Netzfragen zur Bundestagswahl: Deutsches Internet ist "völlig inakzeptabel"

Seite 2: Fake News in Social Media

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Fake News sind wahrscheinlich zum Thema des Jahres geworden. Immerhin haben die Falschmeldungen womöglich sogar eine Präsidentschaftswahl beeinflusst. Steht auch die Bundestagswahl im September vor dieser Gefahr?

Konstantin von Notz: Das ist ein großes Thema. Der Bundestag ist erfolgreich angegriffen worden, also erfolgreich im schlechten Sinne. Hier sind Daten abgeflossen, wohl auch relevante Daten. Viele Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass uns das in den nächsten Wochen beschäftigen wird. Ich würde da erstmal sagen, warten wir es gelassen, aber gut gewappnet ab, aber die Gefahr ist da ganz klar gegeben und die Möglichkeiten von Propaganda und Einflussnahme sind eben in der digitalen Welt nicht geringer, sondern eher vielfältiger geworden.

Soziale Netzwerke sollen neuesten Entwürfen zufolge für Fake News und Hate Speech mit Strafgeldern in die Mangel genommen werden, wenn diese entsprechenden Posts nicht binnen vorgegebener Zeiträume entfernen. Ist das der richtige Weg?

Konstantin von Notz: Also wir glauben, dass bei diesem Notice-and-Take-Down-Ansatz - den wir im Prinzip für richtig halten - in den letzten Jahren schwierigste Umsetzungsprobleme festzustellen waren und dass man da dringend etwas verbessern musste. Deshalb haben wir die Debatte auch vor zweieinhalb Jahren angestoßen.

So wie es der Justizminister gemacht hat, vier Sitzungswochen vor dem Ende der Legislatur ein derart diffiziles Gesetz in so einem sensiblen Bereich wie der Meinungsfreiheit einfach mal aus der Hüfte zu schießen, ist sehr unseriös. Da hat er sich ohne jede Not wirklich in die Bredouille gebracht. Mit den Stimmen der GroKO. Wir sehen das aber kritisch. Klar, es gibt Handlungsbedarf, aber so wie Maas und die Große Koalition das gemacht haben, fehlt es schlichtweg an der nötigen Rechtssicherheit, Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit Es ist noch völlig unklar, was das genau in der Praxis bedeutet.

Facebook hat im April mit Tipps geworben, wie Fake News leichter erkannt werden sollen. Außerdem will das soziale Netzwerk gegen Falschmeldungen vorgehen. Auch Google startete in Deutschland mit seinem eigenen Faktencheck. Sind diese Maßnahmen geeignet zur Entlarvung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema?

Konstantin von Notz: Das Hauptproblem ist meiner Ansicht nach, dass keine Transparenz darüber besteht, wer überhaupt was bei Google geteilt hat und was nicht. Da kann man zwar sagen, das geht keinen was an, wer was teilt. Aber wir kennen ja aus der analogen Welt die Einschaltquoten im Fernsehen oder die Auflagenzahlen von Zeitschriften, welcher Artikel aber der meist geteilte Artikel bei Facebook ist - niemand weiß das. Also Facebook weiß das natürlich, aber die sagen das nicht.

Ich glaube, dass Transparenz bei individuellem Datenschutz wichtig ist, aber ebenso wäre eine Art Auflage oder Einschaltquoten-Logik solcher Plattformen sehr interessant. Wenn man das sehen könnte, dann würde man nämlich auch wissen, ob Breitbart den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf entscheidend beeinflusst hat. Auch die Konzerne sind mit in der Verantwortung dafür, was auf ihren Plattformen passiert, dürfen aber eben auch nicht zu privaten Zensurkonzernen werden, die alles, was kritisch oder nicht ganz so geschmeidig sein könnte, einfach weglöschen. Es gibt da eine gewisse Verantwortlichkeit für funktionierende Mechanismen, aber am Ende müssen diese sensiblen Fragen, bei denen es um die Meinungsfreiheit und den Schutz der Persönlichkeit geht, wie es bisher auch der Fall war, von Gerichten entschieden werden.

Frau Renate Künast besuchte jüngst das Löschteam von Facebook, das gemeldete Hassposts auf dem Netzwerk überwacht. Wie schätzen Sie die Bemühungen der Unternehmen ein und was bedeutet das für diese Debatte?

Konstantin von Notz: Es war gut, mit diesem Besuch der Firma Avato, die ja von Facebook mit der Löschung beauftragt wird, auf die konkreten Arbeitsbedingungen in der praktischen Umsetzung, die hinter dieser Debatte steht, zu schauen. Wir haben zuvor eine sehr interessante Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung gehabt, wo es darum ging, wie das ganze weltweit funktioniert.

