Nato-Russland-Rat: Die EU auf dem Klappstuhl
"Keine Lösung ohne Europa", behauptet von der Leyen - die Europäer und ihre Rolle bei der "Suche nach einem Interessenausgleich"
Es werde keine Lösung ohne Europa geben, brüstete sich EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen im Vorfeld der Verhandlungen Russlands über die Sicherheitsgarantien, die Moskau von den USA und der Nato fordert. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus, als es sich von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Borrell ausmalen, wie kürzlich an dieser Stelle konstatiert wurde:
Die Europäische Union hat ihre Chance auf eine belastbare internationale Rolle verspielt, als sie sich der US-amerikanischen Position anschloss, statt auf eigenen, friedlichen Beziehungen zu Russland zu beharren.
Wladimir Sergijenko
Amerikaner und Russen sprechen wieder miteinander über die Sicherheit Europas. Aber die EU als solche sei nicht anwesend, die agilsten unter den Europäern würden nach einem Klappstuhl suchen, wie es ihn in den Kinos oder in öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, so brachte es der in Frankreich bekannte Journalist Jean-Dominique Merchet, Spezialist für militärische Fragen und innere Sicherheit, auf ein prägnantes Bild.
Nicht einmal einen Katzentisch gab es für die EU bei den Verhandlungen am Montag. Das hätten sie sich selbst zuzuschreiben, da sie im Juni letzten Jahres den Vorschlag von Merkel und Macron zu Verhandlungen mit Putin abblitzen ließen. "Dreißig Jahre nach dem Ende der UdSSR sind die Europäer also weiterhin unfähig, die Verantwortung für die Stabilität ihres eigenen Kontinents zu übernehmen. Sie müssen sich an die USA wenden …"
Vom "strategischen Kompass", den die EU gerade entwickelt, hält Merchet nicht allzu viel. Die EU mag sich vielleicht damit brüsten, dass bald ein Weißbuch mit diesem Kompass erscheint und die französische Parole von der "Souveränität" in ihre Rede-Skripte aufnehmen. "Doch kaum taucht ein Gewitter am Horizont auf, laufen sie los, um unter dem amerikanischen Regenschirm Schutz zu suchen."
Es ist Europa, das die Konsequenzen der Verhandlungen zwischen den USA und Russland am deutlichsten spüren wird.
Vom Stopp der deutsch-russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 bis zum Abklemmen vom belgischen Finanzdienstleister Swift reichen die Optionen, um Moskau für eine mögliche Aggression gegen die Ukraine zu bestrafen. Beides würde die EU und vor allem Deutschland treffen – nicht aber die USA.
Eric Bonse
Heute tagt der Nato-Russland-Rat (NRR). Dort sind die Europäer vertreten. Es soll hauptsächlich um die Ukraine gehen. Zu welchen Kompromissfähigkeiten ist die Nato fähig und welche Rolle können die Europäer geltend machen, ist die Frage. Besondere Aufmerksamkeit liegt auf dem Einfluss Macrons, der mehrmals betont hat, dass er die Nato in einer Sackgasse sieht ("hirntot").
Der französische Präsident hat, worauf er lange warten musste, nach dem Abgang Merkels die Gelegenheit, sich ins Zentrum zu schieben, wenn es um europäische Sicherheitspolitik geht. Allerdings hat er nicht viel Zeit, um seiner Vision einer von den USA unabhängigeren EU-Strategie über Absichtserklärungen hinaus ein relevantes politisches Gewicht zu geben. Seine Wiederwahl als Präsident im April dieses Jahres ist unsicher.
Und wie der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow durchblicken ließ, steht das Zeitfenster für Ergebnisse der Verhandlungen mit den USA und der Nato nicht weit offen. Russlands Führung will nach dem Verhandlungsmarathon in dieser Woche etwas in der Hand haben. Man habe mit den beiden Vertragsentwürfen zu den Sicherheitsgarantien die Karten auf den Tisch gelegt. Jetzt gehe es um die Suche nach einem Interessenausgleich, zitierte ihn die Tass.
Man wirft uns vor, dass dies ein Versuch ist, Druck auszuüben. Das kann man so oder so nennen. Im Großen und Ganzen ist dies der Wunsch, die Karten auf den Tisch zu legen in der direkten Bedeutung dieses Wortes und zu zeigen, was wir sagen und tun, was wir denken. Diplomatie impliziert natürlich einige Kompromisse und einen Interessenausgleich. In diesem Fall ist die Suche nach einem solchen Interessenausgleich ebenfalls möglich.
Sergej Rjabkow (Übersetzung DeepL)
Experten erwarten keine "keine besonderen Ergebnisse".
Nicht zuletzt stehen auch eine Menge Rüstungsgelder auf dem Spiel, eine Entschärfung der Situation ist nicht in jedermanns bzw. jeder Frau aus dem Nato-Umfeld von Interesse.