Neue Gesetzesentwürfe in den USA gegen Copyright-Verletzungen
Nicht nur eine "absichtliche Verleitung zu Copyright-Verstößen" soll bestraft werden, der Staat soll auch selbst Zivilklagen gegen Copyright-Vergehen erheben können
Mit allen Mitteln suchen US-Politiker der Demokraten und Republikaner, noch schärfere Gesetze gegen Copyright-Verletzungen einzubringen. Verhandelt wird gerade ein Gesetzeswentwurf, der Strafen wegen "Verleitung zu Copyright-Vergehen" einführen will. Ebenso auf der Schiene befindet befindet sich ein Gesetz, nach dem die Staatsanwaltschaft Zivilklagen gegen mutmaßliche Copyright-Verletzer auf den Weg bringen kann.
Die Politik steht - vor allem im Vorlauf die Präsidentschaftswahlen - unter großem Druck der Unterhaltungsindustrie, möglichst hart und umfassend Copyright-Verletzungen zu ahnden und in Zukunft zu verhindern. Nachdem die Klagen gegen Tauschbörsenbenutzer - die Recording Industry Association of America hat mittlerweile über 3.000 Tauschbörsenbenutzer angezeigt - nicht wirklich zu fruchten, soll die Abschreckung nun mit anderen Mitteln verstärkt werden.
Noch immer scheint die Hauptaktivität der Unterhaltungsindustrie darin zu bestehen, das Copyright stärker zu machen, um im Unterschied zum analogen Zeitalter jeden Gebrauch von digitalen Produkten kontrollieren und nach Belieben abkassieren zu können. Die Sicherung des "geistigen Eigentum", das in der Wissensgesellschaft zum wertvollsten Gut geworden ist, auch wenn dafür noch keine Kriege wie ums Öl oder um Kontrolle von strategisch bedeutsamen Territorien ausgefochten werden, scheint zu einem wesentlichen Faktor der Politik nicht nur in den USA geworden zu sein. Die von der Industrie propagierte Behauptung, dass damit der wirtschaftliche Standort gefördert, Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden und die Einnahmen, damit auch die Steuern, steigen, ist zum fast alternativenlosen Credo geworden. Produktiv ist man nicht mehr in der Erzeugung neuer Angebote und Vertriebswege, sondern vor allem im reaktiven Ausbau von rechtlichem und technischem Schutz. Ob aber damit "Kreativität" und damit langfristig Umsatz tatsächlich gesteigert und nicht nur die Einkommen der bestehenden Konzerne geschützt werden, wird kaum einmal ernsthaft bei solchen Debatten auf der politischen Ebene diskutiert (Das Filesharing-Zeitalter hat gerade erst begonnen).
Der Inducing Infringement of Copyrights Act of 2004, auch zur besseren Durchsetzung "Inducement Devolves into Unlawful Child Exploitation Act of 2004" genannt, will:www.heise.de/newsticker/meldung/48564 soll nicht nur den illegitimen Besitz von copyright-geschützten Werken bestraft wissen, sondern auch die "absichtliche" Verführung oder Verleitung, sich solche Werke anzueignen. Der Gesetzestext wurde noch nicht offiziell veröffentlicht. Schon die Existenz von Tauschbörsen, die das Anbieten und Herunterladen ermöglichen - und damit dazu verführen - wäre damit eine Straftat, allerdings nicht die Herstellung von Geräten, mit denen sich Kopien anfertigen lassen.
Der republikanische US-Senator Orrin Hatch, der die Tauschbörsen als "piracy machines" bezeichnet, führt zu dem von ihm eingeführten Gesetzesentwurf etwa an, dass eine solche strafwürdige Verleitung beispielsweise in der Möglichkeit der Suche besteht. Zudem könne man bei den meisten Tauschbörsen nicht Dateien blockieren oder entfernen, die copyright-geschützte Werke oder auch Viren oder Kinderpornographie enthalten. Dadurch würden Kinder nicht nur zu Copyright-Verletzungen verleitet, sondern auch zur unwissentlichen und strafrechtlichen Verbreitung von Viren und Kinderpornographie. Die Tauschbörsen würden - mit manchmal irreführenden Behauptungen wie etwa Morpheus 4.0: "the only American filesharing software ruled legal by a U.S. federal court" - die Strafbarkeit auf die Benutzer abschieben, die Rechteinhaber hätten bislang nur eine "symbolische" Möglichkeit der Strafverfolgung.
Mit dem neuen Gesetz hätten "Künstler" das Mittel, mit Schadensersatzklagen gegen Firmen vorzugehen, die finanziell davon profitieren, dass sie Kinder und Andere zu Copyright-Verletzungen anstiften, und müssten nicht mehr gegen die Kinder oder einzelne Tauschbörsenbenutzer selbst vorgehen. Das hat große Kritik an der Musikindustrie hervorgerufen, die aber nach Hatch rechtlich keine andere Möglichkeit hätte.
Hatch unterstützt auch den vom demokratischen Senator Patrick Leahy eingebrachten und am Freitag einstimmig im Senat angenommenen Gesetzesentwurf Protecting Intellectual Rights Against Theft and Expropriation Act of 2004. Dieser ermöglicht es der Staatsanwaltschaft, "flexibel" und aus eigenem Anlass zivilrechtlich gegen Copyright-Verstöße vorzugehen. Für die Klagen könnte die Staatsanwaltschaft auch leichter als Unternehmen die Internetprovider dazu bringen, die Benutzerdaten zur Beweisführung herauszugeben. Dazu sollen Mitarbeiter des Justizministerium rechtlich und technisch geschult werden. In einem Pilotprogramm sollen zuerst vier Bundesstaatsanwaltschaften diese Aufgabe übernehmen.
Für Hatch würde das Gesetz die Musikindustrie entlasten und könnte mit der Durchführung einer massiven Klagewelle der Staatsanwaltschaften für die nötige Abschreckung sorgen: "Es sind vielleicht Zehntausende von Zivilklagen notwendig, um für die notwendige Abschreckung zu sorgen. Ich bezweifle, dass eine Nichtregierungsorganisation die Mittel oder die moralische Autorität besitzt, eine solche Kampagne auszuführen." Bislang kann die Staatsanwaltschaft gegen den Diebstahl von digitalen Dateien nur strafrechtlich vorgehen, was man aber bei Copyright-Verletzungen von Tauschbörsenbenutzern nicht machen will. Sollte das Gesetz in Kraft treten, könnten überführte Tauschbörsenbenutzer nicht nur von der Musikindustrie, sondern auch zusätzlich vom Justizministerium oder umgekehrt angeklagt und so doppelt bestraft werden.