Nazi-Geschichte wird zum Imageproblem der Schwedendemokraten
Waren Schweden in der Waffen-SS an der Judenvernichtung in der Sowjetunion beteiligt? Nach Ansicht dreier Historiker gebe es viele Hinweise, die dies belegen
Schweden solle den Weg Finnlands gehen, postulierten Matti Palm, Johan Ulvenlöv und Anders Larsson vof einigen Tagen in der liberalkonservativen Zeitung "Svenska Dagbladet". Die Forderung ist brisant - denn an der Gründung der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die drittstärkste Partei im Parlament, war ein Veteran der Waffen-SS beteiligt, dem die Forscher auf der Spur sind.
In Finnland hat im vergangen Herbst der Historiker André Swanström anhand von Briefen nachgewiesen, dass einige der 1400 Freiwilligen in der SS-Division "Wiking" an Judenerschießungen bei der deutschen Offensive in der Sowjetunion beteiligt waren. Bis dahin hatten Finnen in der Waffen-SS vor allem den Nimbus als Heimatverteidiger. Noch in den 1980er Jahren wurde ihnen ein Denkmal mit Lutherkreuz in Helsinki gestiftet. Finnland wurde 1939 von der Sowjetunion angegriffen und eroberte 1941 seine "Ostgebiete" als Verbündeter Deutschlands wieder zurück (Finnen in der Waffen-SS).
Aus Schweden sollen sich 400 bis 500 Freiwillige bei der Waffen-SS verpflichtet haben, die meisten gingen über die grüne Grenze nach Norwegen, da der schwedische Staat Anwerbungen verboten hatte. Aufgrund der NS-Rassenideologie waren es im Dritten Reich gern gesehene Soldaten, die in den Divisionen "Viking", "Nordland" und "Leibstandarte Adolf Hitler" kämpften, letztere war noch an der Schlacht um Berlin beteiligt.
Die Überlebenden wurden von der nach Vorbild der Gestapo gebildeten "Säkerhetspoliset", dem schwedischen Verfassungsschutz verhört, einige wegen Spionage verurteilt. Das Thema galt lange als Tabu, erst in den 1990er Jahren wurde intensiver geforscht und befragte man die Veteranen. Darunter war auch Gustaf Ekström, der 1988 als einer der Hauptpersonen die Partei "Schwedendemokraten" gründete, die bereits seit Ende der 1970er Jahre als ausländerfeindliche Organisation "Schweden soll schwedisch bleiben" wirkte.
Die besagten drei Historiker sorgten dann 2017 mit dem Buch "Ohne Reue" für einen politischen Skandal, in dem sie Ekströms Leben nachzeichneten. Der 1907 geborene Schwede diente von 1941 bis 1945 als Freiwilliger in der Waffen-SS in allen drei Divisionen. Dies war bekannt. Doch Ekström diente auch ideologisch, nicht allein mit der Waffe.
Als wichtiges Forschungsobjekt gilt seine Tätigkeit von 1943 bis 1945 in einer Propaganda-Abteilung der SS in Berlin. Dort soll er in einem Gebäude eines ehemaligen jüdischen Altersheims gearbeitet haben. Von den 256 Bewohnern wurden nachweislich 167 ermordet, sieben überlebten den Krieg, so die Nachforschungen der drei Historiker. Dass Ekström von den Mechanismen des Holocausts nichts mitbekommen haben konnte, halten sie für unmöglich.
Nach dem Krieg pflegte Ekström aus Schweden Kontakte zu sogenannten Kameradschaften in Deutschland und vermutlich auch in Südamerika, wohin er zweimal reiste. Im Jahre 1996 verstarb er, zuvor hatte er den Holocaust in einem Fernsehinterview als Horrormärchen abgetan.
Die Forscher betrieben und betreiben einen großen Aufwand, um mehr über Ekström zu erfahren und waren schon in Archiven in Finnland und Israel. Sollte herauskommen, dass Ekström auch in irgendeiner Weise als Schreibtischtäter am Holocaust beteiligt war, so hätten die Schwedendemokraten ein massives Imageproblem. Die Aufforderung an den Staat, die Geschichte der schwedischen Freiwilligen der Waffen-SS zu untersuchen, hat somit eine aktuell politische Note. Das Werk "Ohne Reue" soll demnächst in englischer Sprache erscheinen, was den Druck erhöhen wird.
Parteichef Jimmie Akesson hat seit der Amtsübernahme 2006 versucht, den Schwedendemokraten ein bürgerlicheres Image zu geben und löste sich offiziell von den nationalistischen Wurzeln. Die Schwedendemokraten distanzierten sich 2017 von Ekström, widersprachen jedoch auch, dass er Parteigründer gewesen sein sollte.
Bislang wollte keine andere Partei ein offizielles Bündnis mit ihnen eingehen, die konservativen "Moderaten" und die "Christdemokraten" sind jedoch mittlerweile bereit, sich von den Rechtspopulisten tolerieren zu lassen. Derzeit regiert erneut eine rot-grüne Minderheitsregierung, die sich von zwei liberalen Parteien tolerieren lässt. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass diese fragile Konstellation bis 2020 anhalten wird. Dann wird sich in der schwedischen Gesellschaft die Frage, inwieweit die Schwedendemokraten koalitionsfähig sind oder nicht, erneut stellen.