Modi-Faschismus: Indiens unfairste Wahlen seiner Geschichte

Narendra Modi, indischer Ministerpräsident, bei einer Rede vor Parteimitgliedern.

Narendra Modi, indischer Ministerpräsident, bei einer Rede vor Parteimitgliedern. PradeepGaurs / Shutterstock.com

Pressezensur, Opposition hinter Gittern. Das als "größte Demokratie der Welt" gepriesene Indien folgt der Autokratie-Logik. Ein Blick hinter die Fassade.

Delhi. Die Lok Sabha (Unterhaus-) Wahlen in Indien haben begonnen und werden sich bis zum 1. Juni hinziehen. Es geht um viel im seit 2023 bevölkerungsreichsten Land der Erde, das technologisch jüngst durch seine Mondlandung (als erst vierte Nation) überraschte und mit seinem BIP inzwischen auf den fünften Platz hinter China, USA, Deutschland und Japan vorrückte.

Die Ignoranz westlicher Medien gegenüber indischer Innenpolitik steht also in keinem Verhältnis zur Bedeutung der aufstrebenden Großmacht Indien.

Personenkult, Cricket und der Rama-Tempel in Ayodhya

Premierminister Modi etablierte seit seinen Wahlsiegen von 2014 und 2019 einen wachsenden Personenkult, so Ramachandra Guha, Geschichtsprofessor in Andhra Pradesh. Modi nutze dafür Hinduismus, Sport und Justiz, zelebriere sich in der heiligen Pilgerstätte Ayodhya, benannte das größte Cricket-Stadion der Welt nach sich und ließ sich von einem amtierenden Richter des Obersten Gerichtshofes als "Visionär" und "Genie" preisen (Guha S.86).

Modi ist Führer der das Land dominierenden BJP (Bharatiya Janata Party), einer Partei mit faschistischen Wurzeln und ultranationalistischem Programm. Der starke Mann in Delhi hat deutlich mehr Oppositionspolitiker inhaftiert als z.B. Wladimir Putin, was im Westen aber kaum jemanden zu stören scheint. Auch Orbán oder Erdoğan hätte man solche Eingriffe in die Wahlen kaum ohne lautstarke Kritik durchgehen lassen.

Während viele Journalist:innen Indien weiterhin stereotyp als "größte Demokratie der Welt" preisen, sehen Menschenrechtler wie Ramachandra Guha es längst auf dem Weg in die Autokratie. Doch die Lage ist vielleicht weitaus schlimmer: Vieles erinnert inzwischen an die Jakarta-Methode im Indonesian Genocide 1964/65. Drohen gewaltsame Unruhen und Massenmorde an Minderheiten und politischen Gegnern?

Minderheiten werden drangsaliert

Minderheiten, besonders die ca. 200 Millionen Muslime Indiens, werden durch Modis Politik, etwa das Verbot von Kuh-Schlachtungen, zunehmend diskriminiert und terrorisiert, weitgehend unbemerkt von westlichen Medien. Löbliche Ausnahme sind Reportagen des Deutschlandfunks (DLF)über die Verfolgung oft muslimischer Bauern durch heilige Kühe verteidigende Hindus (z.B. Petersmann 2016).

Der DLF verzichtet jedoch weitgehend auf politische Hintergründe, konzentriert sich lieber auf die skurrile Verehrung von Kühen und das Leid der Familien von Mordopfern.

Aufschlussreicher berichtete Hannah Ellis-Petersen für den Guardian aus Delhi, die Unterdrückung Modis gegen Oppositionelle scheine zuzunehmen und die Wahlen 2024 könnten die unfairsten in der Geschichte Indiens werden.

Hauptgegner von Modi sind die Oppositionsparteien Aam Aadmi Party (AAP) und die Kongresspartei, die traditionell das Gandhi-Lager vertritt.

Eine Koalition aus 28 Oppositionsparteien, darunter Kongresspartei und AAP, schloss sich 2023 unter dem Akronym INDIA (Indian National Developement Inclusive Alliance) zusammen, um Modi und seiner immer mehr dominierenden BJP bei den Wahlen die Stirn zu bieten.

