Neues Bin Ladin Video
Wieder sorgt der arabische Sender Al-Dschasira für "Gegenöffentlichkeit", Bin Ladin setzt weiter auf den Kampf des Westens gegen den Islam und rechtfertigt den Terror
Wie vom Erdboden verschwunden ist Usama bin Ladin schon seit geraumer Zeit. Schon lange gab es nur noch Spekulationen, wo er sich aufhalten könnte und ob er überhaupt noch am Leben ist. Für die Amerikaner, die 25 Millionen Dollar für Hinweise bieten, die zur Ergreifung des als Anführer des Bösen bezeichneten Terroristenchefs führen, wäre der Feldzug gegen den Terrorismus kaum als erfolgreich darstellbar, wenn die Hauptfigur entkommen wäre. In letzter Zeit gab es Spekulationen, Bin Ladin könne an einer Lungenkrankheit gestorben oder durch die Bombardierung der Höhlenanlage in Tora Bora getötet worden sein. Just zu dem Zeitpunkt präsentiert der Fernsehsender Al-Dschasira ein neues Video mit Bin Ladin (Al-Dschasira: Propaganda-Maschine oder Pionier arabischer Medienfreiheit?).
Möglicherweise ist mit der Veröffentlichung des neuen Videos am Mittwoch Abend die schlimmste Vorahnung der US-Regierung in Erfüllung gegangen. Nicht dass Bin Ladin geheime Botschaften in dem Video versteckt hätte, wie man früher die Veröffentlichung der Videos durch Medien kritisiert hatte, ist das Problem, sondern allein die Möglichkeit, dass er weiterhin in Sicherheit und am Leben ist - und dass die US-Regierung den umstrittenen arabischen Sender nicht kontrollieren kann, der zwar nicht auf der Seite von Al-Qaida steht, aber dennoch als deren Sprachrohr mit fungiert hat.
Nach Al-Dschasira wurde das Video, von dem der Sender bislang nur Teile zeigte, in den letzten beiden Wochen aufgenommen und widerlege die Behauptungen, er sei getötet worden. Wie der Sender an das Video gelangt ist, gab er nicht preis. Bin Ladin, nicht sehr gesund aussehend und im Kampfanzug mit einem Gewehr neben sich, sagt, dass er noch lebe und dass das Video als eine Art Bestandsaufnahmedrei Monate nach den Anschlägen auf das WTC sowie zwei Monate nach dem "Angriff auf den Islam" dienen soll. Das allerdings könnte darauf hinweisen, dass das Video bereits Anfang oder Mitte Dezember aufgenommen wurde, was nicht ausschließen würde, dass Bin Ladin später gestorben ist oder getötet wurde. Ebenso wie der Streit um das Bin-Ladin-Video, das vom Pentagon veröffentlicht wurde, um dessen Authentizität geht, wird es jetzt bei diesem Video um das Aufnahmedatum gehen - und die sich daraus ergebenden Folgen (Wahrheit und Fälschung im digitalen Zeitalter). Da Bin Ladin nicht auf den Konflikt zwischen Indien und Pakistan eingeht, darf man vermuten, dass das Video auf keinen Fall vor Weihnachten gemacht wurde.
Bin Ladin verurteilt die Bombardierung Afghanistans und zieht aus den "letzten Ereignissen" den Schluss, dass der Westen und besonders die USA einen "unvorstellbaren Hass auf den Islam" haben. Die USA hätten gezielt Dörfer vernichtet, es sei eine Lüge, dass Bomben fehl gegangen seien: "Wie viele Dörfer wurden zerstört, ohne ein Verbrechen begangen zu haben? Wie viele Millionen Menschen wurden durch die beißende Kälte heimatlos gemacht, und wie viele dieser unterdrückten Männer, Frauen und Kinder müssen nun in Zelten in Pakistan leben? Sie haben kein Verbrechen begangen. Amerika hat diesen Angriff nur aufgrund eines Verdachts begonnen."
Bin Ladin setzt wie schon früher darauf, einen Kreuzzug des Westens gegen die muslimische Welt zu stilisieren, der jede Art des Terrors gegen die "Ungläubigen" als Reaktion rechtfertigt. Die USA hätten so gezielt eine Moschee in Khost angegriffen, in der sich Gläubige versammelt hatten. Das US-Verteidigungsministerium hat dies zwar eingeräumt, aber die Bombardierung als Unglück bezeichnet. Usama bin Ladin zieht aus all dem die Rechtfertigung für "unseren Terrorismus" gegen die USA, der eine Reaktion auf die Ungerechtigkeit sei und darauf ziele, die Unterstützung Israels zu beenden, das "unsere Leute tötet".
Heute will der Sender Al-Dschasira, der die Strategien zu beherrschen scheint, wie man eine Weltöffentlichkeit inszenieren kann, das Video in seiner gesamten Länge bringen. Der Pentagonsprecher Richard McGraw teilte mit, dass man nicht wisse, ob das Video echt und neu sei: "Nichts, was Bin Ladin macht, überrascht mich." Der Medienkrieg geht also weiter.