Monsanto hat es eilig
Der Gentech-Multi klagt die Bundesrepublik Deutschland an und will Zulassung von Gentech-Mais per Gerichtsbeschluss erzwingen
Er sprießt bereits auf einigen deutschen Feldern - der umstrittene GV-Mais MON 810. Dieser insektenresistenten Monsanto-Sorte wurde ein Bt-Toxin-Gen eingebaut. MON 810 könnte aber auch nützliche Insekten schädigen und ist deshalb in verschiedenen EU-Ländern verboten. Dagegen ist Deutschland mit den genehmigten Anbauflächen geradezu großzügig. Dem Gentech-Multi Monsanto ist das offensichtlich noch lange nicht genug. 2006 soll die Kommerzialisierung munter voran schreiten. Dafür wird aber eine Sortenzulassung benötigt, die der Konzern nun per Schnellverfahren gerichtlich durchsetzen will. Abgeordnete von SPD und Grünen sind empört.
Erst kürzlich demonstrierten ein Agraringenieur und ein Imkermeister gemeinsam mit etwa 200 Mitstreitern gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Mais auf einem Feld in Hohenstein etwa 30 km von Berlin entfernt (Tanz ins Gen-Feld). Zur angekündigten „Feldbefreiung“ kam es aufgrund massiven Polizei-Aufgebots nur in kleinem Ausmaß (Streit im Kornfeld). Auf insgesamt etwa 250 ha Land wird dieses Jahr GV-Mais angebaut. Allerdings ist dies erst der Anfang der Kommerzialisierung.
Die knifflige rechtliche Grundlange dafür erklärt Sabine Riewenherm, Gentechnik-Referentin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne, gegenüber Telepolis folgendermaßen:
Nach § 3 Abs. 2 SaatG ist es rechtlich möglich, eine Ausnahmegenehmigung für das befristete Inverkehrbringen für landwirtschaftlichen Sorten (nicht nur für gentechnisch veränderte Sorten) zu bekommen, für die eine Zulassung beantragt, aber noch nicht erteilt worden ist. Diese Ausnahmegenehmigung gilt für das Inverkehrbringen bestimmter Mengen von Saatgut (unabhängig davon, ob gentechnisch verändert oder nicht) zu Versuchszwecken. Pflanzenzüchter sollen dadurch die Möglichkeit bekommen, ihre Sorten vor Erteilung der Sortenzulassung in begrenztem Umfang im Praxisanbau zu testen.
Das Bundessortenamt hatte bestimmte Ausnahmegenehmigungen bereits seit 2002 jedes Jahr erteilt. Diese Ausnahmegenehmigungen sind aber beschränkt auf eine bestimmte Saatgutmenge und zeitlich befristet. „Anders verhält es sich mit der grundsätzlichen Sortenzulassung für MON810 durch das BSA, um die es bei der derzeit diskutierten Klage geht. Hier sind die EU-rechtlichen Bedingungen nicht gegeben, denn MON810 ist in der EU zwar als Futter- und Lebensmittel angemeldet worden, nicht aber als Saatgut“, so Riewenherm.
Das will aber Monsanto nun wiederum nicht einsehen. Auf EU-Ebene wäre doch alles geklärt, argumentiert das Unternehmen. Dort ist der GV-Mais, der übrigens in etlichen EU-Ländern wie Österreich oder Ungarn verboten ist - tatsächlich im Sortenregister eingetragen. Die EU-Kommission hatte am 8. September 2004 die Aufnahme von 17 gentechnisch veränderten Maissorten der Linie MON 810 in den EU-Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten beschlossen (Monsanto hält Einzug in Europa). Damit wurde zum ersten Mal gentechnisch manipuliertes Saatgut in den gemeinsamen Katalog aufgenommen.
Bereits 1998 wurde der MON 810 nach der damals gültigen Freisetzungsrichtlinie (90/220) zugelassen. Die EU-Zulassung läuft aber aus. Vor einer Neuzulassung muss der Monsanto-Mais aber eine neue Sicherheitsüberprüfung durchlaufen. Nach der Recherchen eines Journalisten und später von Greenpeace stellte sich heraus, dass bisher kein gültiger und für die Zulassung notwendiger Überwachungsplan für den Gentech-Mais existiert. Dabei hatte David Byrne, ehemals zuständiger EU-Kommissar, zuvor erklärt, dass Monsanto nachträglich einen solchen Überwachungsplan eingereicht hätte.
Die Irreführung der Kommission bei der Zulassung von MON 810 stellt grundsätzlich in Frage, ob die zuständigen europäischen Gremien, die Sicherheit der gentechnisch veränderten Pflanzen ausreichend gewährleisten.
