Rechtsruck in der jungen Generation: Krisenfolge und TikTok-Versagen?

AfD-Wahlplakat in Bayern

Die AfD will die Karten neu gemischt sehen. Aktuell sieht es aus, als könnte ihr das gelingen. Foto: Shuttertock.com

Bisher wollten junge Menschen im Schnitt seltener rechts wählen. Nun holt die AfD bei 14- bis 29-Jährigen auf. Welche Rolle spielt der Meinungskampf im Netz?

Die Trendstudie "Jugend in Deutschland 2024" hat es in sich – nicht nur, weil hier starke Zukunftsängste, Unzufriedenheit und psychische Belastungen zum Ausdruck kommen, sondern auch, weil deutlich mehr junge Menschen als Antwort auf die multiple Krise eine extrem rechte Partei wählen würden.

Mehr noch als die Unionsparteien hat die AfD in dieser Altersgruppe zugelegt und führt damit das Parteienranking an, in dem die Ampel-Parteien deutlich abgestürzt sind.

Mit 22 Prozent kam die AfD in der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen auf einen höheren Zustimmungswert als in der Gesamtbevölkerung bei den letzten "Sonntagsfragen", wo sie im April zwischen 16 und 19 Prozent lag. Im vergangenen Sommer und Anfang 2024 hatte sie über alle Altersgruppen hinweg aber auch bei 22 Prozent gelegen.

Junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren hatten in der Trendstudie 2023 aber nur zu zwölf Prozent die AfD favorisiert – ihr Anteil ist also seither um ganze zehn Prozentpunkte gestiegen. Im Vergleich zu 2022 hat er sich von neun auf 22 Prozent mehr als verdoppelt.

AfD-Sympathisanten weit überwiegend männlich

Allerdings zeigt sich hier auch ein deutlicher "Gender Gap": Es sind vor allem junge Männer und männliche Jugendliche, die sich für die AfD entscheiden würden. Sie stellen mit 64 Prozent fast zwei Drittel der jungen AfD-Sympathisanten, nur 36 Prozent sind weiblich.

In der Tendenz gibt es diesen "Gap" auch bei CDU und CSU, die insgesamt von 16 auf 20 Prozent zugelegt haben.

Kaum Ost-West-Gefälle bei jungen AfD-Fans

Ein starkes Ost-West-Gefälle konnten die Studienautoren dagegen bei jungen Menschen mit rechter Parteienpräferenz nicht feststellen: 14- bis 29-Jährige, die AfD wählen würden, leben demnach "gut verteilt über alle Bundesländer vom ländlichen Raum bis in die Großstadt". Zudem fällt auf, dass sie überdurchschnittlich oft Arbeiterkinder ohne einen Elternteil mit Abitur sind.

Hier dürften Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aufhorchen: Beide werben sozialpolitisch um Stimmen aus dieser Gesellschaftsschicht – das BSW bemüht sich auch ausdrücklich um Stimmen von "Protestwählern" aus nicht-akademischen Milieus, die mit dem Gedanken spielen, der AfD ihre Stimme zu geben oder dies schon einmal getan haben.

Alternative zur AfD: Bisher verhaltene Zustimmung für BSW

Allerdings erreichen Wagenknecht und Co. bei 14- bis 29-Jährigen mit fünf Prozent bundesweit eher weniger Zustimmung als in der Gesamtbevölkerung mit fünf bis sieben Prozent. Manche der Befragten, die das Bündnis wählen würden, gaben als Grund an, darin eine oppositionelle Alternative zu sehen, die nicht rechtsextrem sei und der AfD Stimmen entziehen könne.

Die Linke kommt in Jugendstudie bei rückläufiger Tendenz immerhin noch auf sieben Prozent, während sonst in Umfragen unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde liegt. Für das erst kürzlich gegründete Wagenknecht-Bündnis liegen keine Vergleichswerte vergangener Jahre vor.

Inflation, Krieg, hohe Mieten: Die größten Sorgen der Jugend

Die größten Sorgen junger Menschen sind laut der Trendstudie Inflation, Kriege in Europa und Nahost sowie teurer und knapper Wohnraum. 65 Prozent nennen hier die Geldentwertung, 60 Prozent die Kriege und 54 Prozent das Problem, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Klimawandel und "Spaltung der Gesellschaft" liegen mit jeweils 49 Prozent im Ranking der größten Sorgen gleichauf.

Altersarmut nehmen mit 48 Prozent mehr junge Menschen als großes Problem wahr als in der letzten Umfrage dieser Art mit 40 Prozent.

"Die Oppositionsparteien AfD und CDU/CSU profitieren davon, dass die Regierungsparteien nach Einschätzung der jungen Leute zu wenig tun, um Inflation, Wohnungsmangel, Wirtschaftskrise, Altersarmut und die Sicherheit der Renten zu gewährleisten", schreiben die Studienautoren.

Punktet die AfD mit ihrer Russland-Politik?

