Mode bleibt tragbar, alles andere soll sich ändern
Levi's und Philips bringen interaktive Mode auf den Markt
Es ist die gute alte Cyborg-Vision: Hardwarekomponenten ganz nah am menschlichen Körper, verteilt über Arme, Beine und Oberkörper. Noch sind wir nicht soweit, den MD-Player und das kabellose Internet an die Oberflächenstruktur unserer Haut zu montieren. Noch trennt uns Stoff. Und der wird nicht nur dem Körper, sondern jetzt auch den Geräten entsprechend maßgeschneidert. Philips macht den Schritt zusammen mit Levis, der Jeans-Marke.
Seit 1997 entwickelt Philips tragbare Technologie, auf englisch klingt es besser: Wearable Electronics oder Smart Clothing. Dazu hat sich in Redhill, Surrey, ein interdisziplinäres Team von Forschern aus den Bereichen Mode (ehemalige Studenten des Royal College of Art), Design, Psychologie und Softwareentwicklung zusammengetan.
Für Peter Saraga, dem Managing Director der Philips Research Laboratories, ist die Sache klar: Die Miniaturisierung der Technologie hat in letzter Zeit einen deutlichen Zusatz an tragbaren Produkten auf den Markt kommen sehen. Allzu naheliegend ist es da, die Geräte zur Kleidung werden zu lassen. Diese Vision lässt sich allerdings nur unter Verwendung neuer, noch nie dagewesener Textilien verwirklichen. So werden Knöpfe, Reißverschlüsse und Nähte zu potentiellen keyboardartigen Druckstellen, da der Stoff die elektronischen Signale transportieren kann. Das Ziehen und Drücken eines Materials soll synonym mit den Start und Stoppfunktionen, oder der Lautstärkeregulation sein (siehe Philips Research). Ausgelegt sind die bislang existierenden Prototypen auf ein Personal Area Network (PAN), so dass der Träger der Kleidung festlegen - "personalisieren" - kann, welche Funktionalität er gerade benötigt.
Aber noch das beste Wearable Computing nutzt nichts, wenn die Menschen sich die Dinge nicht anziehen wollen. Folglich ist dies vor allem auch eine Frage der Mode, aber auch der Möglichkeit, etwa Mikrofone, winzige Videokameras oder persönliche digitale Assistenten unsichtbar anzubringen. Natürlich sollen auch physiologische Daten, beispielsweise mit einem Ohrring, abgenommen und übertragen werden.
Stefano Marzano, Managing Director of Philips Design: "As manufacturer of electronic equipment, it is Philips' desire to provide people with tools that will help them communicate, stimulate their brains and senses with entertainment and information, and do more and achieve greater freedom of action in a wide variety of fields. This amplification and exteriorisation of people's powers and capabilities through technology has to be carried out with the maximum of ease, freedom and comfort possible".
Anvisiert wurden so genannte Business Professionals, Kinder, Jugendliche und Sportler. Levi's wiederum - geplagt von sinkenden Absätzen - hat in einer Marktstudie die Zielgruppe der Nomaden für einen internen Strukturwandel anvisiert.
Peter Ingwersen von Levi's zu der britischen Tageszeitung The Guardian:
"Our first miners pants were launched in 1873 - we needed to examine what people wear today. We identified a group called nomads who are constantly on the move...and need to be wired, so we began looking for partners."
Im Herbst sollen die ersten Produkte der Philips-Levi's-Liaison auf den Markt kommen: Jacken mit Telefonen und "voice recognition dialling", Mikrophone im Kragen und ein MP3-Player, der sich automatisch ausschaltet, wenn das Telefon klingelt. Das Ganze soll auch noch waschbar sein!
Billig werden die smarten Kleider allerdings erst einmal nicht sein - und so die berüchtigte digitale Spaltung deutlich sichtbar zum Ausdruck bringen. Jacken mit Mobiltelefonen, einem tragbaren Audiogerät, einer Fernbedienung, einem Mikrophon und Kopfhörern soll etwa 1800 Mark kosten.
Levi's leistet mit diesem Schritt - ähnlich einer Marke wie Nike, die mit dem Apple-Veteranen Ray Riley an digitalen Träumen bastelt - einer Kommerzialisierung von interaktiver Kleidung auf Mainstream-Level Vorschub. Schließlich lautet die Mission: "Philips technology in every shirt and skirt". Dabei wird intelligente Mode in Wissenschaftskreisen noch immer zwecks soziologischer Grundlagenforschung getragen. "Wie werden vernetzte Gemeinschaften aussehen, wenn sie tragbar werden?", lautet eine der berechtigten Fragen.