Doch Modi, der seine überwältigende Parlamentsmehrheit weiter ausbauen will, scheint dagegen auf Law-fare zu setzen, auf den Missbrauch der Justiz für seine Machtpolitik.

Finanzterrorismus und Erpressung durch "Korruptionsbekämpfer"

Der AAP-Spitzenpolitiker Arvind Kejriwal, einer der prominentesten Oppositionsführer des Landes, sitzt im Tihar-Gefängnis in Delhi, wo er zuvor zum lokalen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Schon knapp ein Jahr inhaftiert sind auch sein Ex-Vize Manish Sisodia und der Ex-Gesundheitsminister Satyendar Jain. Gerade erst am 2. April kam ein weiterer AAP-Minister, Sanjay Singh, nach sechs Monaten Haft auf Kaution frei – er musste dafür bis zum Obersten Gerichtshof klagen.

Die AAP sieht in der Verhaftungswelle wegen angeblicher Geldwäsche eine Justiz-Intrige von Modis BJP, um die konkurrierende AAP vor den Wahlen zu zerschlagen, so Hannah Ellis-Petersen im Guardian. Modi habe jede Beeinflussung der Justiz natürlich abgestritten, doch seine BJP habe weitere unfaire Methoden auf Lager.

Die Gegner Modis wurden auch dadurch geschwächt, dass immer mehr führende Oppositionspolitiker zur BJP überliefen. Nachdem sie von Modis Behörden überprüft worden waren, sollen seit 2014 laut einer aktuellen Untersuchung des Indian Express schon 23 prominente Politiker zu Modis BPJ übergetreten sein.

Gegen 25 Politiker wurde wegen Korruption ermittelt, nur in 23 Fällen wurde eine Begnadigung ausgesprochen – zufällig genau bei den Überläufern zu Modi. Die Kongresspartei bezeichne diese Methode als "BJP-Waschmaschine", zitiert der Guardian die Opposition.

Angesichts des Reichtums der BJP im Vergleich zu anderen Parteien stecke "eine starke Kombination aus Angst und Geld" hinter den Fahnenwechseln. Werden andere Parteien von Justiz- und Finanzbehörden diszipliniert, gewinnt Modi beim einfachen Volk Zulauf durch raffiniertes Nutzen der Hindu-Religion.

Modi als Vertreter Ramas – Religion als Machtpolitik

Die Stadt Ayodhya in Nordindien wird von Hindu-Nationalisten als Geburtsstätte des Gottes Rama gesehen, aber 1528 wurde dort vom ersten indischen Großmogul eine bedeutende Moschee errichtet, angeblich genau an der Geburtsstelle Ramas unter Zerstörung eines Hindu-Tempels.

Schon seit den 1980er-Jahren wurde aus BJP-Kreisen der Abriss dieser Moschee und die Errichtung eines Rama-Geburts-Tempels in Ayodhya gefordert, 1992 zerstörten Hindu-Fanatiker die Moschee. Im Januar 2024 weihte Modi höchstpersönlich den neuen Rama-Tempel ein, "flankiert von einer Phalanx singender Priester" (Guha S.90) – ein kluger Schachzug für den anstehenden Wahlkampf.

Die Pilgerstätte Ayodhya symbolisiert für Hindutva-Anhänger ein neues, segensreiches Zeitalter und steht zugleich für ein bestialisches Massaker an Muslimen 2002. Im Februar 2002 kam es im Bundesstaat Gujarat unter damals noch lokaler Bundesstaats-Regentschaft von Modi zu einem Brand in einem Zug mit Ayodhya-Pilgern.

60 Hindus starben, bezichtigt wurden ohne jeden Beweis die Muslime. Gujarat erlebte die schlimmsten Pogrome seit der Unabhängigkeit Indiens, die tagelang anhielten, ohne dass Sicherheitskräfte eingriffen.