Vor allem Facebook hat sich in den letzten Jahren strikt geweigert, dieses Problem vernünftig anzugehen, obwohl es schon weit am Horizont erkennbar war. Deshalb hat man erstmal gesagt: "Naja, deutschsprechende Mitarbeiter sind teuer, deshalb löschen wir erstmal Nacktheit und keinen Rassismus und so weiter." Das war völlig unverantwortlich und führt jetzt auch zu diesem überstürzten Aktionismus der Großen Koalition kurz vor einer Wahl.

Facebook hat einfach sehr lange sehr platt gegen jegliche Form der Regulierung lobbyiert und das fällt ihnen jetzt auf die Füße. Wir brauchen jedoch zuverlässige, langfristige, transparente, rechtsstaatliche Strukturen, die in diesem sensiblen Bereich funktionieren. Das ist derzeit nicht gegeben, und auch beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Herrn Maas ist das für bestimmte Zusammenhänge nicht zu erkennen. Zum Beispiel, wer finanziert eigentlich diese Gremien, in denen entschieden wird, wer die stillen Mitarbeiter sind und so weiter. Da ist noch vieles im Fluss.

Breitbandausbau

Die Digitale Strategie 2025 will bereits bis 2018 eine deutschlandweite Versorgung von 50 Mbit/s im Festnetz erreichen. Die Grünen gehen sogar einen Schritt weiter und wollen bis 2021 75 Prozent aller Haushalte, inklusive Unternehmen, an das Glasfasernetz anschließen. Wie kann dieses ambitionierte Ziel erreicht werden?

Konstantin von Notz: Ich wohne auf dem Land, ich komme aus Schleswig-Holstein, und der ländliche Raum ist tatsächlich schlecht ausgestattet, das stört uns seit langer Zeit. Wir sind die einzigen, die eine Idee haben, wie man das finanzieren kann. Wir fordern, dass der Bund seine Telekom-Anteile verkauft - das ist ein zweistelliger Milliardenbetrag, der frei wird. Damit kann man unglaublich viel erreichen, wenn man das gezielt einsetzt, wenn man gute Projekte vor Ort fordert.

Bei mir im Kreis sind das die Stadtwerke, die auf den Dörfern von Tür zu Tür ziehen und wenn sie alle Unterschriften zusammen haben, legen sie 200 Mbit/s Kabel bis zum letzten Bauernhof. Fiber to the Bauernhof. Insofern haben wir einen Vorschlag, wie man das schnell angehen kann und vor allem, wie man das finanziert bekommt. Das ist eine der großen Enttäuschungen der Großen Koalition der letzten vier Jahre, dass sie in einem Bereich, der so drängt, nicht vorangekommen sind.

Sollte es Ausbauverpflichtungen geben und für welche Marktteilnehmer sollten sie in welchem Umfang gelten?

Konstantin von Notz: Das ist sehr schwierig. Klar kann man darüber streiten, ob in der Vergangenheit die Vorgaben klug waren, dass man Berlin-Mitte irgendwie versorgt bekommt. Aber das ist alles Schnee von gestern. Ich würde sagen, wir müssen Anreize setzen, diesen Ausbau jetzt entschlossen und in kürzester Zeit voranzubringen - und dafür braucht es Geld. Natürlich kann man auch über eine Vergabe der Pakete sprechen und die attraktiven Regionen den Leuten geben, die sich dann ebenso um die unattraktiven Regionen kümmern.

Das ist alles vorstellbar, ich glaube, entscheidend ist am Ende, dass wirklich passiert, wovon alle seit Jahren und Jahren und Jahren reden, nämlich die Erschließung der weißen Flecken. Die Breitbandversorgung ist völlig inakzeptabel in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2017.

Abschließend die Frage: Mit welcher Geschwindigkeit surfen Sie privat im Netz?

Konstantin von Notz: Wir haben bisher in der Ecke von Schleswig-Holstein, in der ich lebe, keine gute Versorgung, aber wir werden jetzt in den nächsten Monaten von den Stadtwerken wahrscheinlich mit einer sehr guten Leitung versorgt, das ist ein Sonderfall, weil unsere Stadtwerke das sehr vorbildlich vorantreiben. Ich kann nur sagen, in Schleswig-Holstein insgesamt gibt es viele Regionen, in denen die Geschwindigkeiten noch immer völlig inakzeptabel sind.

Wie die Abschaffung der Störerhaftung ist dieses Thema Teil des kleinen Einmaleins der Digitalisierung und wir müssten das schnell abhaken, damit wir uns dann den vielfältigen, wesentlichen Herausforderungen in diesem Umbruchprozess stellen können.

Das Gespräch ist Teil einer Serie von Interviews mit Politikern über netzpolitische Themen vor der Bundestagswahl, die von Techniksurfer.de geführt und dort veröffentlicht wurden. Telepolis dankt dafür, die Gespräche übernehmen zu dürfen.