Müllhalde Ozean
- Müllhalde Ozean
- Plastik und Gift im Bauch von Meerestieren
- Auf einer Seite lesen
Auch wenn er fortgespült wird, ist er nicht weg: Kunststoffabfall, der sich massenhaft auf dem Erdball verteilt, wird zur ernsten Gefahr für Mensch und Tier
Plastik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es findet sich in Kleidung, Kosmetika, in Lebensmitteln, Mineralwasser und im Bier. Nach Schätzungen des Bundesumweltamtes (UBA) landen bis zu 30 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle jährlich in den Ozeanen, allein in Europa sind es bis 5,7 Millionen Tonnen. Der wachsende Müll schädigt zunehmend die Gesundheit der Ökosysteme.
Ob leere Plastikflaschen, alte Fischernetze oder Tüten - zu den tausenden Tonnen Plastik, die täglich vom Festland ins Meer gespült werden, kommen Verpackungen, Besteck und ähnliches, das die Touristen an den Stränden zurücklassen. Auch von Schiffen wird Plastikmüll über Bord geworfen. Glaubt man einer Studie des UBA von 2014, werden jährlich rund 300 Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt. Sechs bis zehn Prozent davon landen nach Gebrauch in den Weltmeeren.
Der Einsatz von Kosmetika spielt bei der Verschmutzung eine bedeutende Rolle. So schätzt das UBA allein in Deutschland die Verwendung von Polyethylen in Kosmetik auf etwa 500 Tonnen Mikroplastik jährlich. Als Pulver oder als Granulat reinigt und glättet es die Hautschicht. Zudem kommt es als Schleif-, Binde- und Füllmittel sowie als Filmbildner vor. Mit dem bloßen Auge kaum erkennbar, finden sich die Partikel in Reinigungscremes und Zahnpasta - vor allem in Form von Polyethylen. Auch in Shampoo- und Badeprodukten verteilen sich die Plastikkügelchen in der Flüssigkeit. Mit dem Abwasser gelangen sie in lokale Kläranlagen und von da aus weitgehend ungefiltert ins Meer.
Mikroplastik in Honig und Bier
Auch in vielen Lebensmitteln sind Nanopartikel enthalten. Sie finden sich als Rieselhilfen in Speisesalz, im Ketchup und als fruchtige Farbgebung für Limonade. In verpackten Käsescheiben verhindern sie, dass diese aneinanderkleben. Gerd Liebezeit, Chemiker an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, fand in 19 untersuchten Honigen Fasern und Plastikfragmente, darüber hinaus Plastikkügelchen in vier Proben.
Ihm zufolge sind Plastikteilchen sowohl im Regen als auch in der Luft nachweisbar. Er und sein Team gehen davon aus, dass Mikroplastik überall in der Atmosphäre zu finden sind. Bei einer Analyse der am meisten verkauften deutschen Mineralwasser und Biere soll in nahezu allen Proben Mikroplastik gefunden worden sein. Sie stammen vermutlich von Kleidung aus Fleece-Material, das durch Waschen in die Umwelt gelangt ist.
Mikroplastik im Autolack schützt vor Ausbleichen in der Sonne, mit Sonnencremes gelangen dieselben Partikel in die Haut - und gefährden die menschliche Gesundheit: So fanden Wolfgang Kreyling und sein Team am Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit heraus, dass Nanopartikel über Lunge und Haut ins Blut gelangen und von dort über den gesamten Körper verteilt werden. Sie fanden die Partikel nicht nur in Leber, Niere und Milz, sondern auch im Herzen und sogar im Gehirn.
Der Körper sei kaum imstande, die widerstandsfähigen Mikroteilchen aufzulösen. Sie lagern sich in den Organen ein, welche dann erkranken. Durch Störung der Herzrhythmusfunktion würden zum Beispiel Herzinfarkte bzw. thrombolische Effekte provoziert. Die Umweltmedizinerin Barbara Dohmen zieht Parallelen zu Asbest: Wie hier würden auch bei Plastik die winzigen Mikropartikel von den Fresszellen des Immunsystems nicht vollständig aufgegriffen.
Bei einem Versuch am Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin reicherten sich Mikroplastik-Fasern im Gewebe von Muscheln an. Bei sehr hohen Konzentrationen könne dies sogar zum Tod der Tiere führen, so der Ökotoxikologe Stephan Pflugmacher Lima. Auch er ist davon überzeugt, dass Mikroplastik für den Menschen gefährlich ist.
Kreiselnde Kunststoffinseln
Einer Studie des World Economic Forums vom Januar 2016 zu Folge gelangen jährlich acht Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane. Das würde bedeuten, dass ein Müllwagen pro Minute ins Meer entleert würde. Diese Zahl könnte sich bis 2030 verdoppeln.
Nach Berechnungen der Forscher schwimmen heute bereits rund 150 Millionen Tonnen Plastik in den Meeren, ein Fünftel des Gewichts aller Fische. Selbst bei sofortiger Müllvermeidung würde der Müll in den Meeren nicht abnehmen. Schuld daran ist der unaufhaltsam wachsende Plastik-Verbrauch. Nur rund 30 Prozent werden in Sammelsystemen aufgefangen, der Rest gelangt in den Wasserkreislauf. Hält dieser Trend unvermindert an, würde der Plastikmüll im Meer bis 2050 mehr wiegen als alle Fische zusammen, schätzen die Wissenschaftler.
Eine von der UNEP in Auftrag gegebene Studie beziffert den Schaden auf 13 Milliarden US-Dollar im Jahr. Werden die direkten Schäden in den Ozeanen, der Einfluss auf menschliche Gesundheit und Nahrungskette sowie die abgebauten Stoffe auf die Ökosysteme hinzugerechnet, käme man auf einen jährlichen Schaden von 40 Milliarden US-Dollar - eine Summe, welche die Gewinne der Plastikindustrie bei Weitem übertrifft.
Auf seinem Weg durch das Meer folgt das Plastik bestimmten Strömungen, erklärt der Ozeanograph Nikolai Maxilenko in einem Interview gegenüber Arte. 15.000 Bojen, verteilt in den Weltmeeren, senden Signale über Satelliten. Sie alle ergeben ähnliche Strömungsmuster, denn das Treibgut sammelt sich - beeinflusst durch Erdrotation, Schwerkraft und Windbewegungen - in denselben Breitengraden in so genannten Müllstrudeln. Hier drehen sie über Jahrzehnte hinweg ihre Runden, wobei sie in immer kleinere Teile zerfallen.
Fünf riesige Plastikinseln soll es insgesamt geben. Während die Existenz der Inseln im Südatlantik und im Indischen Ozean nur vermutet wird, sind die Müllberge im Nord- und Südpazifik sowie im Nordatlantik wissenschaftlich belegt. Der bisher am besten erforschte Plastikstrudel ist der Great Pacific Garbage Patch. Er erstreckt sich entlang der Nordpazifischen Küste von China bis nach Kanada und Kalifornien.
Hier wirbelt der Müll in komplexen Strömungen bis zu 30 Meter tief umeinander - auf einer geschätzten Fläche von 700.000 bis 15.000.000 Quadratkilometer (zum Vergleich: die Fläche Europas umfasst 10.180.000 Quadratkilometer). Zudem weist sie mit rund einer Millionen Partikel pro Quadratkilometer die höchste Dichte an Mikroplastik auf. Auch auf den Meeresböden häufen sich Müllberge an. So hat sich der Müll auf dem Meeresboden der Arktis innerhalb der letzten zehn Jahre verdoppelt.