Informationsdienst Gentechnik
Nichts desto trotz machte das Unternehmen in Deutschland Druck. Noch in diesem Sommer hofft man auf eine positive Entscheidung. „Um für nächstes Jahr ausreichend Saatgut zu bekommen, müssen wir spätestens Ende August entscheiden, wie viel wir davon in Chile produzieren müssen“, wird Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder in der taz zitiert. Offensichtlich gab es im Vorfeld bereits positive Signale aus den zuständigen Ministerien. Doch die Zulassung wurde kurzfristig abgesagt, woraufhin das Unternehmen ein Ultimatum bis 10. Juni setzte, berichtet das Schweizer Landwirtschaftsportal „Schweizerbauer“:
Quasi in letzter Minute, am späten Nachmittag, bot der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Alexander Müller, den Unternehmen jedoch an, kurzfristig einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Müller will mit den Antragstellern die Konsequenzen des Gutachtens klären, das von seinem Haus in Auftrag gegeben worden war und Anlass gab für neue gentechnikrechtliche Bedenken gegen MON 810.
Allerdings gibt es nicht nur rechtliche Bedenken gegen den insektenresistenten GV-Mais MON 810. In verschiedenen Studien wurden mögliche unerwünschte Nebeneffekte auf Nicht-Zielorganismen, etwa nützliche oder sogar geschützte Insekten, gezeigt. Auch deutsche Labor- und Freiland-Versuche mit einer MON 810 Sorte ergaben, dass sich eine Entwicklungsverzögerung bei bestimmten Insekten nicht wegdiskutieren lässt, wenn sie diesen Mais fressen. So brauchen Trauermücken, die wichtig für die Zersetzung abgestorbener Pflanzenteile sind, längere Zeit bis zur Verpuppung. Unklar ist allerdings, ob dies in direktem Zusammenhang mit dem eingebauten Bt-Toxin-Gen zu tun hat oder die „Formulierung“ der Pflanze als Gesamtes zu den unerwünschten Effekten führt.
Verärgert auf die Klage reagierten der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Mueller, und die zuständige Berichterstatterin, Elvira Drobinski-Weiss:
Die Klage von Monsanto und der illegale Import von Bt10-Mais durch Syngenta lassen die Befürchtung zu, dass es hier um wirtschaftliche Erfolge mit der Brechstange geht. Die notwendige Sorgfalt und der lange Atem, die für eine so grundlegende Weichenstellung in der landwirtschaftlichen Produktion notwendig sind, werden zu Gunsten kurz- und mittelfristiger Profite vernachlässigt.
Grünen-Abgeordnete Ulrike Höfken legt noch nach:
Die Penetranz des US-amerikanischen Gentechnik-Konzerns Monsanto, gegen den Willen der Verbraucher und Landwirte vorzugehen, ist schier unerträglich. Monsantos Marktstrategie nach Wildwest-Manier ist dafür verantwortlich, dass der Streit um die Agro-Gentechnik in Deutschland eskaliert und Imker, Landwirte und empörte Verbraucher auf den Gen-Äckern demonstrieren.
Sie erinnert auch an die Patentproblematik (Lizenzgebühren für jede einzelne Bohne), den Bauern in den Hauptanbaugebieten gentechnisch veränderter Pflanzen zu schaffen macht:
Gen-Saatgut ist immer auch Patent-Saatgut - und das bekommen die Landwirte in den Hauptanbaugebieten USA, Kanada und Argentinien schon heute bitter zu spüren. In Kanada und USA zerrt Monsanto Landwirte vor Gericht, nur weil zufällig Gentechnik-Pollen auf ihre Felder geraten sind. Monsanto hat eigens Leute als Feldspione eingestellt, die durch die Äcker streifen. Selbst eine kostenlose Hotline, bei der Nachbarn verdächtige Geschehnisse melden sollen, wurde vom Monsanto eingerichtet. Inzwischen hat der Konzern sogar dafür gesorgt, dass auch in Argentinien - dem Hauptanbaugebiet für Gen-Soja von Monsanto - ein Gesetz erlassen werden soll, dass der Firma das Eintreiben von Patentgebühren ermöglichen soll.
Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Da noch mehrere Gentech-Sorten beim Bundessortenamt zur Zulassung anstehen, konnte Monsanto offensichtlich auch andere Mitstreiter aus der Branche gewinnen. Laut „Schweizerbauer“ ist auch Pioneer Hi-Bred mit von der Klage-Partie.