Mit solchen Büchern sollte man nicht verreisen

Autor wegen eines Buchs am Flughafen festgehalten - BGS dementiert

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Rasierklingen sollte man tunlichst zu Hause lassen, wenn man per Flugzeug verreist, das weiß man mittlerweile. Doch auch die falsche Literatur kann Sicherheitsbeamten böse aufstoßen. Das musste am Montag der Autor Tariq Ali feststellen.

Am Montag wollte Filmemacher und Autor Ali am Münchner Flughafen einchecken, um den Flug in seine Heimatstadt London zu nehmen. Er war unter anderem nach Deutschland gekommen, um an einer Podiumsdiskussion im Münchner Goethe-Forum teilzunehmen. Wie alle Gepäckstücke wurde seine Tasche durch die Metalldetektoren geführt - ohne Ergebnis. Zusätzlich wurde das Gepäck des aus Pakistan stammenden Ali von Hand durchsucht. Bei Flügen mit britischen und US-Airlines sind die Sicherheitsvorkehrungen zur Zeit sehr hoch. Ali vermutete, dass die Grenzschützer nach vermeintlichen Anthrax-Umschlägen suchten.

Besonders interessiert war der Beamte nach Angaben Alis an den Papieren, die er in der Tasche fand: eine Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, der International Herald Tribune, Le Monde Diplomatique und das Times Literary Supplement. Dazu Notizen über Buchbesprechungen. Schließlich förderte er ein Buch zu Tage, das der Autor während seiner Deutschlandreise geschenkt bekommen hatte. Ein Essay von Karl Marx mit dem verdächtigen Titel "Vom Selbstmord". Bisher hatte Ali keine Zeit gefunden, darin zu blättern, das Buch war noch eingeschweißt. Für die Beamten war das anscheinend zu viel des Guten: Ein Araber auf dem Weg nach London, der ein Buch über Selbstmord mitführt.

In einem Artikel im Onlinemagazin Counterpunch schildert Ali die folgenden Ereignisse:

Ich war leicht verwirrt von dem Schauspiel, und wartete auf das Ende, damit ich endlich meine Morgenzeitungen lesen konnte. Doch so kam es nicht. Die Art, wie mich die Beamten ansahen, zeigte, was sie dachten. Sie dachten wirklich, sie hätten jemanden erwischt.

Mein Ausweis und meine Bordkarte wurden mir abgenommen, ich wurde rüde angewiesen, meine Tasche wieder einzuräumen, bis auf die entscheidenden "Beweisstücke" (Süddeutsche, Times Literary Supplement und der verfängliche Text von Marx). Danach wurde ich aus der Abflugzone zum Polizeihauptquartier auf dem Flughafen geführt."

Auf dem Weg dorthin sagte mir der verhaftende Beamte: "Nach dem 11. September können Sie nicht mit solchen Büchern verreisen". Ich antwortete: "In dem Fall sollten Sie aufhören, solche Bücher in Deutschland herauszugeben und sie öffentlich verbrennen."

Dort angekommen, wurde er informiert, dass er seinen Flug wahrscheinlich verpassen würde. Er verlangte darauf einen Telefonanruf. Auf die Frage, wen er anrufen wollte, gab er den Bürgermeister von München an, den er bei einer Veranstaltung kennen gelernt hatte. Einige Minuten später wurde er freigelassen und zu seinem Flug eskortiert.

Bei dem Bundesgrenzschutz in München hat man auf Nachfrage von Telepolis keine Kenntnis von dem Vorfall. Weder bei BGS noch bei Landespolizei sei eine Verhaftung bekannt. Das Luftamt Südbayern, das für die Gepäck- und Personenkontrolle am Münchner Flughafen zuständig ist, gibt an, dass seine Beamten nur bei vermeintlichen Tatwerkzeugen einschreiten, also Hieb-, Stich- oder Schusswaffen. "Bei der Kontrolle lesen wir keine Bücher", erklärt ein Sprecher.

Vor zwei Wochen wurde ein türkischer Staatsbürger im Frankfurter Flughafen verhaftet. Die Beamten hatten bei Harun D., einem angeblich führenden Mitglied des vom "Kalifen von Köln" geführten Kaplan-Verbandes, nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft eine Sturmmaske, Tarnkleidung und einen ABC-Schutzanzug gefunden. Dazu Materialien, die sich zur Herstellung eines Sprengsatzzünders eignen und eine CD-ROM mit einem "Ausbildungsprogramm für sogenannte 'Gotteskrieger'". Der Generalbundesanwalt schaltete sich ein. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Planung schwerer Gewalttaten. Nach zwei Wochen Untersuchungshaft wurde der Haftbefehl am Dienstag widerrufen. Die Verdachtsmomente hätten sich nicht bestätigt, so eine Sprecherin.