NSU-Ausschuss: Aktenzeichen Polizistenmord Heilbronn ungelöst

Seite 2: "Ermittlungsgruppe Umfeld"

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2012 sorgte der erste NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, in dem unter Vorsitz des Sozialdemokraten Sebastian Edathy unter anderem die heutigen Mitglieder Clemens Binninger (CDU) und Petra Pau (Linke) saßen, dafür, dass die Zweifel an der offiziellen Tat- und Täterversion der Bundesanwaltschaft nie verstummten.

Daraufhin kam es in Baden-Württemberg zu einer der seltsamsten Einrichtungen der behördlichen NSU-Aufarbeitung. Im Januar 2013 setzte Innenminister Gall beim LKA die "Ermittlungsgruppe Umfeld" ein. Schon der Name war eine Täuschung, denn die Beamten konnten lediglich unverbindliche Befragungen von Personen durchführen, nach Polizeirecht, aber keine zwingenden Vernehmungen, wie es nach Strafrecht im Auftrag einer Staatsanwaltschaft möglich ist.

Das Ergebnis war entsprechend: Etliche Personen, Mitglieder des rassistischen Geheimbundes Ku Klux Klan (KKK) wie Neonazi-Aktivisten, reagierten nicht einmal auf die Anfragen der EG Umfeld. Demgemäß oberflächlich und minderqualifiziert fiel ihr Bericht von 2014 aus. Wenn es etwa heißt: "Keine Erkenntnisse zum Polizistenmord" dann ist das angesichts der Ermittlungsmethode schlicht ohne Aussagegehalt, also wertlos.

Die Kriminalbeamtin Heike H., die die EG Umfeld leitete, musste dem U-Ausschuss jetzt an vielen Beispielen bestätigen, wie gefesselt und ungenügend ihre Ermittlungen waren. Zum Beispiel wurden die 14 Phantombilder von Heilbronn nicht mit Personen abgeglichen, 52 an der Zahl, bei denen es einen Bezug zum NSU-Umfeld sowie zu Baden-Württemberg gab. Genauso wenig die Autokennzeichen aus der Ringfahndung nach dem Polizistenmord. Nicht einmal mit den Ermittlungsbehörden in Sachsen oder Thüringen tauschten sich die Baden-Württemberger aus.

Kritik der Abgeordneten war so einhellig wie niederschmetternd

Die Kritik der Abgeordneten war so einhellig wie niederschmetternd. Armin Schuster (CDU): "Das hört sich an, als ob das LKA sich nicht für das interessieren durfte, was es wollte." Binninger, Pau und Irene Mihalic (Grüne): "Die EG Umfeld war ein Papiertiger."

Und als die frühere EG-Leiterin versuchte, sich damit zu rechtfertigen, es sei nun mal nicht ihr Auftrag gewesen, eigene Ermittlungen parallel zum BKA durchzuführen, entgegnete der Ausschussvorsitzende, von Beruf selber Polizeibeamter: "Dann hätten Sie doch sagen müssen: 'Lieber Herr Innenminister, wir haben einen Papiertiger, der nix darf, der nur eingerichtet wurde, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Aber so bringt das nichts.' Hätten Sie das nicht sagen müssen?"

Die Frage, rhetorisch formuliert, berührt einerseits die der Zivilcourage von Beamten, aber vor allem die politische Ebene. Denn die EG Umfeld war auch eingerichtet worden, um einen Untersuchungsausschuss (UA) zu verhindern. Eine Landtagsmehrheit wollte ihn nicht. Bei der Präsentation des EG Umfeld-Berichtes durch Innenminister Gall im Februar 2014 waren sämtliche Fraktionen noch der Meinung: Besser könne es ein UA nicht machen. Es verging ein weiteres verschlepptes Jahr, eher ein solcher dann doch mit der Arbeit begann. Dass der die offizielle Version der Bundesanwaltschaft zum Mord an Michèle Kiesewetter stützt, kann nicht verwundern.

Zurück zum Bundestag: Die Sitzung des NSU-Ausschusses ergab, fast nebenbei, noch einen Hinweis, der, sollte er sich verifizieren, dramatisch wäre.

Die Abgeordneter fragten die ehemalige EG Umfeld-Leiterin nach einer Reihe von Personen aus dem rechtsextremistischen Umfeld des NSU-Trios und Bezügen nach Baden-Württemberg ab. Zum Beispiel Ralf Marschner, zugleich V-Mann "Primus". Antwort Heike H.: "Uns nicht bekannt." Oder Thomas Richter, V-Mann "Corelli" - Antwort: "Wurde vom BKA vernommen, wir konnten ihn nicht befragen." Oder Roland Sokol, V-Mann des LfV Baden-Württemberg - Antwort: "Hat für EG Umfeld keine Rolle gespielt." Oder Jug Puskaric - Antwort: "Kümmerte sich das BKA drum. Wir hatten kein Go."