Nach Yes-Umfrage: Osborne verspricht Schottland neue Kompetenzen
Der britische Finanzminister will in den nächsten Tagen konkrete Angebote vorlegen, um eine Unabhängigkeit der Region zu verhindern
Am Wochenende veröffentlichte die Sunday Times eine YouGov-Umfrage, in der sich 51 Prozent der Schotten für eine Unabhängigkeit von Großbritannien aussprechen - und nur 49 Prozent dagegen. Andere Umfragen deuten ebenfalls darauf hin, dass sich in den letzten Wochen viele bislang zweifelnde Schotten für ein "Ja" zur Unabhängigkeit entschieden und dass eine relativ knappe Entscheidung" bevorsteht.
Finanzminister George Osborne reagierte darauf mit der Ankündigung, in den nächsten Tagen ein konkretes Angebot für die Zuweisung neuer Kompetenzen an Schottland vorzulegen. Darin soll der Region unter anderem zugesichert werden, dass ihr Parlament mehr mitreden kann, wenn es darum geht, Steuern zu erheben und auszugeben. Dieses Angebot, mit dem die Schotten "das Beste aus beiden Welten" bekämen, werde aktuell mit den Liberaldemokraten und der Labour Party abgesprochen.
Der schottische Regionalregierungschef Alex Salmond, dessen Scottish National Party (SNP) das Unabhängigkeitsreferendum einleitete, reagierte auf die Ankündigung mit der Bemerkung, er könne sich nicht vorstellen, dass jemand so dumm ist, einem Tory-Finanzminister zu glauben. Nachdem es nicht gelungen sei, das schottische Volk mit der Drohung eines Pfundentzugs zu "erschrecken", versuche man nun offenbar, es zu "bestechen", wie dies die kanadische Regierung 1995 mit den Québec-Franzosen machte, als Umfragen zeigten, dass sie für eine Unabhängigkeit stimmen könnten.
Auch Salmonds Stellvertreterin Nicola Sturgeon verlautbarte, sie glaube nicht, dass die Schotten Osmonds Ankündigung für bare Münze nehmen: Wäre es den Tories mit ihrem Vorschlag ernst, Schottland mehr Autonomie zu gewähren, dann hätten sie ihn Sturegeons Ansicht nach schon lange vor der Veröffentlichung der aktuellen Yes-Umfrage gemacht. Dies gelte auch für die Liberaldemokraten und die Labour Party.
Der walisische Regionalregierungschef Carwyn Jones, der der Labour Party angehört, nutzte Osmonds Ankündigung für die Forderung, dass neue Regionalkompetenzen nicht nur Schottland, sondern auch Wales und Nordirland angeboten werden müssten. Die Regionen könnten dann selbst entscheiden, ob sie die angebotenen zusätzlichen Zuständigkeiten annehmen oder ablehnen.
Gordon Brown, der ehemalige Labour-Premierminister, schob währenddessen in einem Gastbeitrag für den Sunday Mirror den nach ihm regierenden Konservativen die Schuld dafür zu, dass sich etwa die Hälfte der Schotten von Großbritannien abspalten will: Privatisierungsängste, Kürzungen beim Wohngeld und Steuervergünstigungen für Reiche machten es dem Nein-Lager schwer, für ein Zusammenbleiben zu werben.
Tatsächlich werben die Befürworter einer Unabhängigkeit unter anderem mit einem Spot, der vor einer Privatisierung des staatlichen Gesundheitssystems NHS warnt. Allerdings begann der Aufstieg der SNP bereits lange vor der Regierungszeit Camerons und setzte sich während Labour-Mehrheiten fort. Auch die Übervorteilung der Schotten bei den Einnahmen aus dem Nordseeöl, die 2005 ans Licht der Öffentlichkeit kam und der Unabhängigkeitsbewegung erstmals zu einer Mehrheit verhalf, war in den 1970er Jahren vor allem von Labour-Politikern eingefädelt worden.
Britische Medien spekulieren nach der Veröffentlichung der Times-Umfrage darüber, was passieren könnte, wenn sich die Schotten am 18. September trotz des Osborne-Angebots für eine Unabhängigkeit entscheiden: Viele Beobachter vermuten, dass die Regierung Cameron dann stürzt und es noch vor Weihnachten zu Neuwahlen kommt. Ein Teil glaubt zudem, dass der eine oder andere Tory eine schottische Unabhängigkeit heimlich begrüßt, weil die Konservativen in einem Westminster-Parlament ohne schottische Abgeordnete deutlich bessere Chancen auf eine Mehrheit hätten.
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