Nebensachen aus Athen
Andere Länder andere Sitten. Griechischer Umgang mit der Straßenverkehrsordnung
Griechenland kennt mehr gesetzliche Regelungen als die meisten anderen EU Länder. Wussten Sie beispielweise, dass das Telefonieren während des Fahrens schon mit dem Aufkommen der Mobiltelefone in Griechenland verboten wurde?
Selbstverständlich gilt auch die Gurtpflicht für Fahrer und Beifahrer sowie die Helmpflicht für Motorradfahrer. Zuwiderhandlungen gegen die Straßenverkehrsordnung (Unfälle in aller Ruhe betrachten), wie das beliebte aus dem Fenster schnippen des Zigarettenstummels während der Fahrt, können mit drastischen Geldstrafen belegt werden. So werden etwa beim Missachten eines Stoppzeichens oder einer roten Ampel – beides „normale“ Verhaltensweisen griechischer Führerscheininhaber, selbst bei Fahrzeugführern der öffentlichen Verkehrsmittel – stolze 700 Euro Bußgeld fällig. Abbiegen ohne Blinken – ein derart selbstverständlicher Vorgang, dass man meinen könnte, Blinker gehörten bei Autos in Griechenland zur Sonderausstattung – kostet 80 Euro, ebensoviel das allseits verbreitete Parken auf Bürgersteigen oder an Bushaltestellen. Wer in den ersten 10 Tagen nach Erhalt des „Knöllchens“ zahlt, genießt allerdings seit Juni 2007 einen Rabatt von satten 50 Prozent, was die Zahlungsmoral von Verkehrssündern drastisch verbessert hat.
All diese an sich sehr nützlichen Regelungen haben nur ein Problem: Ihre Einhaltung wird höchst sporadisch kontrolliert. So kann man die meiste Zeit des Jahres unbesorgt und unbehelmt mit fliegenden Haaren an einer Polizeistreife vorbeibrausen. Nur wenn in Athen eine in den Medien angekündigte und vom Fernsehen begleitete Kampagne für die Einhaltung beispielsweise der Helmpflicht läuft, ist Vorsicht geboten. Dann stehen an allen Straßen Streifen, die Motorradfahrer, die ihren Helm wie landesüblich am Ellenbogen tragen, unter Verteilung von Strafzetteln zum Aufsetzen desselben nötigen. Und wehe dem Unglücklichen, der gar keinen Helm dabeihat. Sein Zweirad wird eingezogen und kurzerhand auf einen bereitstehenden Laster verladen. Der Besitzer kann es, gegen Vorlage der Quittung über die Bezahlung der Strafe und natürlich nur mit Helm, auf der Wache wieder abholen. Nach wenigen Tagen ist allerdings alles vorbei und der Helm kann wieder abgenommen werden.
Überdies wird immer nur die Einhaltung einer Vorschrift kontrolliert. Sollten Sie also während einer Kampagne zur Einhaltung der Gurtpflicht ohne Warndreieck und Erste Hilfe Kasten in einem Wagen mit abgelaufenem TÜF – ja, den gibt es in Griechenland, ganz nach deutschem Vorbild – unterwegs sein, machen Sie sich keine Sorgen. Niemand wird Sie behelligen, vorausgesetzt, Sie sind angeschnallt.
Um die ausschließlich den Bussen des öffentlichen Nahverkehrs Fahrspuren zugeteilten Fahrspuren auch wirklich für diese zu reservieren, haben sich die Behörden etwas einfallen lassen, was eine Kontrolle der Fahrspuren weitgehend überflüssig macht. Auf Straßen der Hauptstadt mit besonders hohem Verkehrsaufkommen laufen diese Fahrspuren entgegengesetzt zur normalen Fahrtrichtung. Will man als Fußgänger eine dieser Straßen überqueren, muss man zusätzlich auf den Linksverkehr der Busse achten. Das ist vielleicht gefährlich, aber Fußgänger haben ohnehin schlechte Karten in Athen. Hier gilt das Recht des Stärkeren. Wundern Sie sich deshalb beispielsweise nicht über wildes Hupen, wenn Sie bei grüner Fußgängerampel eine Straße überqueren und dabei einem in diese Straße einbiegenden Wagen die „Vorfahrt“ nehmen. Zebrastreifen ohne dazugehörige Ampel dagegen sind reine Straßenverzierungen. Ein Versuch, die heranrauschenden Autos durch das Benutzen desselben zum Halten zu bewegen, ist glatter Selbstmord. Aber auch wenn Sie auf dem Bürgersteig laufen, ist Vorsicht geboten (Das Auge des Riesen). Sonst kann es durchaus passieren, dass Sie von einem Moped angefahren werden, das den Gehsteig wegen des Staus auf der Straße als Ersatzfahrbahn benutzt.
Eine intelligente Lösung hat das Land gegen einige wirklich gefährliche Verkehrssünder gefunden. Da auf die Haltung eines Luxuswagen eine hohe Steuer erhoben wird, fahren nicht wenige Halter solcher Fahrzeuge ihr Auto unangemeldet und unversichert. Gewöhnliche Streifenwagen sind bei der Verfolgung der meist leistungsstarken Wagen hoffnungslos im Nachteil. Wird der Halter eines solchen Wagens trotzdem erwischt, ist er seinen Schlitten los. Das Strafgeld um den Wagen wieder auszulösen, übertrifft bei weitem den Wert desselben. Verzichtet der Eigner, geht der Wagen in den Besitz der Polizei über und wird als Zivilfahrzeug eingesetzt. Mit der PS-starken Neuerwerbung läst sich dann vielleicht der nächste unversicherte Wagen stellen.