Neue Jamaika-Signale aus der FDP
Christian Lindner hält das Bündnis mit "neuen Führungsmannschaften" bei CSU und Grünen für möglich
Zwei Woche vor Beginn der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD hat FDP-Chef Christian Lindner hat in der Wirtschaftswoche die Möglichkeit einer in den Sondierungsgesprächen davor abgelehnten Jamaika-Koalition wiedereröffnet: "Bei CSU und Grünen", so Lindner, gebe es nämlich bald "eine neue Führungsmannschaft" - und "in neuen Konstellationen" werde "neu gesprochen".
Die Grünen wählen Ende Januar neue Parteivorsitzende. Für den Doppelposten haben sich der von Lindner indirekt gelobte schleswig-holsteinische Jamaika-Koalitionär Robert Habeck und dessen Brandenburger Flügelfreundin Annalena Baerbock öffentlich beworben. In der Fraktionsführung könnte der als kompromissfähiger geltende Cem Özdemir den Ideologen Anton Hofreiter ablösen (vgl. CDU, CSU, SPD und FDP einigen sich auf Diätenerhöhung).
Gauweiler lobt Lindner
In der CSU hat sich Parteichef Horst Seehofer dazu bereit erklärt, im Frühjahr das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten an seinen Rivalen Markus Söder abzugeben. Das Amt des Parteichefs will er behalten; außerdem handeln ihn Beobachter als Außenminister in einem neuen schwarz-roten Kabinett. Ob die CSU die bayerische Landtagswahl im Herbst 2018 in so einer Konstellation gewinnen kann, ist offen.
Erleidet sie eine schwere Niederlage, dürfte sich zumindest die Vorsitzfrage erneut stellen. Kommt es dann zu einer Urwahl, könnte dem Außenseiter Peter Gauweiler dabei eine ähnliche Überraschung gelingen, wie sie in den letzten Jahren die Anti-Parteiestablishment-Kandidaten Jeremy Corbyn und Donald Trump in Großbritannien und den USA schafften (vgl. Merkel via Seehofer stürzen?).
Eben jener Peter Gauweiler zollte Lindner und der FDP im Handelsblatt öffentlich "Respekt und Anerkennung", weil die Liberalen bei den Jamaika-Sondierungen seinem Eindruck nach bezüglich einer Transfergemeinschaft "das Wort gehalten" haben, "das die CSU in ihrem 'Bayernplan' gegeben hatte". Außerdem erweckte Gauweiler mit bemerkenswert offen kritischen Äußerungen zu Angela Merkel den Eindruck, dass eine neue große Koalition eine kurze Lebensdauer haben könnte, wenn er Parteichef wird (vgl. Neue Sondierungsgespräche sollen von 7. bis 12. Januar dauern).
Zunehmend Kritik an Merkel
Lindner äußerte sich in der Wirtschaftswoche etwas indirekter kritisch über Merkel, indem er ihr den schleswig-holsteinischen Jamaika-Verhandler Daniel Günther als positives Beispiel für einen Christdemokraten entgegenstellte: Es sei, so Lindner, "kein Zufall, dass ein CDU-Ministerpräsident der nächsten Generation, der neu ins Amt gekommen ist, [die erfolgreiche Koalitionsbildung in Schleswig-Holstein] geschafft hat".
In der CDU soll der gegen den Willen von Angela Merkel zum neuen Chef der Konrad-Adenauer-Parteistiftung gewählte Norbert Lammert einem Bericht der Bild-Zeitung nach intern offenbart haben, er gehe von einem Scheitern der Machtteilungsgespräche mit den Sozialdemokraten und von Neuwahlen mit einer anderen Unionskandidatin als Merkel aus. Lammert dementierte diese Meldung auffallend schrittweise und ohne zu sagen, er wünsche sich Merkel erneut als Kandidatin.
Inzwischen äußern sich auch immer mehr ehemals eher merkelbegeisterte Medien kritisch über die Kanzlerin. In der Süddeutschen Zeitung konstatierte Stefan Braun beispielsweise, sie habe durch die ständige Ausrichtung auf das, was in deutschen Medien am besten ankam, "über die Zeit das Profil der eigenen Partei aufgelöst".
Diese Diagnose passt auch auf die SPD, mit der Lindner nur dann eine Koalitionsoption sieht, wenn sie jene "Kurskorrektur", vornimmt, die Sigmar Gabriel letzte Woche in einem Gastbeitrag für den Spiegel gefordert hatte. Unter einen Parteivorsitzenden Martin Schulz spricht wenig dafür, dass das geschieht. Sein auf dem Berliner Parteitag am 8. Dezember vorgebrachtes Umweltpolitikbeispiel einer "alten Schildkröte", die stirbt, weil sie durch im Magen verbleibenden Kunststoff glaubt, "immer satt zu sein", ist dem Cicero-Salonressortleiter Alexander Kissler nach nicht nur ein passendes Bild für den Zustand seiner eigenen Partei, sondern auch für den der CDU unter Angela Merkel.