Neues Interesse an alter Zukunftstechnologie

Seite 2: Nachteile von Einzellerproteinen: technologisch beherrschbar

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Schnell wachsende Mikroorganismen zeichnen sich in der Regel durch hohe Konzentrationen an Nukleinsäuren aus, besonders RNA. Diese erhöhten Gehalte müssen vor der Aufnahme durch den Menschen abgesenkt werden, was durch eine Wärmebehandlung der Zellen erreicht werden kann. Des Weiteren können die Zellwände einiger Zelltypen nicht verdauliche Bestandteile wie etwa Zellulose enthalten.

In Abhängigkeit vom Zielprodukt und den Verfahrensbedingungen muss eine eventuelle Kontamination mit anderen Mikroben überwacht werden, da sonst die Gefahr besteht, dass sich Gifte bilden können, wie etwa Cyano- und Mycotoxine. Nicht alle Einzellerproteine haben eine für die menschliche Ernährung wünschenswerte Aminosäurezusammensetzung. In einigen fehlt zum Beispiel Methionin, das durch anderweitige Zusätze beigesteuert werden muss.

Erneut auflebendes Interesse

Die Einzellerproteine haben sich seit ihrer ersten Hochzeit nicht völlig von der Bildfläche verabschiedet. Als Nischenprodukt für die menschliche Ernährung begegnen sie dem geneigten Verbraucher eher selten, eine Folge der besonderen Anforderungen an die Sicherheit der Produkte. Die Tests zur Sicherheit von Quorn beispielsweise dauerten seinerzeit 16 Jahre, viele weitere Jahre folgten, ehe das Pilzprotein auch außerhalb von Großbritannien vermarktet werden konnte. Neue Produkte, die unmittelbar für die menschliche Ernährung gedacht sind, sehen sich mit einem vergleichbaren Aufwand konfrontiert.

Zu den Sicherheitsanforderungen an Produkte, die auf Abfall-Substraten gewonnen wurden, gesellt sich vor einer Markteinführung noch ein anderer Aspekt: die Akzeptanz der Kundschaft. Einzellerproteine aus filamentösen Pilzen und Hefen haben es in dieser Disziplin einfacher als beispielsweise ähnliche Produkte bakterieller Herkunft - sie dominieren die bereits etablierten Märkte. Ihr Proteingehalt liegt bei 30-50 %, außerdem sind sie Quelle von Vitaminen aus der Vitamin B-Gruppe. Hefeextrakte aus beim Bierbrauen anfallenden Hefekulturen werden seit mehr als 100 Jahren erfolgreich vermarktet, Marmite, Vegemite, Vitam-R und ähnliches gelten bei Teilen der Bevölkerung als beliebte Brotaufstriche. Und Torula (Candida utilis) ist reich an Glutaminsäure und wird aus diesem Grund als Glutamat-Ersatz genutzt.

Aktuelle Forschung beschäftigt sich weiterhin mit der Verhefung aller nur denkbaren Substrate, von Abfällen aus der Kartoffelstärke-Produktion über Bananenreste und Orangenmark bis hin zu überschüssigem Pfefferpulver.

Andere Einzellerprotein-Quellen haben es schwerer. Für Nahrungszwecke gedachte Mikroalgen beispielsweise können hohe Proteingehalte von bis zu 70% erreichen. Daraus hergestellte Produkte kommen dennoch hauptsächlich nur als Nahrungsergänzungsmittel und zunehmend als Zusatzstoffe in Snacks oder Backwaren auf den Markt. Ihnen wird vor allem eine Zukunft in der Tierfuttermittelherstellung prophezeit - wenn sie nur günstiger zu haben wären: Die Mikroalgen-Produktion kämpft beim Hochfahren auf industrielle Dimensionen mit ureigenen Problemen. Die Idee der Biokraftstoffgewinnung aus Algen hört gerade ihren Schwanengesang. Ursprünglich damit befasste Start-up-Unternehmen sind deshalb bereits in die Herstellung von anderen Erzeugnissen aus Mikroalgen ausgewichen.

Die Verwendung von Einzellerproteinen unterschiedlichster Provenienz als Tierfutter hat es aufgrund einfacherer Genehmigungsverfahren jedoch generell deutlich einfacher als Produkte für die unmittelbare menschlich Ernährung, deshalb stehen solche Projekte heute im Vordergrund des Interesses, hier werden die besten Wachstumschancen vermutet.

Das bevölkerungsreiche China hat ein besonderes Interesse an der Entwicklung von Verfahren, die Einzellerproteine liefern können. 70% der seit dem vergangenen Millennium beantragten Patente sind in China beheimatet, besonderes Augenmerk liegt hier bei der Verwertung von Resten aus der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelbranche.

Um die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens in den grünen Bereich zu fahren, werden nach Möglichkeit Synergien gebündelt, zum Beispiel über nützliche Zweitprodukte, oder eine Verminderung von Kosten, die sonst bei der Entsorgung von Abprodukten anfallen würden.

Ein exotisches Beispiel illustriert das Prinzip: Die Kultivierung des Knallgasbakteriums Cupriavidus necator erzeugt Biomasse, die reich an Proteinen und dem thermoplastischen Polyester Polyhydroxybuttersäure (PHB) ist. Diese Biomasse wird an Ratten verfüttert, die diese Art der Ernährung gut verkraften sollen. Der Clou: Die Ratten ihrerseits produzieren nun Kotpellets aus PHB-Kügelchen. Diese Reinigungsstufe spart die Verwendung von Lösungsmitteln ein.

Die biotechnologischen Träume zur Proteinversorgung der Zukunft sind schon einige Schritte weiter. So könnten Proteine auch in genetisch veränderten Mikroben entstehen, die für einen jeweiligen Zweck maßgeschneidert sind. Oder sie könnten von pflanzlichen und tierischen Zellkulturen produziert werden. Die sind dann zwar keine Mikroben mehr - aber auch keine Pflanzen oder Tiere.