Neandertaler: Fand der erste Weltkrieg vor 40.000 Jahren statt?
Zeitmaschine III
Kriege sind die Wendepunkte der Menschheitsgeschichte seit ihren frühesten Anfängen. Zuerst kämpften die Menschen mit den Raubtieren, dann wendeten sie sich ihresgleichen zu. Vor 30.000 bis 40.000 Jahren könnte es in Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien sogar zu einem regelrechten Weltkrieg, vielleicht dem ersten überhaupt, gekommen sein: Die modernen Menschen wanderten aus anderen Regionen zu und machten den dort seit etwa 160.000 Jahren ansässigen Neandertalern den Lebensraum streitig. Letztere unterlagen auf ganzer Linie: Sie starben aus.
Dieses Bild eines Krieges zwischen Homo sapiens sapiens und Homo sapiens neanderthalensis ist vor allem von Science-Fiction-Autoren begeistert aufgegriffen worden. In John Darntons Roman "Neandertal" etwa dreht sich alles um eine große Entscheidungsschlacht, die die modernen Menschen durch ihre Fähigkeit zur Heimtücke gewannen. Nur wenige Neandertaler überlebten und fassten die Lehren aus der vernichtenden Niederlage in einem großen Felsbild zusammen, das Zigtausende Jahre später die Wissenschaftler beschäftigen wird.
Archäologen stehen solchen Szenarien naturgemäß skeptisch gegenüber. So gibt Gerd Weniger vom Neanderthal Museum in Mettmann zu bedenken, dass eine aggressive Auseinandersetzung angesichts der damaligen dünnen Besiedelungsdichte ganz sinnlos und daher unwahrscheinlich gewesen wäre. Er hält ein stilles Verschwinden, hervorgerufen durch geringfügige Unterschiede in den Geburten- und Sterberaten der beiden Menschenformen, für wahrscheinlicher.
Dass es sich bei den Neandertalern um Menschen handelte, ist dagegen mittlerweile unstrittig. Nach den ersten Knochenfunden im Neanderthal bei Düsseldorf im Jahr 1856 beherrschte lange Zeit das Bild eines dumpf blickenden, grobschlächtigen Affenmenschen, der allenfalls zu Grunzlauten fähig war, die Vorstellungen von diesen Urzeitwesen. Doch weitere Ausgrabungen zwangen dazu, dieses Bild nach und nach zu korrigieren. Heute wird der Neandertaler von der Mehrheit der Forscher als dem modernen Menschen kulturell völlig gleichwertig angesehen (Neandertals: A Cyber Perspective).
Die Neandertaler kümmerten sich um die kranken und schwachen Mitglieder ihrer Familien, bestatteten ihre Toten und verfügten wahrscheinlich über eine entwickelte Sprache. Selbst die Idee einer Neandertaler-Kunst ist längst keine Science-Fiction mehr. Im Jahr 1996 wurde in Slowenien sogar ein Stück vom Oberschenkelknochen eines jungen Bären gefunden wurde, das einige Löcher in gerader Linie aufwies - offenbar diente der Knochen als Flöte. Wie mag die Musik der Neandertaler geklungen haben?
Selbst die These, dass die Neandertaler - warum auch immer - ausgestorben sind, ist nicht mehr unumstritten. Eine Minderheit von Wissenschaftlern vertritt die Auffassung, dass die modernen Menschen ihre nahen Verwandten nicht verdrängten - sondern gemeinsam mit ihnen Nachkommen zeugten (Rothaarig durch Neandertaler-Gen?). Rote Haare und eine robuste Physis könnten demnach ein genetisches Erbe der Neandertaler sein.