Test für Raketenabwehrschild gescheitert
Entscheidung über den Bau wird vermutlich erst vom nächsten US-Präsidenten getroffen
Der mit Spannung von Befürwortern und Gegnern des Raketenabwehrsystems erwartete dritte Test des NMD (National Missile Defense) ist gestern (6:18 MEZ) gescheitert. Der Test sollte eine Grundlage für die Entscheidung Präsident Clintons darstellen, ob und welche Version der NMD in Auftrag gegeben wird. Das Scheitern des Versuchs dürfte den Gegnern des auf 20 bis 60 Milliarden Dollar angesetzten Projekts vermutlich Aufwind geben. Allerdings ist die Möglichkeit der technischen Realisierung nicht das einzige Kriterium, sondern Clinton will auch die Auswirkungen auf die Rüstungskontrolle, die tatsächliche Bedrohung durch andere Staaten und die Kosten erwägen. Nach einem Beschluss der amerikanischen Kongresses muss Clinton allerdings ein nationales Raketenabwehrsystem in Auftrag geben, sobald es technisch realisierbar ist. Darüber kann man sich zumindest jetzt auch wieder streiten.
Geplant war, dass der Start einer nuklearen Sprengkopfattrappe auf einer Minuteman-Rakete von der Vandenberg Air Force Base von einem Überwachungssatelliten beobachtet und die Flugbahn dann von Radaranlagen verfolgt wird. Große Computersysteme sollten dann eine Abfangrakete, die von den Marshall Islands gestartet wird, wenn die 1,5 Meter große Sprengkopfattrappe nach einem Flug von 21 Minuten die kalifornische Küste schon weit hinter sich gelassen hat, steuern und nach der Lösung von der Trägerrakete mit den eigenen Infrarotsensoren das Ziel ansteuern lassen.
Doch schon der Beginn des Tests hatte sich um mehr als zwei Stunden wegen eines Kommunikationsproblems zwischen Bodenstation und der Abfangrakete verzögert. Und schließlich verfehlte das "exatmospheric kill vehicle" sein Ziel, weil es sich angeblich nicht von der Trägerrakete abgelöst hatte. Überdies trat noch eine weitere Panne auf, die sich allerdings auf das Ergebnis nicht mehr auswirken konnte. Ein einziger Ballon zur Täuschung sollte sich überdies von der Sprengkopfattrappe lösen, tat dies aber nicht. Doch selbst wenn der Test erfolgreich gewesen wäre, so Kritiker, würde dies nicht wirklich belegen, dass es auch wirklich leistungsfähig wäre. Gegner können ohne großen Aufwand eine Vielzahl von Attrappen einsetzen, um die Zielerkennung zu täuschen oder zu verwirren.
Obgleich der erste Test im Oktober des letzten Jahres zunächst als Erfolg gefeiert wurde, musste man später einräumen, dass Abfangrakete anstatt der Sprengkopfattrappe nur einen Täuschungsballon getroffen hatte. Der zweite Test im Januar verfehlte die Abfangrakete ihr Ziel, nachdem ein Kühlsystem versagte und dadurch die auf Hitze ausgerichteten Sensoren außer Kraft gesetzt hatte. Vorgesehen sind insgesamt 19 Tests.
Greenpeace hatte an der Vandenberg Air Force Base ein Medienzentrum aufgebaut und versucht, den Test zu verhindern, indem ihr Schiff Arctic Sunrise in eine Sperrzone fuhr, weil dort eine Brennstufe der Minuteman-Rakete heruntergehen sollte. Gestern waren dann nach Angaben von Greenpeace noch drei Aktivisten auf das Testgelände eingedrungen und hatten sich mehrere Stunden in der Nähe des Startplatzes versteckt. Auch auf den Marshall-Inseln war eine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten in militärische Sperrzone vorgedrungen und hatte angeblich eine halbe Stunde vor dem Start der Rakete in der Nähe der Abschussvorrichtung mit einem Banner protestiert. Aktivisten auf dem Stützpunkt Vandenberg und den Marshall-Inseln seien verhaftet worden.