Mit einem Schwarm billiger Wegwerf- oder Suizid-Roboter in den Krieg ziehen

Schwärme autonomer Kampfroboter sind die militärische Zukunft. Bild: Darpa

Die Zukunft des Kriegs aus der Sicht des Pentagon

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Im Januar präsentierte das Pentagon einen als wichtigen Schritt hin zu autonomen Systemen dargestellten Erfolg. In Kalifornien war es bei einem Test gelungen, einen Schwarm von 103 Perdix-Minidrohnen von drei F/A-18 Super Hornets zu starten. Die Drohnen zeigten koordiniertes Schwarmverhalten durch kollektive Entscheidungsfindung, anpassungsfähiges Fliegen in Formation und "Selbstheilung". Der damals noch amtierende Verteidigungsminister Ash Carter sah die Demonstration als Beleg dafür, dass die USA weiterhin "unseren Gegnern einen Schritt voraus" seien. Das Pentagon ließ den Test auch über CBS senden, um für notwendige Aufmerksamkeit bei Freund und Feind zu sorgen.

William Roper, Direktor des für die Entwicklung und Einführung innovativer Techniken zuständigen Strategic Capabilities Office (SCO), hat bereits die "Dritte Offset-Strategie" mitgetragen, die entscheidend auf autonome Systeme setzt (US-Verteidigungsminister: "Niemals" volle Autonomie für Kampfroboter. Für den kraft seines Amtes von technischen Neuheiten schwärmenden Roper muss sich die Kriegsführung völlig auf eine datenzentrische Welt umstellen, was das Verteidigungsministerium einschließt, das von einem "apparatespezifischem Ministerium" zu einem datenzentrischen werde müsse. Das sind Buzzwords wie disruptiv, wie man sie halt gerne verstreut, um zu zeigen, dass man auf der Höhe der Zeit ist.

Im Januar, noch vor Amtsantritt von Trump und wahrscheinlich auch als eine Art persönlicher Bewerbung, um im Amt zu bleiben, feierte Roper den Versuch überschwänglich. Den noch ziemlich dummen Drohnenschwarm bezeichnete er als "kollektiven Organismus, der ein verteiltes Gehirn zur Entscheidungsfindung besitzt" (siehe auch: Wie lässt sich ein Schwarm von hunderten Kampfrobotern steuern?). Überdies wird gerade in militärischer Hinsicht, da es eigentlich keine hierarchischer aufgebaute Organisation mit einer Entscheidungskette von oben nach unten gibt, angepriesen, dass "der Schwarm keinen Anführer besitzt und sich Drohnen anpasst, die in das Team eintreten oder es verlassen". In der Truppe würde man es wohl weniger gut finden, wenn Soldaten auch mal AWOL gehen oder autonome Entscheidungen treffen.

Aussetzen der Perdix-Minidrohnen. Bild: DoD

Roper ist jedenfalls auch nach dem Amtsantritt von Trump und des neuen Verteidigungsministers Mattis noch im Amt und hat am Dienstag noch einmal auf dem Luftwaffenstützpunkt Arlington über die neue datenzentrische Kriegsführung gesprochen. Zentral waren dafür wieder Schwärme von kostengünstigen, unbemannten Systemen, die man einfach mal losschicken und auch verlieren kann, da die Gegner der USA neue Techniken zur Bekämpfung der großen und teuren militärischen Plattformen und der Soldaten entwickeln würden. Daher müsse man, was im Übrigen die Gegner wie China und Russland längst auch machen (China holt im Wettrüsten mit den USA schnell auf), versuchen, "die gefährlichen Jobs im Kampf, so weit wir dies auf ethische Weise vertreten können, an Maschinen zu übergeben, …, so dass die maximale Zahl unserer Mitarbeiter sicher nach Hause zurückkehrt". Ein Großteil der dafür notwendigen Technik existiere bereits.

Roper verweist wieder auf den autonomen Schwarm der Perdix-Drohnen, mit denen ein Kampfflugzeug Überwachungs- und Erkundungsmissionen ausführen könne. Ein anderes Modell wäre "Avatar", womit eine Drohne mit einem bemannten Kampfflugzeug gepaart wird. Die Drohne würde die gefährlichen Jobs übernehmen, um das Überleben der Piloten und des teuren bemannten Kampfflugzeugs zu sichern. Oder man könne auch eine "Geisterflotte" von unbemannten Booten schaffen, die Kampfschiffe begleiten.

Geleitet wird die Vision von Schwärmen autonomer Systeme offenbar stark von ökonomischen Überlegungen. Bislang sind die Militärsysteme wie Kampfflugzeuge, U-Boote, Schiffe oder Panzer teuer, weswegen man auch erwarten würde, dass sie möglichst wieder aus dem Einsatz zurückkehren. Um eine hohe Überlebensrate zu realisieren, würde das für die Entwicklung und den Bau viele Einschränkungen mit sich bringen. Die Plattformen müssen nicht nur geschützt sein, sie müssen auch wieder getankt werden, überdies sind Wartung und Reparatur erforderlich. Alles kommt dem Ministerium teuer. Wenn man gegen technisch hochgerüstete Gegner kämpft, könne man nicht mehr davon ausgehen, dass die Plattformen zurückkehren, so die Ideologie. Roboter, die billiger kommen und als eine Art Selbstmordkämpfer in den Einsatz geschickt werden, eröffnen eine andere Kriegsführung, die zudem auch billiger kommt. Man muss auf das Überleben der eigenen Plattformen und Soldaten keine Rücksicht mehr nehmen und kann daher entsprechend rücksichtlos den Gegner angreifen. Die Roboterisierung würde dann tatsächlich zu einer weiteren Inhumanisierung führen, wenn die Selbsterhaltung wegfällt, die faktisch auch moralische Zurückhaltung fundiert.

Roper führt das nicht in dieser Hinsicht aus, sondern versucht, die Vorteile rein praktisch plausible zu Machen, vergisst dabei aber auch, auf die damit einhergehenden ökologischen Folgen einzugehen: "Es gibt einen Grund, warum wir nicht mehr feines Porzellangeschirr und Kristallgläser auf Picknicks mitnehmen. Wenn wir einmal Papierteller und Dixie-Tassen verwendet haben, werden wir das nicht mehr aufgeben. Das ergibt eine völlig andere Erfahrung. Wir hatten dafür im Militär kein Äquivalent."

Man werde sich weiter auf Roboter verlassen, wenn es Fortschritte in der Autonomie, dem Maschinenlernen, der KI und der Schwarmtechnik gibt. Mit einem "Team der Dinge" könne man Funktionen realisieren, für die früher ein "teures Ding" notwendig war. Aber Roper gab auch wieder das wenig glaubhafte Mantra von sich, dass der Menschen nicht ganz ausgeklammert wird, sondern "in the loop" bleibt. Der Mensch werde zu einem Quarterback, der wie beim Football das Spiel bzw. den Angriff gestaltet, die Roboter führen dann den Angriff aus. Überdies hätten autonome Maschinen auch noch Begrenzungen, so sei es schwierig für sie, strategische Entscheidungen zu treffen, vor allem in Situationen, für die sie noch keine Daten haben und nicht programmiert wurden. Daher brauche man Menschen, die mit Maschinen verbunden sind, um Entscheidungen zu treffen

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