Neuland für Rollenspielklassiker

Seite 2: Eine Reise durch die Seriengeschichte: "World of Final Fantasy"

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Schon als die ersten Videos zu "World of Final Fantasy" auftauchten, zeigte das Spiel ebenso wie "Dragon Quest Monsters" Parallelen zu "Pokémon". Tatsächlich gehört das Sammeln zu einem der Grundkonzepte des Spiels, ist jedoch nur einer von mehreren Aspekten. Im Vordergrund steht ständig der Fanservice: Kenner der Serie treffen auf unzählige alte Bekannte vom Krieger des Lichts über Cloud Strife bis zu Lightning.

Die Rahmengeschichte ist im Vergleich zur Hauptserie äußerst dünn: Die Zwillinge Reynn und Lann wachen in ihrer von allen Menschen verlassenen Heimatstadt Neunwaldbergen auf. Die einzige Besucherin im Café ist die Göttin Enna Kros, die ihnen mitteilt, dass sie eigentlich keine einfachen Angestellten sind, sondern die mächtigen Mirage-Hüter, denen die Aufgabe zukommt, die Welt zu retten. Dazu müssen sie in die spielzeugartige Welt Grymoire reisen, ihre Erinnerungen wiederherstellen und dabei zahlreiche Miragen einfangen.

World of Final Fantasy: Kampfstapel mit den Zwillingen in der Hühnenform

Letzteres ist der Name für die zahlreichen Monster, denen die beiden Helden begegnen und die ebenfalls aus den unterschiedlichen "Final Fantasy"-Games stammen. Gleich zu Beginn treffen die Zwillinge auf ein Chocobo-Küken und lernen dabei, wie sie Miragen einfangen und anschließend für sich kämpfen lassen. Recht bald haben die beiden ein kleines Team beisammen.

Anders als bei Pokémon kämpfen die beiden an der Seite der gefangenen Monster. Genauer gesagt über oder unter ihnen. Ein zentrales taktisches Konzept sind die Kampfstapel: Reynn und Lann bilden jeweils mit zwei Monstern einen Turm, der aus einem großem, einem mittleren und einem kleinen Kämpfer bestehen. Die Monster kommen in den passenden Konfektionsgrößen L, M und S. Praktischerweise können die beiden Protagonisten ihre Größe zwischen M und L ändern, sodass sie entweder die Basis oder Mitte eines Stapels bilden.

Jeder Turm vereint nicht nur die Fähigkeiten der einzelnen Bestandteile, sondern kombiniert sie auch: Besitzen zwei gestapelte Wesen den gleichen Zauber, können sie ihn im Stapel verstärkt wirken. Auch zwischen verschiedenen Fähigkeiten gibt es diverse Wechselwirkungen, die zum Experimentieren einladen. Die Stapel lassen sich jederzeit in ihre Einzelteile auflösen, was jedoch nur selten sinnvoll ist, da die einzelnen Recken zwar unabhängig handeln können, dafür aber weniger Lebensenergie und Fähigkeitspunkte haben. So kann schon ein gegnerischer Treffer zum K. o. führen.

Das Auflösen erfolgt daher meist unfreiwillig: Gegnerische Angriffe verringern nicht nur die Lebensenergie, sondern auch die Stabilität. Ohne Gegenmaßnahmen wie Items, Zauber oder eine Verteidigungshaltung, stürzt der Turm ein. Das gilt freilich umgekehrt genauso für Gegner, die ebenfalls regelmäßig gestapelt auftreten.

Das gute alte ATB

Die grundsätzlichen Kämpfe laufen nach dem ATB-System (Active Time Battle) ab, das die Auseinandersetzungen in Final Fantasy IV bis IX prägte. Es ist so untrennbar mit der Serie verknüpft, dass Square Enix ihm einen eigenen Ableger für iOS und Android widmete, dessen Name nicht zufällig dasselbe Akronym beinhaltet: "Final Fantasy - All the Bravest". Das Grundprinzip erweitert rundenbasierte Auseinandersetzungen, indem verbündete und gegnerische Charaktere jeweils eine unterschiedliche Zeit brauchen, bis sie eine Aktion ausführen können. In den Einstellungen von "World of Final Fantasy" lässt sich festlegen, ob die Zeit für die anderen Kämpfer beim Auswählen einer Aktion stehenbleibt oder weiterläuft.

