Neue kanadische Außenministerin steht auf russischer Sanktionsliste
Droht eine "diplomatische Eiszeit"?
Diese Woche beförderte der kanadische Premierminister Justin Trudeau seine Handelsministerin Chrystia Freeland zur Außenministerin. Die Personalie ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Freeland führte die CETA-Verhandlungen zwischen Kanada und der EU. In deutschen Medien wie der ARD wird sie deshalb als Freihandelseuphorikerin geschildert, in kanadischen sieht man sie wegen ihres 2012 erschienenen Buchs "Plutocrats" (in dem sie darlegt, dass die Globalisierung den Spalt zwischen einer globalen Elite und einfachen Arbeitnehmern vergrößerte) eher als eine Politikerin, die die Freihandelsskepsis von Donald Trump teilweise nachvollziehen kann.
Eine Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA gehörte zu den wichtigsten Wahlversprechen des designierte US-amerikanischen Präsidenten, der am 8. November auch deshalb gewann, weil er mit dieser Botschaft von den Demokraten und deren Freihandelspolitik enttäuschte Arbeiter in den Rostgürtel-Bundesstaaten überzeugte, für ihn zu stimmen.
NAFTA-Korrekturverhandlungen?
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hatte bereits zwei Tage nach Trumps Wahl Verhandlungsbereitschaft in Sachen NAFTA angekündigt. Allerdings dürften die USA und Kanada unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wo konkret Korrekturbedarf besteht: Während Trudeau daran interessiert sein wird, dass US-Rohstoff- und Energiekonzerne sein Land weniger leicht wegen Umweltschutzvorschriften vor privaten Schiedsgerichten auf entgangenen Profit verklagen können, will Trump die Möglichkeiten einschränken, dass US-Konzerne in Mexiko - dem dritten NAFTA-Partner - mit Niedriglöhnen produzieren und die dort gefertigten Waren zollfrei in die USA einführen. Daran wiederum wird man in Mexiko (wo über ein Drittel der Arbeitsplätze am Export in die USA hängt) und in Kanada (dessen Exporte zu drei Vierteln in die USA gehen) wenig Interesse haben (vgl. Trudeau zu NAFTA-Neuverhandlungen bereit).
Kein "quid pro quo"
Zweitens steht die ukrainischstämmige Politikerin seit 2014 auf einer russischen Sanktionsliste, die Moskau anfertigen ließ, nachdem westliche Staaten im Zuge der Krim-Krise solche Listen mit russischen Politikern zusammenstellten. Dass man speziell Freeland auf die Liste setzte, lag unter anderem daran, dass sie den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin scharf angriff und behauptete, er führe Russland in eine Diktatur.
Deshalb darf Freeland nicht nach Russland reisen. Aber das will sie anscheinend gar nicht - auch nicht als Außenministerin. Signale aus Moskau, dass man über das Einreiseverbot reden könne, wenn Kanada dafür russische Politiker von seiner Sanktionsliste streicht, wurden von ihrem Sprecher Joseph Pickerill mit der Bemerkung zurückgewiesen, es werde kein "quid pro quo" geben.
Abgeordnete sollen Auswirkungen von Sanktionen prüfen
Trudeau, dessen Partei bei der kanadischen Wahl 2015 mit einer Verbesserung der Beziehungen zu Russland geworben hatte, meinte auf Fragen dazu, ob Freeland mit Sicht auf Russland die richtige Besetzung als Außenministerin sei, die heute 48-Jährige, die Mitte der 1990er Jahre als Korrespondentin für die Financial Times in Moskau tätig war, spreche immerhin fließend Russisch. Außerdem werde Kanada weiterhin an der Seite der Ukraine stehen und nicht aufhören, "illegitime und illegale Handlungen" der Russen dort zu verurteilen.
Erst im November hatte sein Kabinett 15 weitere Duma-Abgeordnete auf die kanadische Sanktionsliste gesetzt, nachdem sich US-Präsident Barack Obama und die Staats- und Regierungschefs der EU auf eine Verlängerung der Sanktionen gegen Russland einigten. Demnächst soll eine Gruppe von kanadischen Abgeordneten unter Leitung des Regierungsparteimitglieds Bob Nault in Europa und Asien über Gespräche vor Ort erkunden, was diese Sanktionen für Auswirkungen haben und anschließend einen Bericht dazu abliefern.
Eiszeitbefürchtungen und Ansprüche auf die Arktis
Piotr Dutkiewicz, der Direktor des Institute of European and Russian Studies an der kanadischen Hauptstadtuniversität Carleton, glaubt, dass Freelands Ernennung zu einer neuen Eiszeit zwischen Ottawa und Moskau führen könnte, weil die neue Außenministerin sehr voreingenommen sei, wie man unter anderem ihrem Buch "Sale of the Century" entnehmen könne. Deshalb kann es seiner Ansicht nach auch dazu kommen, dass sich die kanadische und die US-amerikanische Russlandpolitik in Zukunft voneinander unterscheiden werden.
Hinzu kommt, dass Kanada und Russland geopolitisch gesehen quasi natürliche Feinde sind, weil beide Staaten an das arktische Meer stoßen und dort konkurrierende Ansprüche auf Bodenschätze und Schifffahrtswege geltend machen.
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