Moskau-Besuch von Xi Jinping: Zukunft aus einer anderen Welt

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Keine neue Friedensinitiative für den Ukraine-Krieg, aber große Vorhaben für eine Zusammenarbeit zwischen China und Russland, die sich gegen die Dominanz des Westens und dessen Menschenrechtsuniversalismus richtet.

Die ganz große, politisch-kühne Überraschung wäre es gewesen, wenn Xi Jinping von Moskau nach Kiew reisen würde, um den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zu treffen. Danach sieht es ganz und gar nicht aus.

Es bleiben nur die Spekulationen, ob es vielleicht zu einem Telefonat zwischen Xi Jinping und Selenskyj kommen kann. Angefacht wurden sie unter anderem von einem Exklusiv-Bericht der Washington Post, gut eine Woche vor dem Besuch Xi Jinpings in Moskau.

Da der ukrainische Präsident, der bekanntlich vor harschen Worten nicht zurückscheut, gegenüber China einen sachteren Ton anschlägt und Interesse an einem guten Verhältnis geäußert hat, blinkte hier die Möglichkeit auf, dass sich ein Fenster auftun könnte.

Der chinesische Friedensplan, in deutschen Publikationen häufig in Anführungszeichen gesetzt, stößt im Westen auf Ablehnung, weil China Russlands Gebietsansprüche unterstützt, auch wenn im chinesischen Papier in Punkt 1 die "territoriale Integrität aller Länder" als Grundsatz herausgestellt wird.

China ist aber nicht neutral. Wenn es um die Rivalität zwischen den USA und Russland geht, so positioniert sich Xi Jinping eindeutig aufseiten Russlands.

Ein Gespräch zwischen Selenskyj und dem chinesischen Staatschef hätte, wohl nicht nur nach Ansicht von China-Kennern, Relevanz. Gekoppelt an die Hoffnung, dass es einen neuen Pfad zu einer politischen Lösung des Ukraine-Kriegs aufmachen würde.

China: Position verbessert

Soweit ist es bis dato nicht gekommen (die wichtigste Rolle für eine Bereitschaft zu Verhandlungen dürfte ohnehin bei den USA liegen). Der Drei-Tage-Besuch von Xi Jinping wird gleichwohl in größeren Teilen der Welt als ein Ereignis verbucht, das das internationale Standing Chinas weiter bekräftigt hat.

So etwa in der Öffentlichkeit Chinas und Russlands, nicht gerade die kleinsten Länder der Welt. Sowie auch in all den Ländern, die wie Indien oder Südafrika auf Partnerschaft mit China setzen oder afrikanischen Ländern, die enge Geschäftsbeziehungen mit China haben.

Und wahrscheinlich auch in Ländern des Nahen Ostens, wo sich China zuletzt eine wichtige diplomatische Rolle eroberte. Woraus nicht nur Iran und Saudi-Arabien, sondern auch Syrien politisches Kapital schöpfen.

In westlichen Bewertungen des Moskau-Besuchs von Xi Jinping liegt der Akzent oft darauf, wie gefährlich oder alarmierend sich das russisch-chinesische Bündnis nach dem Drei-Tages-Treffen für die von den USA angeführte internationale Gemeinschaft auswirkt.

Im Einzelnen wird herausgearbeitet, wie sehr sich in Moskau Putins Abhängigkeit von China zeigte und worin sich die Kalkulation der beiden Länder unterscheiden, die als gemeinsame Basis die Bildung eines Gegenpols zur westlichen Dominanz haben.

Für Xi geht die Kalkulation anders (als für Putin, Einf. d. A.): Zwar will er dem Westen – allen voran den USA – zu verstehen geben, dass er sich nicht reinreden lässt, mit wem er sich trifft. Von seinem Besuch ließ er sich daher auch nicht durch den Umstand abhalten, der Internationale Strafgerichtshof seinen Gastgeber mittlerweile wegen Kriegsverbrechen per Haftbefehl sucht. Gleichzeitig darf es nicht so wirken, als würde Xi sich vorbehaltlos mit dem Russen gemein machen – eine solche Positionierung könnte die Europäer vollends ins Lager der Amerikaner treiben, was China vermeiden will.

Spiegel

Das liest man als basale Einschätzung des gegenwärtigen Verhältnisses zwischen Russland und China nicht zum ersten und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal.

Ausbau der Geschäftsbeziehungen

Beobachter der asiatischen Interessensphäre rücken zwar ebenfalls gemeinsame geopolitische und rechtliche Interessen (Ablehnung der Universalität der Menschenrechte, wie sie der Westen auf seine Fahnen schreibt), die mit der westlichen Ordnung in Konkurrenz treten, in den Blick, aber eben auch die geschäftlichen Kooperationen, die in einem großen Spektrum großes Volumen versprechen. Ein Schaubild dazu liefert die Liste der acht prioritären Felder der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Neben wenig signalstarken Schlagworten wie dem Ausbau von Handel und Investitionen und gehört auch die Abwicklung von Finanzgeschäften in lokaler Währung dazu, die Verbesserung von Lieferketten, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energieversorgung und der Technologie und Innovation.

Letztere Kursangaben dürften US-Amerikaner und Europäer schon aufhorchen lassen, weil hier eine Gegenreaktion zu den Sanktionen zu erkennen ist, die auf längere Frist eine eigene Dynamik und eine Neugestaltung eines Wirtschaftsraums im Zug hat, der sich von westlichen Interessen und Vorgaben unabhängiger macht.

Wie der Ausbau des Wirtschaftsraums aussehen kann, davon vermittelt ein Bericht der Asia Times eine Ahnung. Dort wird unter der Überschrift "China investiert im Fernen Osten Russlands und kauft mehr Treibstoff" davon berichtet, dass China jetzt mehr Öl und Gas aus Russland zu niedrigeren Preisen kaufe, dass eine Pipeline (Siberia 2) gebaut werden soll und die weitere Zusammenarbeit das "Finanzwesen, Landwirtschaft, Kernenergie, digitale Wirtschaft, Luft- und Raumfahrt, Nordpol-Erkundung sowie Tourismus und Bildung" einschließen werde.

Das sind weitreichende Absichten.