NATO: Global Hawk auch im Bereich der Inneren Sicherheit
Ein Werbefilm des Militärbündnisses erläutert die Nutzung der auf Sizilien stationierten großen Drohnen auch gegen Terrorismus und Umweltkatastrophen oder zur Migrationskontrolle
Im sizilianischen Sigonella errichtet die NATO derzeit ihr milliardenschweres "Alliance Ground Surveillance System" (AGS), für das mehrere sehr hoch fliegende Drohnen des Typs "Global Hawk" beschafft werden. Spätere Einsätze könnten dann auch über Lagezentren in Deutschland gesteuert werden. Die NATO lobt eine kürzlich in Norwegen abgehaltene Übung, für die mindestens drei Testflüge der Riesendrohne von Sizilien nach Norwegen stattgefunden haben.
Hersteller der unbewaffneten "Global Hawk" ist die US-Firma Northrop Grumman. Die Drohne diente auch als Blaupause für den zeitweise eingemotteten deutschen "Euro Hawk" (Fliegt die Spionagedrohne Euro Hawk doch bald für die Bundeswehr?). Im Gegensatz zum "Euro Hawk" soll die "Global Hawk" aber nicht mit Abhöranlagen, sondern mit optischen Sensoren bestückt werden. Auch diese stammen soweit bekannt aus US-Produktion, Deutschland konnte seine Forderung nach Einbau eines Überwachungssystems von Airbus Space & Defence nicht durchsetzen.
Die Gesamtkosten des AGS werden mit 1,452 Milliarden Euro angeben, hinzu kommen Gelder für die Infrastruktur (105,4 Millionen Euro) sowie die Anmietung kommerzieller Satellitenkapazitäten (bis zu 250 Millionen Euro). Der Betrieb der Basis auf Sizilien verschlingt weitere Gelder. Zudem will die Bundeswehr weitere "Global Hawk" kaufen, diese aber im Auftrag der NATO in Schleswig-Holstein stationieren. Sie würden dann dem "Zentrum Luftoperationen" der Bundeswehr in Kalkar sowie dem unmittelbar benachbarten Uedem unterstellt.
"Von den Niederlanden bis Estland, von den Alpen bis zur Ostsee"
Die NATO hat nun ein Video zum AGS auf Sizilien veröffentlicht, das mögliche Szenarien der "Global Hawk" beschreibt. Demnach könnte die Drohne von der Größe eines Passagierflugzeugs für zivile und militärische Zwecke gleichermaßen genutzt werden. Die "Global Hawk" sei hierfür mit entsprechenden Sensoren und Radartechnik ausgerüstet. Sie könnte etwa für Einsätze rund um Piraterie, Terrorismus oder Migration in die Luft steigen. Auf diese Weise könnten von Sigonella aus Schiffsbewegungen vor Somalia abgesichert oder Prognosen über Flüchtlingsbewegungen erstellt werden. Als weitere Anwendungsgebiete gelten Katastrophen oder Öl-Havarien. Auch humanitäre Missionen könnten von der Spionagedrohne begleitet werden. Die "Global Hawk" könne hierzu von allen Teilen der Welt operieren.
Spätere Einsätze der "Global Hawk" könnten unter anderem aus dem niederrheinischen Uedem geführt werden. Dort unterhält die NATO ein gemeinsames Hauptquartier, das für einen Umkreis von mehreren Tausend Kilometern zuständig ist. Der Verantwortungsbereich erstrecke sich laut Bundeswehr "von den Niederlanden bis Estland, von den Alpen bis zur Ostsee" und umfasst den Luftraum von zehn Ländern.
Alle Oberbefehle kommen aber aus Ramstein (Ramstein wird Zentrum des US-Drohnenkriegs in Afrika und Asien). Auch die kürzlich im Zuge der Ukraine-Krise nach Estland verlegten Eurofighter werden von Uedem aus geführt. 100 Soldaten waren nach Angaben der Bundesregierung "für das Vor- und Hauptkommando der NATO-Mission" verabschiedet worden.
