Nato im Zwiespalt: Wer zieht die roten Linien im Ukraine-Konflikt?

AMX-10 RC gepanzertes Kampffahrzeug in Ketrzyn, Polen

Der AMX-10 RC, ein französisches gepanzertes Kampffahrzeug, bei einer Demonstration in Ketrzyn, Polen, am 23. Juni 2019. Vielleicht auch bald in der Ukraine.

(Bild: Karolis Kavolelis / Shutterstock.com)

Im Ukraine-Konflikt steht die Nato vor einer Zerreißprobe. Uneinigkeit herrscht über den richtigen Kurs. Sollen Nato-Truppen entsandt werden?

Der Krieg in der Ukraine zeigt immer deutlicher: Durch die Nato geht ein Riss. In der Frage, wie der Ukraine künftig geholfen werden soll, ist das Bündnis tief gespalten. Während einige Staaten ihre Truppen gegen Moskau schicken wollen, suchen andere nach alternativen Wegen, der Regierung in Kiew beizustehen.

Frankreichs umstrittener Plan: Truppen für die Ukraine?

Zur ersten Gruppe gehören Frankreich, die baltischen Staaten und zum Teil auch Polen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat kürzlich betont, dass sein Land Truppen in die Ukraine entsenden könnte. Damit stieß er in Teilen der Kriegsallianz auf heftige Kritik.

Doch die Regierung in Paris rückt nicht von ihren Plänen ab – im Gegenteil. Stattdessen bemüht sie sich um eine Koalition der Willigen. Am Freitag reiste der französische Außenminister Stéphane Séjourné nach Litauen, wo er sich mit seinen baltischen und ukrainischen Amtskollegen traf, berichtet Politico.

Minenräumung als Zeichen internationaler Solidarität

Das Treffen sollte die Idee untermauern, dass ausländische Truppen der Ukraine helfen könnten. Die Truppen könnten zum Beispiel bei der Minenräumung eingesetzt werden. Kämpfen hingegen nicht. Wie Kämpfen und Minenräumen in einem Kriegsgebiet getrennt werden könnten, blieb offen.

Um seiner Position Nachdruck zu verleihen, sagte Séjourné: "Es ist nicht Sache Russlands, uns zu sagen, wie wir der Ukraine in den kommenden Monaten oder Jahren helfen sollen". Es sei nicht Sache Russlands, rote Linien zu ziehen und zu bestimmen, wie der Ukraine geholfen werde.

Italiens Skepsis: Warnung vor einseitiger Eskalation

In Italien hingegen distanziert man sich von dieser Position. Verteidigungsminister Guido Crosetto sagte in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung La Stampa: Frankreich und Polen sprechen nur für sich selbst und nicht für die Nato.

Truppen nach Kiew zu schicken, bedeutet, einen Schritt in Richtung einer einseitigen Eskalation zu machen, die den Weg der Diplomatie zunichte machen würde. Es macht keinen Sinn, jetzt, nach zwei Jahren Krieg, solche Überlegungen anzustellen.

Guido Crosetto

Man müsse der Regierung in Kiew jede erdenkliche Hilfe zukommen lassen. Man müsse aber auch "daran denken, ihnen auf andere Weise zu helfen, ihre Freiheit, ihr Territorium und ihre Sicherheit wiederzuerlangen: indem wir die diplomatischen Wege mit mehr Kraft und Durchsetzungsvermögen beschreiten".

Vorteil für Russland durch Kriegswirtschaft

Crosetto wies auch darauf hin, dass Russland auf eine Kriegswirtschaft umgestellt habe. Dadurch sei das Land besser gerüstet und in der militärischen Produktion flexibler als die Nato.

Der Westen habe dagegen feststellen müssen, dass er nicht nur viel weniger Produktionskapazitäten als Russland habe, sondern auch mehr Zeit für die Umstellung benötige. Erst nach einem Jahr habe man das Niveau erreicht, um der Ukraine helfen zu können, liege aber immer noch unter dem Russlands.

Baltische Staaten und Polen: Bereitschaft zur Eskalation?

Im östlichen Teil der Nato, in den baltischen Staaten und Polen, ist man dagegen eher bereit, den Krieg zu eskalieren. Die baltischen Außenminister lobten Frankreich am Freitag für sein "unkonventionelles Denken". Zuvor hatten sie sich noch deutlich offener gegenüber der Idee gezeigt, Nato-Truppen in die Ukraine zu entsenden.

Die Regierung in Warschau hatte zuvor erklärt, sie habe keine Pläne für eine Truppenentsendung. Inzwischen zeichnet sich ein Umdenken ab. Außenminister Radosław Sikorski sagte am Freitag: "Die Präsenz von Nato-Truppen in der Ukraine ist nicht undenkbar". Laut Politico begrüßte er Macrons Initiative, "weil es darum geht, dass Putin Angst hat und nicht, dass wir Angst vor Putin haben".

Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba würde es begrüßen, wenn sich russische und Nato-Soldaten Auge in Auge gegenüberstehen würden. "Ich persönlich habe die Nase voll von der … Angst vor einer Eskalation", sagte er laut Politico. Mit vorwurfsvollem Blick in Richtung Berlin sagte er: "Unser Problem ist, dass es immer noch Leute gibt, die diesen Krieg unter dem Gesichtspunkt der Angst vor einer Eskalation sehen".

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