Mosul: IS-Verdächtige werden wie Vieh in Gefängnissen gehalten
Mit Folter, Exekutionen und unmenschlichen Haftbedingungen legen die irakischen Sicherheitskräfte die Grundlage für neue Konflikte nach dem absehbaren Ende des IS
Berichte über Misshandlungen, Vergewaltigungen, Folter und Exekutionen durch irakische Soldaten und Sicherheitskräfte von Menschen, die als IS-Mitglieder oder - Sympathisanten gelten, vermehren sich nach der Einnahme von Mosul. Schon mit der Offensive wurden vor allem Männer im kampffähigen Alter, aber auch Kinder, die aus Mosul flohen, festgehalten, befragt, eingesperrt und mitunter gefoltert und erschossen.
Sofern die irakischen Sicherheitskräfte, darunter auch zahlreiche schiitische Milizen, denen immer wieder Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Massenexekutionen vorgeworfen wurden und vor denen manche Sunniten aus Angst lieber "Schutz" beim IS gesucht haben, überhaupt offiziell handeln, werden die Menschen aufgrund von Listen identifiziert. Auf diesen finden sich zehntausende Namen von Menschen, die als IS-Mitglieder oder -Kollaborateure gelten.
Auf die Listen kommen auch die Namen von Menschen, die Informanten oder Nachbarn weitergeben. Das muss nicht immer stimmen und kann auch ein Versuch sein, sich durch Denunziation selbst weißzuwaschen. Wenn es ordentlich zugeht, werden die Verdächtigen verhört, was oft mit Bedrohung bis hin zur Folter einhergeht, üblich sind, wie dies die Amerikaner in Abu Ghraib vorgeführt haben, verbundene Augen oder Säcke über den Kopf und mit fest hinter dem Rücken verbundenen Armen. Dann werden sie im besten Fall einem Richter vorgeführt und in ein meist provisorisches Gefängnis gesteckt, wenn sie Glück haben, auch wieder freigelassen.
Wie es bei den Verhören zugeht, konnte der Fotograf Ali Arkady sogar dokumentieren, nachdem eine irakische Eliteeinheit ihm erlaubte, sie zu begleiten. Mit großer Brutalität und Grausamkeit versuchen die Soldaten den Gefangenen Geständnisse zu entlocken. Man kann nur vermuten, was den Verdächtigen noch angetan wird, denn sie werde den Fotografen nur zu den "harmloseren" Verhören zugelassen haben. Hier wurde auch noch einmal klar, dass die Sicherheitskräfte, die foltern und morden, keine Sorge haben müssen, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, auch wenn die Regierung dies beteuert.
Nun haben AP-Reporter ein Gefängnis im Süden von Mosul besuchen können, in dem mehr als 370 Verdächtige eingesperrt sind - unter unmenschlichen Bedingungen. Dorthin gebracht wurden während der letzten drei Monate 1150 Festgenommene, die Hälfte von ihnen soll zu Verhören nach Bagdad gebracht worden sein. In einem Gefängnis auf dem Luftwaffenstützpunkt Qayara, in dem Arkady Zeuge von Folter wurde und das sich in der Nähe des Lagers der US-Soldaten befindet, sind 2800 Männer eingesperrt. Hunderte sollen verstreut in kleineren Gefängnissen sitzen.
Den Reportern gegenüber beteuerten Gefangene, sie seien unschuldig. Höchstens 10 Prozent der Gefangenen hätte mit dem IS zu tun gehabt. Alle seien schon mehr als sechs Monate in dem Gefängnis. Ein Gefangener sagte außer Hörweite der Wachen, sein Name sei auf einer Liste gewesen. Obgleich er seit 8 Monaten eingesperrt sei, habe er nie einen Richter gesehen und wisse nicht, wessen er beschuldigt wird. Ein anderer sagte, er wolle nur noch sterben. Besuche erhalten die Gefangenen offenbar nicht. Nach einer Erzählung würden aus den Wunden mancher Gefangenen Würmer hervorkommen. Wenn sie zur Behandlung kämen, würden sie mit amputierten Gliedern zurückgebracht.
Man muss annehmen, dass unter den Gefangenen auch Menschen sind, die nicht beim IS waren, aber nun als Verdächtige der Wut und Grausamkeit der Soldaten und Milizen ausgesetzt sind, die ihnen zurückzahlen, was der IS den Menschen angetan hat. So aber schafft man die Grundlage dafür, dass auch dann, wenn der IS im Irak besiegt sein sollte, der nächste Konflikt geschürt wird.
Nach den Aufnahmen der AP-Reporter sind über 100 oft abgemergelt und krank aussehende Gefangene wie Vieh in einem Raum eingesperrt, oft ohne Oberkleidung, Schulter an Schulter sitzend, mit hinter dem Rücken verbundenen Armen. Es gibt keine Fenster und keine Belüftung, meist gibt es auch keinen Strom. Nach dem Leiter des Gefängnisses sind viele Männer krank, sie haben Hautprobleme, die meisten könnten nicht mehr laufen, weil ihre Beine durch die mangelnde Bewegung angeschwollen sind.
Schon im Februar hatte die Menschenrechtsorganisation HRW Gefängnisse bei Mosul besucht und die "schrecklichen und unmenschlichen" Zustände dokumentiert. Geändert hat sich durch den Bericht offenbar nichts. Belkis Wille vom HRW sagte RT, es würden viele Männer dort wegen der schlechten sanitären und hygienischen Bedingungen sterben. Sie hat eine 24 Quadratmeter große Zelle mit zugemauerten Fenstern besucht, in der seit 4 Monaten 114 Männer gefangen gehalten worden seien. Die Gefängnisse in Mosul sind bei den Kämpfen zerstört worden, so werden Verdächtig jetzt nach Wille in Häusern, provisorischen Einrichtungen oder Polizeistationen eingesperrt sind, "die absolut ungeeignet sind, dort Menschen festzuhalten".
Folter auch im Libanon
Auch im Libanon scheinen syrische Flüchtlinge von der Armee gefoltert und misshandelt zu werden. Sie wurden bei Durchsuchungen am 30. Juni in den Flüchtlingslagern al-Nur and al-Qariya bei Arsal an der Grenze zu Syrien festgenommen. Hunderte sollen festgenommen worden sein, schnell kam es zu Kritik, dass Festgenommene gedemütigt worden seien. Auf Bildern ist zu sehen, wie Männer mit auf den Rücken gefesselten Händen auf dem Boden mit dem Gesicht nach unten liegen und Soldaten mit Waffen zwischen ihnen stehen. Die Durchsuchungen wurden durchgeführt, nachdem es in den Lagern jeweils einen Selbstmordanschlag gegeben hatte, bei einem wurden 3 Soldaten verletzt, der andere soll sich, umgeben von einer syrischen Familie, in die Luft gesprengt haben.
Vier der Festgenommenen starben Tage danach. Forensische Berichte sagen zwar, es gebe keine Zeichen von Gewaltanwendung, Middle East Eye verweist aber auf Fotos von drei Leichen, auf denen Wunden und Prellungen zu sehen sind. Ein Informant sagte, die Opfer seien tagelang an Händen und Füßen mit Plastikbändern "bis zu dem Punkt extremer körperlicher Schädigung" gefesselt gewesen. HRW hatte über Folter durch libanesische Soldaten bereits Anfang des Jahres berichtet. Unklar ist, wie viele Männer von der Armee weiter gefangen gehalten werden.