NATO lobt Militärübung mit großen Drohnen
Als drittes großes Lagezentrum ist auch das "Nationale Lageführungszentrum" in Uedem angesiedelt. Dabei handelt es sich um eine zivil-militärische Einrichtung, denn neben Soldaten wachen dort auch die Bundespolizei und die Flugsicherung über "terroristische Bedrohungen" des deutschen Luftraums. Auch der Bundesnachrichtendienst und das Bundeskriminalamt sind einbezogen, die Behörden sind in einer NATO-Kaserne untergebracht.
Das "Nationale Lageführungszentrum" war unter anderem mit der Bewältigung von Störungen der Flugsicherung im gesamten östlichen Alpenraum befasst, die an zwei Tagen im Juni diesen Jahres aufgetreten waren (Waren doch Militärübungen für das Verschwinden von Zivilflugzeugen von Radarschirmen verantwortlich?). Die Übermittlung von Flugdaten über Transpondersignale von Passagierflugzeugen war gestört, der Luftverkehr vor allem in oberen Höhenbereichen musste umgeleitet werden. Dadurch kam es auch zu Verspätungen, die sich insgesamt auf 41 Stunden beliefen. Insgesamt waren 57 Flieger betroffen. Dem Führungszentrum in Uedem fiel auf, dass ein in Ungarn stattfindendes NATO-Manöver ursächlich für die großflächige Störung sein könnte. Denn dort wurde der sogenannte "elektronische Kampf" (EloKa) geübt. Gemeint ist die NATO-Übung "NEWFIP 2014″, die im ersten Halbjahr 2014 stattfand und sich auf sechs mehrtägige Manöver in verschiedenen europäischen Regionen verteilte.
In dem Werbefilm der NATO wird die im Mai in Norwegen abgehaltene NATO-Übung "Unified Vision 2014" hervorgehoben. Damals war die mehrmalige Durchquerung des deutschen Luftraums mit einer "Global Hawk" geplant. Die Riesendrohne der US-Luftwaffe sollte von Sigonella nach Norwegen fliegen und dabei als "kürzeste Wegstrecke" auch Deutschland überqueren. Gesteuert wurde die Übungsmission von einer Kontrollstation auf einer Basis in Beale/USA. Ein deutscher Offizier war hierfür als Beobachter in die Steuerungszentrale in die USA entsandt worden.
NATO widerspricht Verteidigungsministerium
In die Drohne waren zahlreiche Aufklärungssensoren eingerüstet, darunter elektrooptische Kameras und Geräte zur Radarabbildung, aber auch - ungewöhnlicherweise - zum Abhören funkgebundener Kommunikation. Trotzdem hatte das deutsche Verteidigungsministerium nach einer flugbetrieblichen und technischen Untersuchung eine entsprechende Genehmigung erteilt. Der "Sensorbetrieb" war jedoch im deutschen Luftraum untersagt. Letztlich entschied sich die NATO aber für eine alternative Flugroute über Frankreich und Großbritannien. Zu den Gründen werden bisher keine öffentlichen Angaben gemacht.
In ihrem Werbefilm widerspricht die NATO allerdings der Darstellung des Verteidigungsministeriums. So habe es im Rahmen der Übung "Unified Vision" Durchquerungen auch des deutschen sowie des dänischen Luftraums gegeben. Die Überflüge dienten unter anderem dem Erkenntnisgewinn zur Nutzung militärischer Drohnen und ihrer Integration in den zivilen Luftraum. Dies wird von der NATO bekräftigt. Auf diese Weise hätte das Militärbündnis gezeigt, was zukünftig normal werden könne: Die Integration großer, nicht nur militärischer Drohnen in den allgemeinen Luftraum. Dann könnten weitere Anwendungsgebiete erschlossen werden, darunter unbemannte Frachtflüge. So würde eine Menge Geld gespart, denn auf die Ausrüstung mit Rettungssystemen für Piloten und Crew könne verzichtet werden.