NASA-Detektiv nimmt Big Bang unter die Lupe
NASA-Observatorium MAP untersucht den Fingerabdruck des Urknalls
Seit nunmehr über 15 Monaten driftet das NASA-Mikrowellen-Observatorium MAP (Microwave Anisotropy Probe) im All. Der Auftrag der Forschungssonde ist unmissverständlich: Der Weltraum-Detektiv soll den Fingerabdruck des Urknalls, das so genannte "Nachglühen" des Big Bangs, das sich als Mikro-Hintergrundstrahlung verrät, auf eventuelle Fluktuationen hin untersuchen. Inzwischen scannte MAP den gesamten "Himmel" bereits zweimal ab. Die dritte Phase hat jetzt begonnen. Und bereits Anfang Januar werden schon die ersten Resultate vorliegen.
Ein Donnern, ein Beben, ein gleißender Feuerball, unsagbar viel Lärm - und trotzdem irgendwie ein pittoresker Anblick, eine idyllische Szenerie, eine gelungene Ouvertüre. Wer einmal Zeuge eines Raketenstarts geworden ist, wird sich - ob nun technik- oder raumfahrtfeindlich eingestellt oder gar wissenschaftlich desinteressiert - der Faszination eines derartigen Schauspiels nur schwer entziehen können, insbesondere dann, wenn der Start "bilderbuchmäßig" gewesen war.
Erste Ergebnisse liegen Anfang Januar vor
Am 30. Juni 2001 war dies der Fall. Seinerzeit hob eine dreistufige Boeing-Delta-Rakete (Typ II-7425-10) vom US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral im Bundesstaat Florida auf höchst elegante Weise ab, obgleich sich an Bord eine ausgesprochen exquisite und zugleich wertvolle Ladung staute: das 145 Millionen Dollar teure Mikrowellen-Observatorium MAP (Microwave Anisotropy Probe).
Seitdem die Forschungssonde im September letzten Jahres am zweiten Lagrange-Punkt Position bezogen hat, jenem 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Punkt (einer von fünf Stellen im All), an denen sich die Schwerkraft von Sonne und Erde dergestalt neutralisieren, dass ein Satellit dort seinen Abstand zur Erde problemlos halten kann, belauscht das Weltraumteleskop den kosmischen "Äther". Innerhalb eines Jahres hat das "Fernrohr" den "Himmel" bereits zweimal vollends abgetastet. Jetzt beginnt der dritte Durchlauf, die letzte Beobachtungssequenz der insgesamt 18 Monate währenden intensiven Suchphase nach dem Ursprung der Materie und den Anfängen des Universum. Und noch bevor diese offiziell endet, werden bereits die ersten Ergebnisse vorliegen. "MAP hat jetzt den Himmel zweimal durchforstet und sammelt weitere Daten. Wir gehen davon aus, dass wir die ersten Resultate im Januar veröffentlichen", verdeutlicht MAP-Spezialist Alan Kogut vom NASA Goddard Space Flight Center. "Angesichts des riesigen Aufwandes, der erforderlich ist, um die groben Beobachtungsdaten in kosmologisch verwertbare Resultate umzuwandeln, ist dies ist aber ein sehr eng bemessener Zeitrahmen."
Fluktuationen im Urknallecho
MAP sucht nach Fluktuationen im Urknall-Echo. Innerhalb fünf verschiedener Frequenzbänder, die von 22 bis 90 GHz reichen, tastet das Mikrowellen-Teleskop bestimmte Schwingungsmuster in der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung ab, jener auf uns permanent von allen Himmelsrichtungen niederprasselnden Strahlung, die ein Produkt des Big Bang ist, der irgendwann vor 12 bis 15 Milliarden Jahren den Beginn von Materie (Anti-Materie), Zeit und Raum markierte. Spätestens seit der Boomerang-Ballon-Mission (1998), bei denen erstmals Töne des frühen Universums in der Hintergrundstrahlung eingefangen wurden, wissen die Astronomen, dass das Echo des Urknalls nicht gleichmäßig "klingt": Die Hintergrundstrahlung weist "akustische Spitzen" auf. Just diese minimalen Schwankungen und Temperaturunterschiede soll MAP mit bislang unerreichter Genauigkeit messen, um daraus ein Wärmemuster zu errechnen. "Die Temperatur variiert nur im Bereich von Millionstel Grad, aber diese winzigen Unterschiede sind der Schlüssel zu allem", verdeutlicht Dr. Charles L. Bennett, der Leiter der MAP-Mission.
Mittels der gesammelten Bit und Bytes wollen die Forscher ein genaues Abbild des Universums rekonstruieren und in Gestalt einer detaillierten und kompletten Karte der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung visualisieren. Mithilfe solcher Daten ließen sich zudem verschiedene kosmologische Computersimulationen erstellen, mit denen zentrale Fragen der Kosmologie beantwortet werden könnten: Wird sich das All für immer ausdehnen oder irgendwann einmal wieder zusammenschrumpfen? Was geschah während des Urknalls? Und wie verteilten sich die Galaxien, die wir heute sehen? MAP könnte auch das Problem der Dunklen Materie (Dark Matter) auflösen, die über 95 Prozent der Materie im All stellen soll: "Wenn wir die Hintergrundstrahlung sehr genau messen, können wir auch diese Frage klären", so Bennett.
Fossile Hintergrundstrahlung
Einig sind sich die Forscher darin, dass der Urknall vor ungefähr 12 bis 15 Milliarden Jahren Materie und Antimaterie, Raum und Zeit eine kosmische Heimat gab. Schenkt man der Inflationstheorie Glauben, dann blähte sich der Kosmos "nach" dem Big Bang innerhalb des Bruchteils einer Picosekunde schlagartig um den unvorstellbaren Faktor zehn hoch 29 (eine Eins mit 29 Nullen) auf. Was dabei genau das Universum auf irgendeine wie auch immer geartete "ultraüberlichtschnelle" Weise auseinandergetrieben hat, ist bislang noch strittig.
Unstrittig hingegen ist allerdings die Tatsache, dass diese Strahlung erst rund 300.000 Jahren nach dem Big Bang generiert wurde. Da in früheren Epochen des Weltalls die Temperaturen wesentlich höher waren, war auch die kosmische Strahlung erheblich intensiver. Auch heute gilt noch: Je schneller der Kosmos expandiert, desto kälter wird er.
300.000 Jahre nach dem Urknall konnten sich aber aufgrund der extrem hohen Temperatur Atomkerne und Elektronen nicht zu neutralen Atomen vereinigen; das ionisierte Gas (Plasma) war undurchsichtig. Was sich vor langer Zeit jenseits dieses Horizonts abspielte, wo in gewisser Weise der Herkunfts- und Geburtsort des Urknall-Echos liegt, bleibt vorerst hinter einer unüberwindbaren Grenze verborgen.
Das Echo des Big Bang ist eine extrem kurzwellige Strahlung im Radiowellenbereich (Mikrowellenbereich) und liegt etwa bei 2,7251 Grad über dem absoluten Nullpunkt, weshalb sie oft als 3K-Hintergrundstrahlung bezeichnet wird. "Die Hintergrundstrahlung ist in der Tat ein Fossil", erläutert Professor David T. Wilkinson von der Princeton Universität.
Genauso wie wir Dinosaurierknochen studieren, um das Leben dieser Tiere zu rekonstruieren, können wir dieses urzeitliche Licht messen und ermitteln, wie das Universum vor 14 Milliarden Jahren ausgesehen hat.
Eine interessante Simulation zu MAP und Lagrange-Punkt siehe