Neue Versprechungen nach dem Impfgipfel
Impfangebot spätestens fünf Tage vor der Bundestagswahl
Gestern Nachmittag veranstalteten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer, die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton einen Online-"Impfgipfel" mit Vertretern der Pharmaunternehmen BioNTech, Pfizer, AstraZeneca, Moderna, Johnson&Johnson, IDT, Sanofi, CureVac, Bayer und Schott.
Vorher hatten der Anhalter Ministerpräsident Rainer Haseloff, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der Berliner Bürgermeister Michael Müller, der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil und die rheinland-pfälzische Wahlkämpferin Marie-Luise Dreyer "verlässliche Lieferpläne" für Sars-CoV-2-Impfstoffe gefordert. Die soll Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nun bis zum 10. Februar vorlegen. Außerdem wird ein "Bund-Länder-Impfstab" eingerichtet.
Spahn erklärt Weg zur Suche nach den Verantwortlichen für nicht zielführend
Anlass für die Forderung der Länderchefs war, dass es in Deutschland mit den Sars-CoV-2-Impfungen nicht nur sehr viel schleppender vorangeht als in Israel, den USA und dem UK, sondern auch langsamer als in Ländern wie Serbien und Rumänien. Auf der Suche nach Möglichkeiten, das zu ändern, hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits vorab einen Weg für gesperrt erklärt: Seinen Worten nach wäre es nicht zielführend, nach Schuldigen zu suchen.
Als Schuldige infrage kommen neben ihm selbst vor allem seine Chefin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die hatte letzte Woche versucht, die Verantwortung weiterzureichen, indem sie das britisch-schwedische Pharmaunternehmen AstraZeneca beschuldigte, der EU mit 31 statt 80 Millionen Dosen weniger Impstoff zu liefern als vertraglich vereinbart. Als AstraZeneca daraufhin die Verträge offenlegte, in denen die Firma lediglich verspricht, ihr Bestes zu geben, wollte von der Leyen Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland errichten lassen, um die Ausfuhr von in Belgien und den Niederlanden produziertem Serum zu verhindern, das in das beim Bestellen deutlich schnellere UK gehen soll.
"Es hat keinen Sinn, Frau von der Leyen zu kritisieren - sie ist immun"
Dieses Vorgehen war insofern bemerkenswert, als die EU während der Brexit-Verhandlungen dem britischen Premierminister Boris Johnson vorgeworfen hatte, er wolle so eine Grenze errichten und würde mit ihr den Frieden in Nordirland gefährden. Wahrscheinlich auch deshalb machte die Deutsche inzwischen einen Rückzieher. Der forsche Vorstoß scheint sie zumindest im UK nicht unbedingt beliebter gemacht zu haben: Dort nennt man sie jetzt unter anderem "Ursula fond of Lying" und wirft ihr vor, dass sie Briten und Nordiren sterben lassen wollte, um ihr eigenes Versagen zu vertuschen.
Dass die auch als deutsche Verteidigungsministerin nicht unbedingt unangreifbar agierende CDU-Politikerin ihren Posten als EU-Kommissionspräsidentin räumen muss, gilt trotzdem als unwahrscheinlich. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz kommentierte das mit der sarkastischen Bemerkung: "Es hat keinen Sinn, Frau von der Leyen zu kritisieren - sie ist immun."
Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann
Die neuen Versprechen, die die Politik nun macht, besagen, dass in 50.000 Arztpraxen wöchentlich mehr als fünf Millionen Bürger geimpft werden. Irgendwann, wenn genug Impfstoff zur Verfügung steht, und wenn die Transport- und Lagerkapazitäten vorhanden sind.
Bis dahin soll erst einmal allen Pflegeheimbewohnern bis Mitte des Monats ein "Impfangebot" gemacht werden. Einen Monat darauf sollen dann alle Über-80-Jährigen so eine Option bekommen haben. Teilweise wurde diese Gruppe aus Daten von DHL zusammengestellt, in denen das Alter auch anhand der Vornamen geschätzt wurde (vgl. Corona-Impfdesaster: Es liegt nicht nur am Mangel).
Nicht alle Impfstoffe schützen im selben Umfang
Ein Impfangebot, das für alle Bürger gilt, soll es bis zum 21. September geben - also bis fünf Tage vor der Bundestagswahl. Bis dahin wird es wohl weiter Einschränkungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens geben - und vielleicht gibt es sie nach der Bundestagswahl auch bald wieder.
Denn nicht alle Impfstoffe scheinen in gleichem Umfang vor den Mutationen zu schützen, von denen die aus England, Südafrika und Brasilien nicht die letzten gewesen sein dürften (vgl. Corona: Streit um Impfstoff). Beim Vektorvirenimpfstoff von AstraZeneca (und möglicherweise auch bei anderen Vektorvirenimpfstoffen) stellt sich darüber hinaus das Problem, dass dieses Serum bei Geimpften die Virenlast - wenn überhaupt - nur bedingt verringert, weshalb sie für Ungeimpfte weiter gefährlich sind.
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