Mobil Arbeiten nach der Pandemie: Wer Geld spart und wer draufzahlt

Wozu Schreibtische aufstellen, wenn Mitarbeiter Küchentische haben? Foto: Rolf Hassel auf Pixabay (Public Domain)

Viele Unternehmen wollen dauerhaft Büroflächen einsparen: Nur wenige gewährten bisher Zuschüsse für Homeoffice-Kosten

Unternehmen planen bereits die Zeit nach der Pandemie. Dabei wird das Arbeiten zuhause eine große Rolle spielen. Darüber können Äußerungen von Verbandvertretern nicht hinwegtäuschen. Zwar hat sich der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) gegen ein generelles Recht auf Homeoffice ausgesprochen. Auch in Zukunft müsse die Unternehmensleitung entscheiden dürfen, ob vor Ort gearbeitet werden müsse oder nicht, sagte Verbandspräsident Siegfried Russwurm Anfang der Woche im Deutschlandfunk. Auch zeigt eine Bitkom-Studie, dass jedes dritte Unternehmen Druck auf Angestellte ausübt, damit sie nicht ins Homeoffice gehen. 27 Prozent der Befragten wird Arbeiten im Homeoffice verwehrt, obwohl sie ihren Job aus eigener Sicht auch von zu Hause aus erfüllen könnten.

Dies ist kein Widerspruch zur aktuellen Entwicklung Richtung Homeoffice: Die Unternehmen wollen bestimmen, ob und wann zuhause gearbeitet wird. In der Praxis spielen "Desk-Sharing"-Konzepte eine große Rolle. Es geht um das Arbeiten überall und immer. Der Arbeitsort kann bei Kunden sein, im Hotelzimmer auf Dienstreise, zuhause im Wohnzimmer - oder, wenn das Management das wünscht, im Betrieb. In Pandemie-Zeiten hat sich gezeigt, was möglich ist. Diesen Trend werden die Unternehmen weiter vorantreiben.

"Desk-Sharing" als Unternehmensstrategie

Mit "Desk-Sharing" sollen bei Neubaukonzepten Kosten gesenkt werden, so dass etwa bei 400 Beschäftigten statt eines Arbeitsplatzes pro Person insgesamt nur 300 "flexible" Plätze eingerichtet werden. Porsche will 2025 nur noch Schreibtische für 60 Prozent der Büromitarbeiter vorhalten müssen. Das Einsparpotential erkannten Banker schnell. "Wenn unsere Bank trotzdem hervorragend für unsere Kunden da sein kann, brauchen wir dann noch so viel Büroraum in teuren Metropolen?", sagte der Deutsche Bank-Chef Christian Sewing auf der Hauptversammlung bereits im letzten Jahr. "Wir brauchen diese ganzen Reisen nicht mehr", kritisiert Allianz-Konzernchef Oliver Bäte Dienstreisen und will mit mobiler Arbeit Reisekosten sparen.

Mit Desk-Sharing wird eine klare Strategie verfolgt: "Auf einen eigenen, fest zugeordneten Arbeitsplatz muss man verzichten", erläutert das Internet-Portal Arbeitsrechte weltweit unter der Überschrift "Schreibtisch verzweifelt gesucht". Vor Arbeitsbeginn im Betrieb oder zuhause online suchen die Arbeitenden einen Platz - sollte keiner mehr vorhanden sein, soll - oft per Laptop - im "Homeoffice" gearbeitet werden. Wichtig sei dabei eine "Clean Desk Policy: "Damit das Konzept funktioniert, muss zudem jeder den Schreibtisch am Ende seiner Arbeitszeit wieder vollständig aufräumen und Arbeitsmittel sowie persönliche Gegenstände anderweitig verstauen".

