erzählt sich folgendermaßen: Insbesondere Menschen in den sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländern haben oftmals keinen Zugang zum internationalen Finanzsystem und digitalen Zahlungsmöglichkeiten. Würden die entsprechenden Barrieren abgebaut, ließen sich deren Lebensumstände wesentlich verbessern. Das behauptet auch die BIZ in ihrem Jahreswirtschaftsbericht.

Als weitere Argumente für eine CBDC werden der Abbau bürokratischer Hürden im internationalen Zahlungsverkehr, die Absicherung gegen Zahlungsausfälle sowie ein Beitrag zu den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) angeführt.

Letzteres macht zumindest die "Better Than Cash Alliance" – eine Organisation unter Schirmherrschaft des Kapitalentwicklungsfonds der UN (UNCDF), an der sich sowohl Philanthrokapitalisten à la Gates, Ford und Omidyar, als auch private Unternehmen wie Visa und Mastercard sowie unter anderem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beteiligen oder beteiligt haben.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) plant unter Christine Lagarde die Einführung einer CBDC – und analog zur BIZ nicht nach dem Vorbild der freien Kryptowährungen Bitcoin und Co., sondern in Verbindung mit einer digitalen Identität (ID), die "Integrität und Zurechnungsfähigkeit" gewährleisten soll.

An dieser digitalen ID arbeiten wiederum auch die Europäische Union und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – und zwar unter dem Namen eIDAS (electronic Identification, Authentication and trust Services), und zum Grauen der europäischen Datenschützer.

Laut dem "Digitalen Kompass 2030" der EU-Kommission sollen bis 2030 alle Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung online angeboten werden, außerdem soll für jeden Bürger eine elektronische Patientenakte angelegt werden. Ziel ist zudem, dass 80 Prozent der Bevölkerung bis 2030 eine digitale ID nutzen.

Warnungen vor dem Kryptofaschismus

Das, was Zentralbanken und Regierungen als größten Vorteil des digitalisierten Zahlungsverkehrs verkaufen, sehen Datenschützer und Kritiker des digitalen Kapitalismus als größtes Problem: Die zentralisierte Überwachung des individuellen Zahlungsverkehrs, die laut BIZ zur Eindämmung von Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Terrorismus beitragen soll, bietet zugleich die Möglichkeit der Manipulation und Kontrolle – in erster Linie durch staatliche Akteure, potenziell aber auch durch private Unternehmen und Zahlungsdienstleister. Edward Snowden verleitete die Aussicht darauf im Oktober 2021 zu folgender Aussage:

Eine CBDC ist eher eine Perversion der Kryptowährung oder zumindest der Grundprinzipien und Protokolle der Kryptowährung – eine kryptofaschistische Währung, ein böser Zwilling, der am Opposite Day in die Hauptbücher eingetragen wurde und ausdrücklich dazu bestimmt ist, seinen Nutzern das grundlegende Eigentum an ihrem Geld zu verweigern und den Staat als Vermittler jeder Transaktion einzusetzen.

Journalist und Handelsblatt-Redakteur Norbert Häring behauptete im Januar 2022 in einem Beitrag auf seinem Blog, dass sich die Basler BIZ unter ihrem Generalsekretär Augustín Carstens zu einem "Propagandisten der Überwachungsgesellschaft nach chinesischem Vorbild" gewandelt habe. Für diese Anschuldigung liefert er allerdings auch gewichtige Gründe.

Am 15. Dezember 2019 veröffentlicht die BIZ ein Paper mit dem Titel The design of financial infrastructure: lessons from India. Darin widmen sich die Basler dem indischen System Aadhaar, der größten biometrischen Datenbank der Welt, die jedem Bürger Indiens eine individuelle Identifikationsnummer zuordnet, mit deren Hilfe er staatliche Leistungen in Anspruch nehmen kann. Oder vielmehr: Muss.

Denn das System wurde 2009 auf freiwilliger Basis eingeführt, ist seit 2016 aber de facto verpflichtend. Ohne Aadhaar kann man in Indien kein Bankkonto eröffnen, keine SIM-Karte kaufen und keine Sozialleistung in Anspruch nehmen. Kinder können noch nicht einmal zur Schule gehen.

Man muss kein Datenschützer oder Internetaktivist sein, um der zentralen Speicherung einer (lebenslangen) Identifikationsnummer skeptisch gegenüberzustehen. Und auch kein Inder – denn ein solcher unique lifelong identifier ist auch in der eIDAS-Verordnung der EU-Kommission vorgesehen, die für alle EU-Bürger eine digitale Identität etablieren will.

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