"Moskauer Wirtschaftsforum" nimmt russische Regierung in die Mangel
Seite 2: Kann das Streikland China ein positives Beispiel sein?
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In der Arbeitsgruppe "Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Entwicklung" gab es auch Vortragende aus dem wissenschaftlichen linken Spektrum. Einer von ihnen war der bekannte Moskauer Anarcho-Kommunist und Historiker Vadim Damier. Der Historiker argumentierte, Solidarität funktioniere nicht, wenn sie erzwungen ist und wenn es eine Herrschaftshierarchie gibt. Und statt "Gerechtigkeit" wäre es besser "Gleichheit" anzustreben, genauer gesagt, "gleiche Möglichkeiten bei der Nutzung von Gütern" und "gleiche Möglichkeiten der Teilnahme an der Entscheidung allgemeiner Fragen".
Eine heiße Diskussion entspannte sich in der Arbeitsgruppe an der Frage, ob China als Vorbild für Russland dienen könne. Angeblich sei die aktuelle chinesische Politik der NEP-Politik unter Lenin ähnlich, argumentierten einige Diskussionsteilnehmer. In China mit seiner großen Zahl von Streiks herrsche - so Damier - "reiner Kapitalismus".
Auf seiner Facebook-Seite resümierte Damier, er sei traurig, dass die Mehrheit der linken Intellektuellen in diesem Land "auf die eine oder andere Weise Leninisten bleiben". Sie meinten zu wissen, "wie man die Macht ergreifen kann". Sie wüssten aber nicht "wofür". Genauer gesagt, sie wüssten nicht, "wie man eine freie Gesellschaft schaffen kann".
Der linke Wirtschaftswissenschaftler Vasily Koltashov, Leiter des Zentrums für ökonomische Forschungen am Institut für Globalisierung und soziale Bewegungen, hält das Moskauer Wirtschaftsforum für einen wichtigen Ansatz. Jedoch seien die vom Forum aufgestellten Forderungen für die Masse der Bevölkerung unverständlich und einige Forderungen auch falsch. Jetzt Rubel zu drucken - wie es der linke Ökonom Sergej Glasew fordere -, könne nur die Inflation anheizen. Anstatt Banken und Unternehmen mit staatlichen Geldern zu sanieren, müssten die finanziellen Reserven Russlands für konkrete Projekte wie den Wohnungsbau, sowie den Bau von Eisenbahnstrecken und Straßen eingesetzt werden. Das werde zu einem Nachfrage- und Wachstums-Schub führen. Die Kritik an den derzeitig starken Einkommensverlusten richte sich bei der einfachen Bevölkerung - so betonte Koltaschow - nicht gegen Putin, sondern gegen die russische Regierung, in der liberale Wirtschaftsexperten den Ton angeben.
Die Initiative zu dem alljährlichen Moskauer Wirtschaftsforum, welche jetzt schon das vierte Mal stattfand, kam aus der ökonomischen Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität. Sie gilt schon lange als linker Gegenpol zur Moskauer "Higher School of Economics" , die ebenfalls jährlich eine Groß-Veranstaltung unter dem Namen Gajdar-Forum veranstaltet. Das Forum hat seinen Namen vom ehemaligen russischen Ministerpräsidenten (und Schocktherapeuten) Jegor Gajdar, der bis heute viele Anhänger in der russischen Elite hat.
Zu den bekanntesten Vertretern der neoliberalen Richtung in Russland gehören heute der ehemalige Finanzminister Aleksej Kudrin, der sich politisch immer noch einmischt, und der Chef der Moskauer Sperbank, German Gref.