World of Final Fantasy: Lightning aus Final Fantasy XIII

Die dritte taktische Komponente ist die rollenspieltypische Entwicklung der Charaktere. Beim Aufstieg erhalten die Monster Fähigkeitspunkte, mit denen sich entweder neue Attacken oder besser Grundwerte freischalten lassen. Die meisten Monster besitzen zudem mehrere Formen, die Spieler erst freischalten oder entdecken müssen. Oft wechseln sie bei der Metamorphose, die nur an bestimmten Stellen möglich ist, die Größe und damit die Position im Stapel. Viele Fähigkeiten sowie nahezu alle Attributboni nehmen sie dabei mit, aber jede Form hat exklusive Angriffe oder Eigenschaften. Zusätzlich gibt es besonders mächtige Meisterfähigkeiten, für die das Wesen zunächst alle anderen erlernen muss.

Einige Monster besitzen eine XL-Ausprägung, die in keinen Stapel passt und stattdessen ähnlich funktioniert wie Beschwörungen in anderen Final Fantasy Games: Das übergroße Monster ersetzt alle vorhandenen Kämpfer im Heldenteam und besitzt typischerweise nur wenige, aber sehr mächtige Fähigkeiten sowie eine große Widerstandskraft.

Die Kombination dieser taktischen Möglichkeiten beschert den Spielern prinzipiell eine äußerst interessante Grundlage für die zahlreichen Kämpfe, die wie in jedem Final Fantasy den Verlauf begleiten. Übrigens starten fast alle Auseinandersetzungen als Zufallsbegegnungen, eine weitere Hommage an die früheren Ableger der Serie. Ein Manko ist jedoch, dass die meisten Kämpfe schlicht zu einfach sind und so die Spieler die taktischen Feinheiten nicht ausreizen müssen und können.

Wiedersehen macht Freude

Neben dem weitgehend auf Retro Gamer abzielenden Kampfsystem bedient "World of Final Fantasy" die Fans der Serie mit zahlreichen Begegnungen mit alten Bekannten. Dabei mag sich mancher am Chibi-Animationsstil stören, der die Figuren ähnlich verniedlicht wie die Protagonisten der Lego-Spiele. Das führt gleichzeitig zu einer Gleichberechtigung, weil die Helden der frühen Titel dieselbe grafische Gestaltung haben wie die HD-verwöhnten Charaktere aus Final Fantasy XIII.

Viele der bekannten Serienhelden helfen den beiden Zwillingen, die gelegentlich einen von ihnen rufen können. Allerdings kämpfen die sogenannten Erlöser nicht normal mit dem Team, sondern unterstützen das Team beispielsweise mit Heilzaubern. Als Gegenleistung gibt es optionale Nebenschauplätze, an denen Reynn und Lann Stellvertreterkämpfe für die Veteranen führen und dafür mit Gegenständen oder dem Zugang zu exklusiven Miragen belohnt werden.

World of Final Fantasy: Der Ort Cornelia aus dem ersten Final Fantasy

Neben bekannten Charakteren besucht das Team die wichtigsten Schauplätze der Serie wie Nibelheim mit zugehörigem Mako-Reaktor aus "Final Fantasy VII". Die Orte entsprechen aber weder optisch noch vom Grundriss her den Originalen. Die unterschiedlichen Regionen im Verlauf von "World of Final Fantasy" sind übrigens ebenso geradlinig aufgebaut wie die Hauptgeschichte. Zwar gibt es vereinzelte Nebenquests, aber offene Regionen zum Erkunden suchen Spieler vergebens.

Die Rahmenhandlung erfüllt ihren Zweck und kann nicht mit den epischen Highlights der Hauptserie mithalten. Dabei bietet es reichlich Inhalte: Wer sich zügig durch die Story kämpft, hat das Spiel zwar in weniger als 50 Stunden durch. Wer jedoch alle gut 200 Miragen fangen will, kann durchaus doppelt so viel Zeit mit "World of Final Fantasy" verbringen. Nach dem Abspann warten zudem zusätzliche Herausforderungen mit neuen Dungeons und Stellvertreterkämpfen.

Final-Fantasy-Fans finden in "World of Final Fantasy" einen wunderschönen Spaziergang durch die Seriengeschichte. Das Retro-Kampfsystem werden sie ebenso lieben wie die zahlreichen Gastauftritte "ihrer" Helden. Das Sammeln der Miragen ist gut integriert und bietet jedem die Möglichkeit, das persönliche Dream-Team aus den Lieblingsmonstern der Serie zusammenzustellen. Der geradlinige Aufbau des Spiels sowie die zu leichten und auch auf schnellster Stufe (plus Beschleunigungstaste) gelegentlich zäh verlaufenden Kämpfe trüben das Vergnügen ein wenig.

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