NSU-Zeugen im Schonwaschgang
- NSU-Zeugen im Schonwaschgang
- Stuttgart bot die Bühne, die München nicht bieten wollte
- Stephan L. und Markus Fr.
- "Damit war die Sache ok"
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Untersuchungsausschuss in Stuttgart befragt Sven Rosemann, Stephan L. und Markus Fr. - Warum soll zweite Waffenlieferkette verschleiert werden?
Gab es im Umfeld des NSU-Trios eine zweite Waffenlieferkette? Diese Frage steht seit Monaten im Raum, zum wiederholten Male auch beim Untersuchungsausschuss von Baden-Württemberg. In der März-Sitzung wurde sie vom Zeugen Jug Puskaric bejaht - jetzt vom Zeugen Sven Rosemann vehement verneint. Dazwischen spielte sie aber auch im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München eine Rolle. Dass sie nicht geklärt ist, belegt ihre Brisanz und zeigt, wie ungeklärt der Mordkomplex auch nach sechs Jahren noch immer ist.
In Stuttgart wurden neben Rosemann unter anderem zwei weitere hochrangige Neonazis befragt: Der langjährige Deutschlandchef des rechtsextremen Netzwerkes Blood and Honour, Stephan L., der vor einem Jahr als langjähriger V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) enttarnt wurde sowie Markus Fr., zentrale Szenefigur in Baden-Württemberg. Mit beiden Zeugen ging der Ausschuss allerdings schonend um. Er will langsam zum Ende kommen und sich schon gar nicht mehr mit Behörden anlegen.
Im März hatte der Zeuge Jug P. eingestanden, Ende der 90er im Auftrag von Rosemann insgesamt drei Schusswaffen besorgt zu haben (vgl. NSU-Ausschuss: Zeuge gesteht Waffenbeschaffung).
Weil er damit nicht nur den angeblichen Besteller, sondern zugleich sich selbst belastete, erscheint die Aussage einigermaßen glaubhaft. Hinzu kommt, dass keine offizielle Stelle, weder die Bundesanwaltschaft, noch die Nachrichtendienste und auch nicht das Gericht in München ein Interesse an dieser Waffen-Version haben. Warum also sollte P. sie erfinden? Auffällig war weiterhin, dass er demonstrativ ausschloss, unter den Pistolen sei eine Ceska gewesen, obwohl er nicht in die Tasche mit den Waffen geschaut haben will. Mit einer Waffe dieser Marke wurden zwischen 2000 und 2006 die neun türkisch- und griechischstämmigen Männer ermordet. Die Beschaffung lastet die Bundesanwaltschaft den in München Angeklagten Ralf Wohlleben und Carsten Schultze an.
Gericht ändert Begründung
Das Gericht folgt dieser Sicht und will die mutmaßlichen Waffenlieferer Puskaric und Rosemann nicht vernehmen. Es hat entsprechende Anträge der Wohlleben-Verteidigung wiederholt abgelehnt. Begründung: Es gebe keine Anhaltspunkte, dass Rosemann die Waffen in der Schweiz bestellt und dass er Umgang mit der Tat-Ceska 83 gehabt habe. Der vorsitzende Richter bescheinigte Rosemann gar, nicht die Unwahrheit gesagt zu haben (vgl. NSU Prozess: Gericht will zweiter Waffenspur nicht nachgehen).
Das war nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses (UA) von Baden-Württemberg im März. Kurioserweise änderte das Gericht im April seine Begründung, warum es Rosemann nicht erneut als Zeugen zur Hauptverhandlung laden wolle. Es gebe keinen Hinweis, so Richter Manfred Götzl nun, dass Rosemann "bekunden" werde, er habe Waffen in der Schweiz gekauft.
Das war vor der folgenden Sitzung des BaWü-Ausschusses. Es schien, als würden sich hier zwei Institutionen die Bälle zuspielen. Die auffällig parallele Behandlung der Causa "Waffenlieferung-Puskaric-Rosemann" tat der UA-Vorsitzende in Stuttgart auf Nachfrage als "Zufall" ab.
Sven Rosemann aus Rudolstadt, der den Thüringer Heimatschutz mit begründet hatte, mit Uwe Böhnhardt zusammen in Haft saß und zum NSU-Umfeld zu zählen ist, war zweimal nicht zur Anhörung vor dem Ausschuss in Stuttgart erschienen. Das erste Mal im Februar, weil er auf seinem Briefkasten eine Patrone gefunden haben will mit dem Datum der UA-Sitzung und er sich daraufhin bedroht fühlte. Das zweite Mal im März meldete er sich krank. Nun aber erschien er, mit Rechtsbeistand, Sonnenbrille und schusssicherer Weste. Und tatsächlich bekundete er genauso, wie es der OLG-Richter vor wenigen Tagen prognostiziert hatte: Er sei nie in Besitz einer Ceska-Pistole gewesen, er habe noch nie etwas in der Schweiz zu tun gehabt, er habe Puskaric kein Geld für einen Waffenkauf gegeben, er habe keine Waffen in einer geschlossenen Tasche entgegengenommen.
Warum Puskaric sowie ein zweiter Zeuge (Michael H.) so etwas behaupten, wisse er nicht, beide würden "spinnen". Vielleicht sei P. ja vom Verfassungsschutz unter Druck gesetzt worden, das zu behaupten. Der Haken: Der Verfassungsschutz vertritt diese Version gar nicht, und die Bundesanwaltschaft bestreitet sie.