Möge die Macht mit ihm sein

Zum Tod des Schauspielers Sir Alec Guiness

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Von allen Schauspielern der Star-Wars-Serie tut man sicherlich Alec Guiness am meisten Unrecht, wenn man ihn auf seine Rolle in diesem Werk reduziert. Und doch war der letzten Samstag verstorbene für ganze Generationen von Vorpubertierenden mehr als ein Filmstar: Er war Obi-Wan Kenobi, Jedi-Lehrmeister, der dem pubertierenden Luke das Laserschwert (=Phallus) überreicht, und ihn damit an die "Macht" heranführt.

Der am 2. April 1914 unehelich geborene Engländer arbeitete in der Werbebranche, bevor er 1934 nach einem Schauspielstudium am Fay Compton Studio zum Theater ging. Seine Verkörperung des Osric in "Hamlet" war ein großer Erfolg. Erst 1946 wandte er sich mit einer Rolle in "Geheimnisvolle Erbschaft" hauptsächlich dem Film zu. Guiness galt bald als der Robert de Niro seiner Zeit: Ein Schauspieler, der die verschiedensten Rollen überzeugend spielen konnte. In der Komödie "Kind Hearts and Coronets" (deutsch: "Adel verpflichtet") spielte er überzeugend acht verschiedene Figuren in einem Film. Ein festes Bild von ihm entwickelte sich trotzdem: Seinen britischen Akzent und damit einhergehend das Image des arroganten Teetrinkers, legte er nämlich auch in Hollywood nicht ab. Aus seinem Namen ließ sich das passende Anagramm "genuine class" bilden. Den Adelstitel erhielt er 1959 gleichzeitig mit dem Oscar für "The Bridge on the River Kwai", in dem er einen britischen Offizier in einer Gruppe von Kriegsgefangenen im Birma (jetzt: Myanmar) des Zweiten Weltkriegs spielte. Einen zweiten Ehrenoskar erhielt er für sein Lebenswerk. Weitere große Erfolge waren "Ladykillers" von 1955, "Our man in Havana" von 1960, "Lawrence of Arabia" von 1962 , "Doctor Zhivago" von 1965, "The Comedians" von 1967, die TV-Verfilmung von John Le Carrés Spionageklassikern "Tinker, Tailor, Soldier, Spy" von 1980 und "Smiley's People" (deutsch: "Smileys Leute") von 1982. Auf der Bühne spielte er unter anderem in Aufführungen von T.S. Eliots "Coctail Party" und John Mortimers "Voyage Round my Father."

Sir Alec Guiness war bekannt für seine nachträgliche Ablehnung der Rolle des Obi-Wan Kenobi, er verkündete, die Idee, dass George Lucas die Figur sterben ließ, stamme von ihm, er hätte es nicht ertragen, die dümmlichen Dialoge in noch mehr Filmen sprechen zu müssen, alle Fanpost, die sich auf diese Rolle beziehe, würde er unbesehen wegwerfen.

"I shall become more powerful than you can possibly imagine!"

Dieser Satz, den Obi-Wan Kenobi in Todesverachtung Darth Vader entgegenhält, wird trotzdem in vielen seiner Nachrufe auftauchen. Vielleicht war Guiness zu sehr Schauspieler, zu sehr auf Distanz zu seinen Rollen bedacht (er verkörperte unter anderem auch Adolf Hitler in dem italienischen Spielfilm "Ultimo 10 giorni di Hitler"), als dass er sich mit der Identifikation mit einer - wenn auch mit mythologischen Qualitäten ausgestatteten - Figur hätte abfinden können. Trotzdem wird sich (unter anderem wegen seiner Ausstrahlung und seiner schauspielerischen Qualitäten) wohl niemand an Ewan McGregor, der die Figur in "Episode 1" verkörperte, als Obi-Wan Kenobi erinnern. Seinen etwa gleichaltrigen britischen Schauspielerkollegen Sir Lawrence Olivier und Ralph Richardson, die früher in einem Atemzug mit Guiness genannt wurden, blieb das Schicksal der Identifikation mir (vor allem) einer Rolle erspart. Aber wer kennt heute noch Ralph Richardson?

Der Hollywood-Star war seit 1938 mit der Schauspielerin Merula Salaman verheiratet und hat einen Sohn. 1956 konvertierte er, wie Graham Greene, zum katholischen Glauben - vielleicht mit ein Grund, warum er so überzeugend den Spion "Smiley" verkörpern konnte. 1985 veröffentlichte er seine Autobiographie "Blessings in Disguise". Alec Guiness, der seine letzten Jahre abgeschieden im südenglischen Petersfield verbrachte, starb am Samstag Abend im King-Edward-VII-Krankenhaus in Midhurst, West Sussex, in das er am Donnerstag eingeliefert worden war. Er wurde 86 Jahre alt. Gerüchte, dass der Schauspieler an Leberkrebs verstarb, wollte das Krankenhaus nicht bestätigen. Sein Tod wurde erst am Montag offiziell bekannt gegeben.