NGOs attackieren Scholz, G7 auf LNG-Kurs gebracht zu haben

Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit US-Präsident Joe Biden beim G7-Treffen im japanischen Hiroshima. Bild: Bundesregierung

Frankreich und Großbritannien sind dagegen, aber Deutschland verlangt grünes Licht für Erdgas-Unterstützung. Die Hiroshima-Erklärung sei ein Todesurteil für das 1,5-Grad-Ziel, sagen Umweltgruppen. Wird Scholz zum Klima-Paria?

Verschiedene Nichtregierungsorganisationen haben die G7-Staatschefs scharf dafür kritisiert, Erdgas als eine Lösung der Energiekrise zu fördern. Der Hinweis auf den russischen Krieg in der Ukraine werde als Entschuldigung missbraucht, weiter auf fossile Brennstoffe zu setzen.

Petter Lydén, Leiter der internationalen Klimapolitik bei Germanwatch, stellt dabei fest:

Bundeskanzler Olaf Scholz war sehr wahrscheinlich die treibende Kraft hinter der schwachen Formulierung bezüglich Gas. Das ist ein schwerer Schlag für die internationale Glaubwürdigkeit Deutschlands in Sachen Klima.

Anders als im Text, auf den sich die Klimaminister:innen im April geeinigt hatten, wird in der Abschlusserklärung auf dem G7-Gipfeltreffen vom Wochenende im japanischen Hiroshima nun sogar explizit klargestellt, dass hier auch öffentliche Investitionen gemeint sind.

„Anstatt sein politisches Kapital für stärkere Energiewende-Ziele einzusetzen, hat der Bundeskanzler für eine Erweiterung der Schlupflöcher für fossiles Gas gekämpft. Das Signal der G7-Staaten für zusätzliche öffentliche Investitionen in Flüssigerdgas ist hochproblematisch“, kritisiert Lutz Weischer. Alexandra Goritz, Referentin für Klimaaußenpolitik bei Germanwatch, ergänzt:

Gerade in Deutschland riskiert die Bundesregierung bereits mit der jetzigen Planung massive Überkapazitäten. Weitere öffentliche Investitionen sind unnötig für die Energiesicherheit und gefährden die Klimaziele.

Unter Berufung auf Quellen, die mit den G7-Verhandlungen vertraut sind, berichtete die New York Times, dass "Großbritannien und Frankreich sich gegen die deutschen Bemühungen stellten", während US-Präsident Joe Biden zwischen der Verteidigung seiner Klima-Agenda und der "Unterstützung anderer Verbündeter der Vereinigten Staaten, die ihren Zugang zu fossilen Brennstoffen verbessern wollen", hin- und hergerissen war.

Ein Sprecher von der Organisation Oil Change International sagte:

Dieser Verrat setzt die beunruhigende Wende von Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz fort, die sich nicht mehr zur Vorreiterrolle beim Klimaschutz bekennen, sondern offen den Ausbau fossiler Brennstoffe fördern. Die Geschichte wird nicht wohlwollend auf Staats- und Regierungschefs blicken, die angesichts der sich verschärfenden Klimakrise das Tempo des Ausbaus fossiler Brennstoffe beschleunigen.

Trotz Protesten rund um den G7-Gipfel – die die Gruppe der sieben führenden westlichen Industrienationen bestehend aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada drängten, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden und einen gerechten Plan für eine friedliche Welt mit erneuerbaren Energien vorzulegen – wird Gas, insbesondere verflüssigtes Erdgas (LNG), als notwendiger Energieträger von den Gipfelteilnehmern unterstützt.

In der Abschlusserklärung heißt es:

In diesem Zusammenhang betonen wir die wichtige Rolle, die verstärkte LNG-Lieferungen spielen können, und erkennen an, dass Investitionen in diesem Sektor als Reaktion auf die derzeitige Krise und zur Behebung möglicher krisenbedingter Engpässe auf dem Gasmarkt angemessen sein können. Angesichts des Ausnahmefalls, dass die Abhängigkeit von russischer Energie schnell beendet werden muss, können öffentlich subventionierte Investitionen im Gassektor als vorübergehende Reaktion auf klar definierte nationale Gegebenheiten notwendig sein. Doch es sollte darauf geachtet werden, dass sie in einer Weise durchgeführt werden, die mit unseren Klimazielen vereinbar ist, ohne Lock-In-Effekte zu erzeugen, indem beispielsweise sichergestellt wird, dass die Projekte in nationale Strategien zur Entwicklung von kohlenstoffarmem und erneuerbarem Wasserstoff integriert werden.

Guterres: Wir brauchen rasante Energiewende und internationale Kooperation

Umweltorganisationen wie Greenpeace werfen den G7 vor, ungeachtet immer lauter werdender wissenschaftlicher Warnungen, den Kurs zu ändern, weiter auf fossile Verbrennung zu setzen. Der reiche Norden leugne den Klimanotstand und die extreme Klimaungerechtigkeit, bei der die Länder des Globalen Südens mit der Klimakrise allein gelassen werden.

Der Direktor vom Philippine Center for Energy, Ecology and Development, Gerry Adams, nannte das Gas-Bekenntnis der G7-Erklärung von Hiroshima ein "Todesurteil" für das 1,5-Grad-Ziel von Paris.

"Solange sie nicht wirklich den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen auf die Agenda setzen, verbreiten Japan und alle G7-Staaten nichts als Lügen, wenn sie behaupten, sie hätten sich auf 1,5 Grad Celsius plus als Obergrenze eingestellt", fuhr Adams fort.

Sie können nicht behaupten, dass sie die Entwicklung fördern, während sie unsere Bevölkerung jahrzehntelang weiterer Umweltverschmutzung und steigenden Energiepreisen aussetzen. Wir lehnen diese Vorstellung einer von fossilen Brennstoffen angetriebenen Entwicklung ab.

Ebenfalls in Hiroshima betonte der UN-Generalsekretär António Guterres die zentrale Bedeutung von internationaler Kooperation. Dabei verwies er neben Gesundheitskrisen, Kriegen und der extremen Ungleichheit zwischen Nord und Süd auch auf die Klimakrise.

Die G7-Länder seien "von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz", sagte Guterres und verwies auf die Notwendigkeit, "schneller aus fossilen Brennstoffen auszusteigen und den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen". Zudem forderte er die Beendigung von Subventionen für schmutzige Energie und die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern, die unverhältnismäßig stark unter der Krise zu leiden haben, die größtenteils vom Globalen Norden verursacht wurde.

Letztes Jahr hatten sich die G7 darauf verständigt, die finanzielle Unterstützung für die fossile Brennstoffindustrie bis Ende 2022 eigentlich zu beenden. Einem Bericht von Oil Change International zufolge finanzierten die G7-Länder zwischen 2020 und 2022 jedoch Projekte für fossile Brennstoffe mit 73 Milliarden Dollar, mehr als doppelt so viel wie sie in diesem Zeitraum für saubere Energie bereitstellten (28,6 Milliarden Dollar).

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