Nach deren Einschätzung profitiert die AfD auch davon, dass sie "Russland im Krieg gegen die Ukraine unterstützt und damit den Eindruck erweckt, politische und wirtschaftliche Stabilität herstellen zu können". Nach eigenen Stellungnahmen will die AfD keine der Kriegsparteien unterstützen, sie forderte aber die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, um "die deutsche Wirtschaft zu stärken".

Zitiert werden auch Einzelbegründungen, warum junge Menschen AfD wählen würden – etwa "wegen der aktuellen schlechten Lage in Deutschland" aber häufig auch aus eindeutig programmatischen Gründen: Stichworte wie "unkontrollierte illegale Migration" "Flüchtlingszustrom eindämmen" und "zu viele Ausländer" werden genannt.

Mit der Aussage, dass "zu viel Geld ins Ausland geschickt wird" könnten sowohl die Ukraine-Militärhilfen als auch die Entwicklungshilfe für Länder des Globalen Südens gemeint sein.

Ampel-Parteien im Abwärtstrend

Die Ampel-Parteien kommen in der "Generation Z" noch gemeinsam auf 38 Prozent. Die Grünen liegen dabei mit 18 Prozent über ihrem Niveau in der Gesamtbevölkerung, die FDP mit acht Prozent ebenfalls; beide Parteien haben aber bei den 14- bis 29-Jährigen im Vergleich zum Vorjahr an Zustimmung verloren.

Letzteres gilt auch für die SPD, die aber mit zwölf Prozent bei der Jugend auch noch schlechter dasteht als im Bevölkerungsdurchschnitt, wo sie in den letzten Wochen auf 14 bis 16 Prozent kam.

Insgesamt ist die Ampel in der Jugendstudie von 52 auf 38 Prozent abgerutscht.

Verluste der Ampel-Parteien: Erklärungsansätze der Studie

Die Zustimmungswerte der Grünen sinken nach Meinung der Studienautoren, weil kurzfristigere Ängste und Sorgen gegenüber der Klimawandel an Bedeutung gewonnen haben – während die FDP dafür abgestraft wird, dass sie im Wahlkampf hervorgehobene Themen wie digitale Modernisierung und Bürgerrechte keine wichtige Rolle mehr spielen.

Inwieweit auch die tatsächliche Klimapolitik der Grünen junge Menschen enttäuscht hat, denen das Thema wichtig ist, kommt in der Studie nicht zum Ausdruck. 83 Prozent derjenigen, die die Grünen wählen würden, nennen immer noch Klimaschutz als Grund, 76 Prozent wollen damit auch dem Rechtsruck etwas entgegensetzen.

Bei der SPD vermissten junge Menschen "das Eintreten für sichere Einkommen, Arbeitnehmerrechte, Rentenpolitik und den Kampf gegen Armut". Parteien wie Die Linke oder BSW, die sich sozialpolitisch links von der SPD positionieren, konnten aber in der Umfrage kaum davon profitieren.

Wer gewinnt die Unentschlossenen?

In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass Unentschlossene und junge Menschen, die nicht wählen wollen, im Parteienranking wie bei Wahlergebnissen keine Rolle spielen, aber insgesamt 35 Prozent der Befragten ausmachen.

25 Prozent antworteten mit "Ich weiß nicht", zehn Prozent mit "Ich würde nicht wählen". Insgesamt wurden für die Studie mehr als 2.000 junge Menschen aus der "Generation Z" über ein Online-Panel befragt.

AfD im Netz: Der Meinungskampf bei TikTok

Da der Meinungs- und Kulturkampf in dieser Generation zu großen Teilen auf Social-Media-Kanälen ausgetragen wird, sehen die Studienautoren bei fast allen Parteien Versäumnisse in diesem Bereich – eine Lücke, die vor allem von der AfD genutzt wird.

Eine Schlüsselrolle spielt hier aus ihrer Sicht die Plattform TikTok. Von den 14- bis 29-Jährigen, die AfD würden, nutzen mehr als 58 Prozent TikTok regelmäßig,

Sowohl auf Bundes- als auch auf Landes- und kommunaler Ebene haben es bislang nur wenige Politikerinnen und Politiker geschafft, sich auf Social Media-Kanäle wie TikTok so einzulassen, dass sie ein größeres Publikum über Politik und ihre Arbeit informieren.

Dabei steckt in den "sozialen" Medien nicht nur das größte Informationspotenzial der jungen Generation, sondern auch das größte Potenzial, diese stärker einzubinden und politisch zu beteiligen.

Aus der Trendstudie "Jugend in Deutschland 2024"

Gegenbeispiel: Auch linke Inhalte können bei TikTok trenden

Die meisten anderen Parteien täten sich schwer, "ihre Kommunikationskanäle für ein junges Publikum attraktiv und für die mobile Nutzung freundlich zu gestalten". Ein Gegenbeispiel sei aber der TikTok-Kanal der Linke-Politikerin Heidi Reichinnek, die mit ihren AfD-Kontern mehrfach ein Millionenpublikum erreicht habe.

Die 36-jährige Bundestagsabgeordnete, die früher in der Jugendhilfe tätig war, scheut sich allerdings nicht, in ihren Videos auch die Politik der Ampel-Parteien von links zu kritisieren.