Zwischen AfD-Sound und Anti-AfD-Protesten: Wohin steuert die CDU?

Manche Töne von CDU-Chef Friedrich Merz passen eher schlecht zur Beteiligung seiner Partei an Anti-AfD-Protesten. Foto: Shutterstock.com.

Gegen den Parteitag der rechten Konkurrenz macht auch die CDU Essen mobil. Geht es dabei noch um Inhalte? Merz-Aussagen sprechen Bände. Ein Kommentar.

Der CDU-Chef und mögliche Kanzlerkandidat Friedrich Merz und seine Partei haben in den letzten Wochen versucht, maximales politisches Kapital aus der Krise der Ampel-Koalition und dem Aufstieg der AfD zu schlagen.

Merz versuchte zum einen, in Sachsen und Thüringen ein Angstszenario aufzubauen, um bisherige Wähler von SPD, Grünen und FDP zur Wahl der CDU zu nötigen.

Aus Angst vor der AfD CDU wählen: Eine gute Idee?

"Wählerinnen und Wähler in Sachsen und in Thüringen, die am 1. September vor der Entscheidung stehen, wen sie wählen sollen, die aber erwägen, die SPD, die FDP oder die Grünen zu wählen – die allesamt einstellig sind und möglicherweise alle drei unter fünf Prozent bleiben – kann ich nur bitten, jetzt in dieser Situation die CDU zu wählen", so sein Aufruf im ZDF-Sommerinterview.

Hintergrund ist, dass die AfD laut Umfragen zumindest in Thüringen stärkste Kraft werden dürfte, aber auch in Sachsen zuletzt knapp vor der CDU lag. In beiden Fällen stellt sich die Frage nach möglichen Koalitionspartnern der CDU, wenn sie die Ampel-Parteien bereits unter der Fünf-Prozent-Hürde sieht. Ob das Bündnis Sahra Wagenknecht oder gar Die Linke nicht genauso schlimm oder schlimmer seien als die AfD, ist in den Unionsparteien durchaus umstritten.

Wie CDU-Chef Merz am rechten Rand fischt

Die CDU allerdings kann sich nicht zwischen AfD-Sound und der Unterstützung von Anti-AfD-Protesten entscheiden. Merz und sein Social-Media-Team tendieren jedenfalls überdeutlich zum AfD-Sound. So wurde am 24. Juni in einem Merz-Tweet auf der Plattform X verlautbart:

Heute tritt das neue Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft. Nie in der Geschichte unseres Landes hat eine Regierung so klar gegen die Interessen der Bevölkerung regiert. Sie sind selbst nach Wahlergebnissen wie vom 9. Juni unfähig und nicht willens zur Korrektur ihrer Politik.

"Nie in der Geschichte unseres Landes" schließt natürlich auch Zeiten mit ein, in denen deutsche Soldaten in Angriffskriege geschickt wurden und Deutschland am Ende in Schutt und Asche lag – die Nazis waren demnach noch die besseren Interessenvertreter der deutschen Bevölkerung, sonst müssten Merz und Co. von der Geschichte der Bundesrepublik sprechen.

Wenn sie in diesem Zusammenhang "unser Land" sagen und gegen die erleichterte Einbürgerung von Menschen mit Migrationshintergrund wettern, dann fischen sie am rechten Rand.

Wie AfD und Merz-CDU das Reizthema Migration framen

Schließlich geht es nicht darum, frisch eingereisten sofort den deutschen Pass auszuhändigen, sondern um die Möglichkeit für Erwerbstätige, nach drei bis fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert zu werden, wenn sie ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablegen und einen erweiterten Einbürgerungstest bestehen, in dem auch beispielsweise ihr Verhältnis zum Staat Israel abgefragt wird.

In der Regel besteht diese Möglichkeit erst nach fünf Jahren – in Ausnahmefällen nach drei Jahren, etwa bei herausragenden beruflichen Leistungen oder ehrenamtlichem Engagement. Was an diesen Regeln gegen die "Interessen der Bevölkerung" verstoßen soll, während ständig der Fachkräftemangel beklagt wird, müsste Merz schon genauer erklären, wenn es nicht nur um Stimmenfang am rechten Rand ginge.