"Wir werden nach Corona nicht zur alten Arbeitsweise zurückkehren", äußerte kürzlich ein Sprecher des Pharmakonzerns Bayer. "Für die Zeit nach der Pandemie erwarten wir daher eine verstärkte Nutzung von mobilem Arbeiten." Auch Siemens gibt das Ziel aus, "dass alle Beschäftigten weltweit im Schnitt stets zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können und zwar immer dann, wenn es sinnvoll und machbar ist".

Umgehung gesetzlicher Vorgaben zur Arbeitsplatzeinrichtung

Auffallend ist, wie häufig der Begriff "mobile Arbeit" verwendet wird. Während der Gesetzgeber, etwa im Betriebsverfassungsgesetz, von Telearbeit spricht, reden Unternehmensvertreter eher von "Homeoffice" oder "mobiler Arbeit". Das hat seine Gründe. Denn "Telearbeit" ist rechtlich eindeutig definiert. Paragraph 2 Absatz 7 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) sagt:

• Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten,

• für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.

(§ 2 Abs. 7 ArbStättV)

Ferner heißt es in der Arbeitsstättenverordnung:

• Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben

• und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.

Um diese Pflichten zu umgehen, wird statt Telearbeit auch oft von "mobiler Arbeit" gesprochen. Mobile Arbeit heute kann das Arbeiten mit dem Laptop im Zug, die Terminverwaltung per Smartphone in der Flughafenlounge oder die Arbeit mit dem Tablett im Hotelzimmer sein. Mobile Arbeit in diesem Sinne wäre auch die Arbeit von zu Hause, die gerade nicht Telearbeit im engen Verständnis der ArbStättV ist, etwa die Abfrage dienstlicher Mails vom Smartphone im heimischen Wohnzimmer.

Kosten auf Angestellte verlagert

Als wäre es normal, wird von Unternehmen vorausgesetzt, dass Beschäftigte zuhause einen Arbeitsplatz einrichten. Mit solchen Homeoffice-Konzepten werden Kosten auf die Angestellten verlagert. Auch hier gibt es eine eindeutige Rechtssituation: Die erforderlichen Arbeitsmittel sind vom Unternehmen zu beschaffen.

Dies ergibt sich aus Paragraph 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB):

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

(§ 670 BGB)

Damit stehen den Beschäftigten auch Aufwandsentschädigungen für Miete, Energie und Reinigung der Arbeitsräume zuhause zu - die Unternehmen umgehen diese Pflicht mit dem Argument "Ausnahmezustand Corona". Interessen werden hier völlig verschleiert - wie es die Begriffe "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" ja schon verdeutlichen. Der "Arbeitnehmer" wird als Beschäftigter verstanden, während der Unternehmer als "Arbeitgeber" bezeichnet wird. So definiert es das Betriebsverfassungsgesetz. Diese Begrifflichkeiten verschleiern, dass die Arbeit durch die Arbeiter erbracht wird und sie den Wert im Unternehmen schaffen: Der "Arbeit-nehmer" stellt dem Kapitaleigner, dem "Arbeit-geber" seine Arbeitskraft zur Verfügung. Der "Arbeitnehmer" verkauft seine Arbeit dem "Arbeitgeber", der Produktionsmittel zur Verfügung stellt.

Von Solidarität wird in Pandemiezeiten gerne gesprochen, aber nicht danach gehandelt. "Finanzielle Unterstützung" bleibe die die Ausnahme, meldet die Wirtschaftswoche: "Nur zwei der 22 Unternehmen, die sich auf die Anfrage äußerten, überweisen einen explizit auf das Homeoffice bezogenen Zuschuss". Gerne wird mit Sachzwang-Argumenten gearbeitet: "Automatisierung, Big Data und künstliche Intelligenz haben eine rasante Entwicklungsgeschwindigkeit", gibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die Linie vor.

Während die Gewerkschaften noch hoffen, durch ein Recht auf Homeoffice die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen zu können, zeigt der Umgang mit der Pandemie in den Betrieben, wer Profiteur der Entwicklung ist.