"Negatives Bild von Leitmedien ist doch nicht unsere Schuld"
Seite 3: "Teil und Basis einer Kampagne gegen kritische Medien"
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Kommen wir zu der Arbeit von Markus Linden selber, zur Methodik. Hat Herr Linden eigentlich mal bei Ihnen angefragt, hat es Kontakt im Vorfeld?
Albrecht Müller: Nein, gar nicht.
Der Autor erwartet von Ihnen eine Distanzierung von Autoren wie Daniele Ganser oder Ken Jebsen.
Albrecht Müller: Also erstens tritt Ken Jebsen als Autor gar nicht mehr in Erscheinung, da gibt es überhaupt nichts mehr zu distanzieren. Jebsen hat übrigens viel Vernünftiges geleistet. Und von Daniele Ganser distanziere ich mich auch nicht. Daniele Ganser ist derjenige, der die Kriege der USA endlich ins Licht gebracht hat. Das sollte man honorieren, statt zu kritisieren.
Nehmen Sie die Arbeit von Markus Linden von der Universität Trier als medienwissenschaftliche Arbeit oder als Teil einer politischen Auseinandersetzung wahr?
Albrecht Müller: Sie ist Teil und Basis einer Kampagne gegen kritische Medien. Mehr nicht. Wenn ich Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz wäre, würde ich mir Sorgen um die Qualität unserer Universitäten machen.
Die Betreiber der Seite "Gegneranalyse" schreiben, der Terminus stammt aus dem Sport. Hier geht es ja aber um Pressefreiheit, also um Politik. Wie nah ist das Ansinnen an der im Nachrichtendienstlichen und Militärischen gebräuchlichen "Feindbeobachtung"?
Albrecht Müller: Es ist Feindbeobachtung, die die Basis einer gezielten Kampagne gegen unliebsame Kritiker werden soll. Der Begriff Gegneranalyse widerspricht jedem guten Verständnis von der Vielfalt und Pluralität der Medien.
Der deutsche Inlandsgeheimdienst hat im vergangenen Jahr einen "Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" definiert und in sein Aufgabenfeld integriert. Im Grunde entspricht das doch dem Ansinnen von Markus Linden von der Universität Trier, wenn er Sie in eine "mediale Anti-System-Koalition" einordnet.
Albrecht Müller: Was ist denn aus der Sicht des Trierer Professors das "System"? Zuvor hatte ich schon erläutert, dass die Nachdenkseiten in Bezug auf Markt und Wettbewerb als Kennzeichen unsere Wirtschaftsordnung als vermeintlich systemfreundlich gelten müssten. Aber ich halte von diesem Begriff eigentlich nichts. Ansonsten kann ich nur feststellen: die Vorstellungen des Professors aus Trier sind genauso schräg wie das Denken des Verfassungsschutzes und seine Begriffsbildung. "Delegitimierung des Staates" klingt wie der Jargon der Nazis. So weit sind wir schon wieder.
Die Arbeit von Markus Linden ist im Zuge eines Projektes entstanden, das von einem Ministerium, einer Bundesanstalt und einem Bundesprogramm finanziert wird. Wie ist das einzuordnen?
Albrecht Müller: Der gesamte Vorgang stinkt gen Himmel. Da gründen zwei ehemalige Grünen-Politiker, Ralf Fücks und Marieluise Beck, eine private Einrichtung, das Zentrum Liberale Moderne, und lassen sich dann von einem Ministerium, das von einer Parteifreundin geführt wird, Steuergeld zustecken, um Kritiker ihrer Politik und der ihrer Auftraggeber zu verfolgen.
Um welche Auftraggeber es sich dabei handelt, wird in der sogenannten Schlussfolgerung des Textes von Herrn Linden sichtbar. Da ist von "vermeintlich" US- und Nato-gesteuerten Mainstream-Medien die Rede, gegen die sich die Nachdenkseiten stellen würden. Spätestens seit der ZDF-Anstalt vom 29.4.2014 wissen wir, dass das Attribut "vermeintlich" nicht gerechtfertigt ist. Damals haben von Wagner und Uthoff in einer Tafelnummer beschrieben und belegt, welche deutschen Mainstream-Journalisten auf dem Ticket atlantischer Organisationen stehen.
Es gibt ja einige Einordnungen von Ihnen und Ihrer Redaktion in dieser Studie: linksradikal, linksradikal, rechtsradikal, verschwörungstheoretisch. Wie sehen Sie sich und Ihre Arbeit?
Albrecht Müller: Zeigen Sie mir ein Beispiel dafür, dass ich rechtsradikale Positionen vertrete. Grotesk. Dann: Habe ich irgendwann eine Verschwörungstheorie aufgestellt oder eine nachgebetet? Nie. Es sind erfundene Etiketten. Richtig ist, dass ich immer gesellschaftspolitisch kritisch war und ich mich für Frieden und Verständigung eingesetzt habe. Deshalb kann man mich mit Recht als links bezeichnen.
Es ist nun 50 Jahre her, dass ich Redenschreiber des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller war und Wahlkampf der SPD gemacht habe. Meine inhaltliche Position hat sich seither nicht verändert. Ich war damals schon verhältnismäßig kritisch gegenüber vielen Medien, aber überhaupt nicht fundamental kritisch und abweisend.
Das waren ja auch noch andere Zeiten. Damals gab es Günter Gaus. Nehmen Sie nur mal dieses Beispiel. Wo haben Sie heute in Leitmedien auch nur annähernd eine Person, die der Qualität dieses Mannes nahekommt? Mit Günter Gaus habe ich als Wahlkämpfer zusammengearbeitet. Der hatte Sympathien für die SPD, war aber zugleich kritisch, auch als Chefredakteur des Spiegel. Das musste man aushalten und das war dann ein durchaus produktives Verhältnis.
An mindestens drei Händen könnte ich aufzählen, welche großartigen Journalistinnen und Journalisten es damals gab: Friedrich Nowottny, Ernst Dieter Lueg, Fritz Pleitgen – alle bei der ARD. Helmut Lölhöffel bei der Frankfurter Rundschau, Klaus Hofmann bei der Rheinpfalz, die Bonner Redaktion des Spiegel war voll von kritischen Köpfen. Warum ist da nichts nachgewachsen? Das ist eine spannende Frage. Diese Fragen müssten die Leitmedien stellen, nicht nur wir von den Nachdenkseiten.