Münchner Sicherheitskonferenz 2018: Von der Leyen lobt den Koalitionsvertrag
Fragen nach dem Konflikt zwischen den USA und der Türkei wird ausgewichen
Im Februar treffen sich im Münchner Hotel Bayerischer Hof, wo das WLAN für einen Tag 18 Euro kostet, Politiker und hohe Beamte aus der ganzen Welt, um über Sicherheitsthemen zu sprechen. Dieses Jahr nehmen an der Konferenz unter anderem die britische Premierministerin Theresa May, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko und der Emir von Katar teil. Nicht teilnehmen werden dagegen die Staats- und Regierungschefs von Frankreich und Deutschland, Emmanuel Macron und Angela Merkel.
Aus der Riege der Verteidigungsminister kamen der Amerikaner James Mattis, die Französin Florence Parly und die Deutsche Ursula von der Leyen, von den Außenministern der Russe Sergej Lawrow, der Türke Mevlüt Çavuşoğlu, der Iraner Mohammed Dschawad Sarif, der Saudi Adel al-Dschubeir und der Deutsche Sigmar Gabriel. Andere anwesende Amtsträger sind beispielsweise Donald Trumps sicherheitspolitischer Berater Herbert Raymond McMaster, UN-Generalsekretär António Guterres, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, CIA-Chef Mike Pompeo, MI6-Chef Alex Younger, Mossad-Direktor Yossi Cohen, BND-Präsident Bruno Kahl und Interpol-Generaldirektor Jürgen Stock.
Bereits am Donnerstagabend, einen Tag vor dem eigentlichen Beginn, diskutierten die estnische Präsidentin Kersti Kaljulaid, die StopKillerRobots-Kampagnekoordinatorin Mary Wareham, der Palantir-CEO Alex Karp und der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der ehemalige Bild-Zeitungs-Chef Kai Diekmann, Ursula von der Leyen und die Roboterin Sophia über Künstliche Intelligenz und autonome Waffensysteme und Cyberkrieg (vgl. Münchner Sicherheitskonferenz: Ein Killswitch für gefährliche KI?).
Von der Leyen lobt Koalitionsvertrag
Über solche Cyber-Fragen verhandelten die Teilnehmer am Freitagvormittag hinter verschlossenen Türen weiter. Den öffentlichen Teil der Veranstaltung eröffnete am Freitagnachmittag von der Leyen mit einer Rede, in der sie den neuen deutschen Koalitionsvertrag lobte, der vorsieht, dass frei werdende oder neue Mittel so lange "prioritär" dem Verteidigungshaushalt und der Entwicklungshilfe zukommen sollen, bis man das NATO-Ziel erreicht hat, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben.
Ihre Formulierung, das sei nötig, "damit niemand auf den Gedanken kommt, auch nur einen Quadratzentimeter des Bündnisses anzugreifen" erinnerte in ihrer Drastik ein wenig an Kaiser Wilhelms Hunnenrede; ebenso wie der schnarrend-preußische Tonfall, in dem sie immer wieder von einer "Tchrendtwende" sprach, die sie "bechertzt" "auf den Weech gebracht" habe. Durchaus sprachfehlerfrei, aber eben sehr, sehr preußisch klingend. Von Moderator Wolfgang Ischinger auf die Verschlechterung des Zustands der Bundeswehr während ihrer Amtszeit angesprochen, meinte von der Leyen, sie werte solche Kritik lediglich als Argument für eine Erhöhung des Wehretats.
Die Verteidigung soll der CDU-Politikerin aus der Albrecht-Dynastie nach außerdem immer europäischer werden und nicht von Abstimmungsregeln gehemmt sein, bei denen das Einstimmigkeitsprinzip kleineren Ländern die Möglichkeit gibt, Entscheidungen Deutschlands und Frankreichs zu blockieren. Dafür will sie die "Europäische Verteidigungsgemeinschaft" PESCO aus deren Dornröschenschlag im Lissabon-Vertrag aufwecken.
Weniger Haarspray, selbe Politik
Florence Parly, die nach von der Leyen sprach und neben etwas weniger Haarspray als ihre Vorrednerin ein Halstuch trug, wie man es von deutschen Grünen-Politikerinnen kennt, schlug so sehr in die gleiche Kerbe, dass die Reden der beiden Verteidigungsministerinnen sehr koordiniert wirkten. Sie kündigte unter anderem gemeinsame deutsch-französische Drohnen an und meinte zu Waffenexporten, man dürfe daraus kein "Schreckgespenst" machen, weil Rüstungsexporte eben nötig seien, wenn man eine funktionierende europäische Rüstungsindustrie haben möchte.
Auf den Einwand, wie eine gemeinsame Verteidigungspolitik mit dem deutschen Parlamentsvorbehalt bei Militäreinsätzen vereinbar wäre, antwortete sie mit einem Hinweis darauf, dass die beiden Verteidigungssysteme ja nicht "identisch", sondern nur "komplementär" sein müssten. Dass kann man so verstehen, dass sie damit zufrieden wäre, wenn der deutsche Steuerzahler die Interventionen französischer Soldaten bezahlt.
Verteidigungsrede für das Verteidigungsbündnis
UN-Generalsekretär António Guterres, der nach Parly redete, lieferte den Zuhörern vor allem eine geopolitische Übersicht, in der er die wichtigsten Krisenherde aufzählte. Scheich Tamim Al-Thani, der Emir von Katar, trat als nächster Redner nicht in Tracht, sondern im Anzug auf, und bauchpinselte die EU als Vorbild dafür, dass ein friedliches Zusammenleben auch nach blutigen Konflikten möglich sei. Dabei hob er besonders den Brexit als Beispiel für die unblutige Lösung von Konflikten hervor.
Der nach ihm sprechende NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wirkte mit seinem weichen skandinavischen Akzent zwar äußerlich weniger martialisch als von der Leyen, lieferte aber inhaltlich eine Verteidigungsrede für das Verteidigungsbündnis, das seinen Worten nach zwei Kriege auf dem Balkan "beendete" und auch in anderen Weltgegenden erfolgreich war. Fragen dazu, ob sich in Syrien nicht gerade zwei NATO-Partner militärisch gegenüberstehen, wich er so gut es ging mit Verweisen über Gespräche zwischen den USA und der Türkei aus.
Poroschenko wirbt für Aufnahme der Ukraine in die NATO und die EU
Der international bekannteste Redner am Abend war gestern der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko. Er pries sein Land als "Schild und Schwert" Europas an, dessen Aufnahme in die EU und die NATO die Sicherheit dieser Organisationen seinen Worten nach erhöhen würde, weil man damit einer russischen Agenda aus "Lügen, Gewalt und der Missachtung von Menschenrechten" entgegentrete. Vorher war ein am Rande der Konferenz vorgesehenes Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine, bei den es um den Konflikt im Donbass gehen sollte, abgesagt worden.
Den Öffentlichen Nahverkehr behindert die Konferenz bislang weniger als der MVV selbst, der mit Umbauarbeiten bis 2022 versucht, die viehtransportartigen Zustände am Sendlinger Tor und in den Linien U1/U2 und U3/U6 zu lindern, die zusammen mit einer extremen Unpünktlichkeit drastisch vor Augen führen, warum viele Menschen auch dann nicht auf ein Auto verzichten würden oder könnten, wenn der Öffentliche Personennahverkehr kostenlos wäre.