Neoliberale missbrauchen die gegenwärtige Zuwanderung"
Seite 2: "Die Abstiegsangst ist in die Mittelschicht vorgedrungen"
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Könnten Pegida und die Mahnwachen-Bewegung nicht Folgen der Agenda 2010 sein, einer sichtbaren gesellschaftlichen Spaltung, die öffentlich nicht wahrgenommen wird und von der nicht mehr die Linke profitiert?
Christoph Butterwegge: Vermutlich hat beides miteinander zu tun. Mit den "Agenda"-Reformen und den Hartz-Gesetzen wurde ja nicht bloß die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft, sondern auch ein raueres gesellschaftliches Klima geschaffen, das rechtsextremen und rechtspopulistischen Bestrebungen einen günstigeren Nährboden bietet. Da die SPD und Bündnis 90/Die Grünen regierten, konnte man die Prekarisierung und die soziale Polarisierung den "Linken" in die Schuhe schieben. Schließlich hatte sich der Sozialismus durch den Zusammenbruch der DDR schon vorher diskreditiert. Unter dem Damoklesschwert von Hartz IV haben Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschaften schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne akzeptiert. Gleichzeitig ist die Abstiegsangst in die Mittelschicht vorgedrungen.
In einer Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise, deren strukturelle Ursachen schwer durchschaubar sind, die einem Großteil der Bevölkerung materielle Opfer abverlangt und die im Kleinbürgertum vielen Angst vor Armut und einem Statusverlust macht, wächst das Verlangen nach simplen Erklärungen, weshalb Verschwörungstheorien, Wahnvorstellungen und Verfolgungswahn, die Sekten (besonders gern im Netz) verbreiten, seither Hochkonjunktur haben. Rechte Demagogen haben Zulauf, wenn die Regierungspolitik den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet und sie mit den Zuwanderern einen Sündenbock präsentieren können.
"CDU, CSU und SPD betreiben gezielt Reichtumsförderung"
Sie werfen CDU, CSU und SPD in einer Halbzeitbilanz nach zwei Jahren gemeinsamer Regierungstätigkeit vor, den Reichtum durch ihre Steuerpolitik gefördert statt die Armut durch eine konsequente Sozialpolitik bekämpft zu haben. Hofft die Große Koalition auf einen Trickle-down-Effekt, durch den der Wohlstand dann auch bei den Finanzschwachen ankommt?
Christoph Butterwegge: Weder der großkoalitionäre Mindestlohn noch das Rentenpaket des Kabinetts Merkel/Gabriel sind geeignet, die heutige Erwerbsarmut von Millionen Menschen beziehungsweise deren spätere Altersarmut nennenswert zu verringern. Vielmehr deutet die jüngste Erbschaftsteuerreform für Firmenerben darauf hin, dass CDU, CSU und SPD gezielt Reichtumsförderung betreiben - möglicherweise in dem Irrglauben, dass Brosamen von den Tischen der Reichen, die aufgrund ihrer Regierungspraxis noch reicher werden, auf die Erde fallen und den Armen erlauben, auch irgendwie über die Runden zu kommen. Nach der "Trickle-down" bzw. der "Pferdeäpfel-Theorie" muss man, um den Spatzen etwas Gutes zu tun, zwar die Vierbeiner mit dem besten Hafer füttern, damit die Spatzen dessen Körner aus ihrem Kot herauspicken können.
Dass sich der Armut am effektivsten vorbeugen lässt, indem man den Reichtum vergrößert, ist allerdings eine neoliberale Lüge. Wer die Armut bekämpfen will, muss den Reichtum antasten. Folglich sollten Kapital- und Gewinnsteuern kräftig erhöht werden. Wenn die Kinder von Großunternehmern, die man in Russland, der Ukraine oder Griechenland als Oligarchen bezeichnen würde, nach der künftigen Gesetzeslage immer noch ganze Firmenimperien erben können, ohne auch nur einen Cent betriebliche Erbschaftsteuer zahlen zu müssen, machen CDU, CSU und SPD jedoch eine Steuerpolitik nach dem Matthäus-Prinzip: "Wer hat, dem wird gegeben, und wer kaum etwas hat, dem wird das Wenige auch noch genommen", heißt es sinngemäß im Evangelium.
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