Wenn dieses neue Staatsbürgerschaftsrecht dann auch noch mit Blick auf die Ergebnisse der Europawahl vom 9. Juni kritisiert wird, kann nur gemeint sein, dass bürgerliche Parteien dem Rechtsruck mit mehr Zugeständnissen an rechte Befindlichkeiten begegnen müssten.

Asylsuchende beim Zahnarzt: Spickte Merz öfter bei der AfD?

Eine Merz-Aussage im Herbst 2023 klang bereits wie eine Copyright-Verletzung: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen – und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine", hatte er am 27. September über Asylsuchende in Deutschland gesagt. Das ähnelte frappierend einer Aussage des AfD-Politikers Martin Sichert im Vorjahr über Geflüchtete aus der Ukraine.

Der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt schaffte im TV-Duell mit dem AfD-Mann Björn Höcke kaum den Spagat zwischen Distanzierung und Werben um dieselbe Zielgruppe. Zwei Gruppen aber wurden von Voigt und Höcke einträchtig problematisiert: Asylsuchende und Menschen, die auf Bürgergeld angewiesen sind.

Am Ende wies Voigt zwar Höckes "ausgestreckte Hand" mit den Worten "Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär" zurück; aber sich stark genug von der AfD zu unterscheiden, damit die Hand erst gar nicht ausgestreckt wird, das schaffte er nicht.

Vereint gegen die AfD in Essen: Auch die CDU will dabei sein

Die CDU Essen will allerdings auch "den friedlichen Protest gegen die AfD" unterstützen, zu dem anlässlich des AfD-Parteitags am kommenden Wochenende zahlreiche Gruppen und Organisationen aus ganz Deutschland aufrufen. "Zusammen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz – Kein Raum für Hass und Hetze", heißt es im Aufruf der CDU Essen.

Rechtspopulistische Medien wie Nius nehmen das durchaus übel: "Die CDU wird es bereuen, zu einer Demo aufgerufen zu haben, die zur übelsten Gewaltdemo seit G20 werden könnte", prognostizierte Nius-Chefredakteur Julian Reichelt am Mittwoch. Niemals dürfe sich die Union "zum Schutzschild von Antifa und schwarzem Block machen".

Kein Antifaschismus ohne Inhalte

Natürlich mobilisieren auch verschiedene Antifagruppen – "die Antifa" als homogene Organisation gibt es nicht – zum Protest gegen den AfD-Parteitag. Manche dieser Gruppen verstehen sich auch als kapitalismuskritisch und protestieren nicht nur gegen die AfD, sondern gegen rechte Politik allgemein, selbst wenn es die Ampel-Parteien sind, deren Positionen sich nach rechts verschieben.

Schließlich geht es um Inhalte und die Frage, wie ein solidarisches Miteinander in Deutschland gestaltet werden könnte. Das setzt vielleicht auch mehr Ausgaben für Bildung und Soziales voraus, statt weniger. Kapitalistische Prioritäten verschärfen die Konkurrenz unter Menschen allgemein; und oft auch unter verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Wenn der Kampf gegen Rechts zum Wahlkampf verkommt

Insofern braucht Antifaschismus auch ein "Dafür", einen sozialeren Gesellschaftsentwurf, statt nur ein "Dagegen", das sich auf eine bestimmte Partei oder offene Faschisten beschränkt.

Ein Streit, wie er beispielsweise in München Anfang des Jahres stattgefunden hat, weil die Anmelderin und Mitorganisatorin einer Großdemonstration ihre Kritik nicht auf die AfD beschränken wollte, scheint bereits vorprogrammiert. Allzu breite Bündnisse gegen den Rechtsruck, denen es nicht mehr um Inhalte geht, verkommen aber zum Wahlkampf bürgerlicher Parteien gegen die schmuddelige Konkurrenz.

So hat auch der "Aufstand der Anständigen" vor mehr als 20 Jahren weder die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" noch die heutige Rechtsentwicklung verhindert.