Nepal: Wahlen, die niemand will und niemand braucht

Seite 2: Die nahe Zukunft

Die Analytiker versuchen seitdem zu verstehen, was sich Oli von seinen Aktionen verspricht, wenn er glaubt, bei den angekündigten Wahlen Ende April und Anfang Mai, wie er sagt "vom Volk ein neues Mandat" zu erhalten.

Ansonsten beschäftigten sich das Oberste Gericht und Juristen mit den Fragen, ob Herr Oli und Frau Bhandari die Verfassung gebrochen haben; was mit den Neuwahlen werden soll, wenn sich die Auflösung als unrechtmäßig erweist; ob nun die Oli- oder die Madhav Nepal-Fraktion das Wahlsymbol der UML bekommt usw..

Ob Herr Oli nach den Wahlen (wenn sie stattfinden) Premier bleiben wird, ist zu mehr als 50% unwahrscheinlich. Ein Konsens herrscht in diesen Tagen jedoch übergreifend: Diese neue Krise ist überflüssig wie ein Kropf. Und anstatt sich mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen, wie zum Beispiel der Bekämpfung von Corona oder dem Neustart der Wirtschaft, ist die ganze Staatsmaschinerie wieder mit den Fragen beschäftigt, die nun seit über 70 Jahren gewälzt werden.

Dabei ist abgesehen von ein paar Parteibossen rundherum allen klar, dass die Frage nicht die ist, wie eine Verfassung zu gestalten ist? Missbraucht werden kann jede, wenn man es nur darauf anlegt. Es geht ausschließlich darum, sich endlich an die Gesetze jener Verfassung zu halten, die in Kraft ist.

Zusatzartikel oder gar noch eine neue Verfassung werden kein einziges der Probleme lösen, die die Politik plagen. Nicht zu vergessen: Die aktuelle, siebte Verfassung "verbrauchte" zwei(!) Verfassungskonvente, die zusammen sieben(!) Jahre tagten, bis das neueste Gesetzeswerk in Kraft trat.

Wahlen?

Niemand in Nepal, auch nicht die äußeren Beobachter, verwundert die verfahrene Situation mehr als üblich. Man hat alles schon oft, viel zu oft, miterlebt. Es ist aber nicht alles allein die Schuld der Herren Oli, Nepal und Dahal und ihren Parteien; sämtliche Netas und ihre Gruppierungen waren und sind zu solchen Akten fähig. Man kann auch die Menschen nicht ganz aus der Verantwortung entlassen, schließlich fallen ihre Politiker nicht vom Himmel. Und es sind auch keine Despoten (mehr).

Die Grundübel der Politik haben zumindest zum Teil ihre Wurzeln in der Kultur des Landes. Wer wundert sich angesichts solcher Aussichtslosigkeit darüber, wenn viele Wähler offen sagen, den einzigen Vorteil, den sie von der Demokratie haben, sehen sie darin, am Wahltag ihre Stimme zu verkaufen. Zynische Wähler und skrupellose Politiker verdammen jedes Wahlsystem zum Scheitern.

Dann ist die Frage, wie die Wahlen ablaufen sollen, vorausgesetzt es gibt sie. Schwer vorstellbar, wie die beiden UML-Fraktionen und die Maobaadi Wahlkampf machen sollen, sie unterscheiden sich durch nichts (auch was sich sonst zur Wahl stellt, fällt in die gleiche Kategorie). Oft werden wohl Kandidaten gegeneinander antreten, die bis zum 20. Dezember beste Freunde und Parteikollegen waren. Viele Nepali werden sich nicht mehr vorstellen können, wen sie wählen können.

Sie leben in einer Demokratie unter einer modernen Verfassung und haben in Wahrheit keine Wahl. Stattdessen hätten sie lieber das aufgelöste Parlament zurück. Wenn es sein müsste, sogar unter K. P. Oli und seiner Regierung. Eine fähige, zielstrebig Führung wäre ein Vorteil in so ungewissen Zeiten wie jetzt.

Um die Wahlen nicht zum völlig sinnentleerten Ritual verkommen zu lassen, sollte der alten Garde in ihren Wahlkreisen eine deutliche Botschaft übermittelt werden. Sämtliche landesweiten Parteien leiden an der selben Malaise, egal ob die Herren Oli (68, 2x Premier), Nepal (67, 1x Premier) und Khanal (70, 1x Premier) von der UML, die Herren Deuba (74, 4x Premier), Poudel (76) und Nidhi (64) vom Nepali Congress oder die Herren Dahal (66, 1x Premier) und Bhattarai (66, 1x Premier, führt nun seine eigene Minipartei) von den Maoisten.

Alle sind sie 30 Jahre und länger politisch aktiv, deutlich älter als 60 (was in Nepal betagt ist), Männer und mit der Ausnahme von Nidhi Angehörige der dominanten sozio-ethnischen Gruppe (den Bahun oder Brahmanen, der Priesterkaste der Hindu) - wobei es mehr als genug fortschrittliche junge Bahun gibt.

Diese Gruppe ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit und sollte bei der nächsten Gelegenheit aufs Altenteil verfrachtet werden. Sonst gibt es nur wieder Wahlen, die niemand will und niemand braucht.