Neuer Test für das US-Raketenabwehrsystem NMD
Möglicherweise will die US-Regierung auch wieder mit Atombombentests beginnen
Der US-amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat erst kürzlich wieder seine Entschlossenheit bekräftigt, am Aufbau des Raketenabwehrschilds NMD festzuhalten. Man müsse Gegner allein durch die Existenz von militärischen Kapazitäten abschrecken, so dass sie selbst kein Geld in den Aufbau neuer Techniken stecken. Gleichwohl würde eine wachsende Zahl von Staaten gegenwärtig nukleare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen entwickeln. Auch die Zahl der Langstreckenraketen sowie der Länder, die sie besitzen, nehme zu. Das NMD sei eine notwendige Verteidigungsmaßnahme, die niemanden bedrohe und nur einen Schutz vor einer begrenzten Zahl an Raketen aus "Schurkenstaaten" bieten soll. Der nächste Test ist für den 14. Juli angesetzt.
Bislang wurden drei Tests für den Kern des mindestens 60 Milliarden US-Dollar teuren Raketenabwehrsystems durchgeführt, nämlich Raketen während des Flugs durch eine andere Rakete zielgenau zu zerstören. Nur der erste Test im Jahr 1999 war "erfolgreich", allerdings wurde nicht die Sprengkopfattrappe, sondern lediglich ein Täuschungsballon getroffen. Der zweite Test im Januar 2000 und der dritte im Juli 2000 waren gescheitert (Test für Raketenabwehrschild gescheitert). Einmal sei im "exoatmosphärischen Abschusskörper" (EKV = exoatmospheric kill vehicle) eine Kühlleitung blockiert gewesen, das zweite Mal habe sich der EKV nicht von der Trägerrakete gelöst. Die Skepsis ist allgemein unter Wissenschaftlern groß, ob das System überhaupt funktionieren kann, zumal bislang die einfachste Störmöglichkeit, nämlich die Aussetzung von ablenkenden Attrappen, auch noch nicht ansatzweise gelöst wurde. Auch bei diesem Test wird nur ein Täuschungsballon ausgesetzt, entscheidend würde freilich sein, ob der Sprengkopf inmitten von Dutzenden oder Hunderten solcher Ballons sein Ziel noch finden kann.
Bei dem jetzt geplanten Test wird eine Minuteman II von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien abgeschossen werden. Kurz darauf startet vom 7.7000 Kilometer entfernten Kwajalein Atoll auf den Marshall-Inseln eine andere Rakete mit dem EKV. Zehn Minuten später soll dann in 225 Kilometer Höhe über dem Pazifik die EKV die Minuteman zerstören. Überprüft werden soll dabei das Zusammenspiel der verschiedenen Technologien wie des satellitengestützten Raketenwarnsensors, des auf dem Boden befindlichen Radarfrühwarnsystems und der Kontrollsysteme in der Joint National Test Facility in Colorado Springs.
Aber es könnte sich noch eine weitere Veränderung vollziehen. Rumsfeld hatte zwar noch einmal betont, dass das geplante Raketenabwehrsystem für Präsident Bush eine Verteidigungsmaßnahme darstellen soll, die eine Reduzierung der Nuklearwaffen auf die kleinste Zahl zum Schutz der nationalen Sicherheit ermöglichen soll. Wie viele Nuklearwaffen das sein sollen, wurde nicht gesagt. 1992 hatte die US-Regierung ein Moratorium für Atombombentests beschlossen, das bislang eingehalten wurde. Tests wurden seitdem mit dem Computer simuliert. 1996 hatte die Regierung überdies den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) unterzeichnet, die Ratifikation durch die Vereinigten Staaten hat der republikanisch dominierte US-Senat am 13.10.1999 allerdings abgelehnt.
General John Gordon, der Leiter der National Nuclear Security Administration (NNSA), hat, wie der Guardian berichtet, bereits einen Bericht in Auftrag gegeben, in dem festgestellt werden soll, wie schnell sich Orte für Atombombentests in Nevada wieder benutzen lassen können. Das könnte der erste Schritt für eine Wiederaufnahme von Tests sein. Angeblich würden die Computersimulationen nicht ausreichen, um die Einsatzfähigkeit und Sicherheit der Atomwaffen verifizieren zu können. Überdies will das Militär neue Nuklearwaffen testen, mit denen auch dicke Bunker zerstört werden können. Die Bush-Regierung scheint den CTBT einfach links liegen lassen zu wollen, ähnlich wie sie es mit dem ABM-Vertrag vorhat, der die Einrichtung einer flächendeckenden, das gesamte Staatsgebiet umfassenden Raketenabwehr verbietet. Auch was die weiteren Abbau von strategischen Nuklearwaffen im Rahmen der START-Abkommen betrifft, bewegen sich die USA nicht mehr.