Neun Wege, die US-Wahlen zu manipulieren
Für The Intercept listet Jon Schwarz Methoden auf, mit denen die Abstimmung am Dienstag beeinflusst wird - zu Lasten von Minderheiten
Am Vortag der Präsidentschaftswahlen in den USA kursieren zahlreiche Statistiken im Web: Welche Bundesstaaten wie wählen, in welchen das Resultat auf der Kippe steht, wie Männer wählen, Frauen, Weiße, Farbige, gut oder schlecht Gebildete. Tatsächlich werden bei der Abstimmung heute vor allem marginalisierte Gruppen benachteiligt, nicht die aussichtsreichsten Kandidaten Hillary Clinton und Donald Trump, die zum US-Establishment gehören. Jon Schwarz hat beim Online-Portal The Intercept neun Methoden ausgeführt, "mit denen die US-Wahlen manipuliert werden und über die kaum diskutiert wird".
1. Wähler müssen sich anmelden, um ihre Stimme abgeben zu können
Zwischen einem Viertel und einem Drittel der volljährigen US-Amerikaner, bis zu 50 Millionen Menschen, sind theoretisch zwar wahlberechtigt, sind aber nicht in den Wählerregistern eingetragen.
"Das ist lächerlich", kommentiert Schwarz: "Warum müssen erwachsene (US-)Amerikaner eine Hürde überwinden, um sich selbst regieren zu können?" Die nichtregistrierten Erwachsenen seien statistisch betrachtet jünger, ärmer und nicht so weiß wie registrierte Wähler. Würden sie abstimmen, gingen ihre Stimmen wohl an progressive Kräfte.
2. Die Wahlen finden an einem Arbeitstag statt
Viele US-Bundesstaaten bieten zwar das sogenannte early voting an, also die Möglichkeit, die Stimme vor dem Wahltermin persönlich abzugeben. In einigen Landkreisen im Bundesstaat Wisconsin etwa konnten Wahlberechtigte schon seit dem 19. September wählen. Andere Bundesstaaten wie Minnesota und New Jersey öffneten am 23. September die Wahllokale.
"Auch wenn die Option zur frühen Stimmabgabe besteht, sind die Regeln überall unterschiedlich und ändern sich oft", so Schwarz. Der in den Vorwahlen unterlegene Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, Bernie Sanders, hatte vorgeschlagen, den Wahltag zum landesweiten Feiertag zu machen.
3. Wahlkreisschiebung und geografische Aspekte
Im Jahr 2012 hatte eine knappe Mehrheit der US-Amerikaner bei der Kongresswahl für die Kandidaten der Demokratischen Partei gestimmt. Dennoch errangen die konkurrierenden Republikaner mit 54 Prozent eine Mehrheit im Parlament.
Dies habe, so Schwarz, an dem sogenannten gerrymandering gelegen, der politisch motivierten Grenzziehung bei der Festlegung von Wahlkreisen. Ein anderer Grund ist der Umstand, dass sich in der urbanen Mittelschicht viele Anhänger der Demokraten finden, sie also in dicht bevölkerten Städten leben. Die vor allem auf dem Land verankerten Republikaner können damit tendenziell mehr Wahlkreise für sich gewinnen, auch wenn sie weniger bewohnt sind.
Laut The Intercept setzen Republikanisch kontrollierte Wahlbehörden darauf, wahrscheinliche Demokratische Wähler über Computermodelle so wenigen Wahlkreisen wie möglich zuzuordnen. "Computer könnten aber auch dazu genutzt werden, faire Wahlkreise zu schaffen", so Schwarz.
4. Verurteilte Straftäter verlieren ihr Wahlrecht
6,1 Millionen US-Amerikaner können am morgigen Dienstag nicht wählen, weil sie strafrechtlich verurteilt wurden. 2,2 Millionen von ihnen sind Afroamerikaner.
In den Bundesstaaten Florida, Kentucky, Tennessee und Virgina sind mehr als ein Fünftel der Wähler von daher von der Abstimmung ausgeschlossen.
5. Unterdrückung von Wählerstimmen
Schwarz zitiert Paul Weyrich, einen der Gründerväter der heutigen konservativen Bewegung in den USA. Weyrich hatte 1980 offenherzig erklärt: "Ich möchte nicht, dass jeder seine Stimme abgibt. (...) Unser Einfluss bei den Wahlen geht, ehrlich gesagt, in dem Maße nach oben wie die Wählerschaft abnimmt." Republikaner hätten sich dieses Motto über Jahrzehnte hinweg zu Herzen genommen und die Wählerregister ausgedünnt, auch vor der aktuellen Abstimmung.
"Juraprofessor Bobby Kennedy Jr. und ich schätzen, dass insgesamt etwa sechs Millionen Stimmen verloren gehen, weil sie nicht gezählt oder Wähler von der Stimmabgabe abgehalten werden", sagte dazu im Telepolis-Interview der Investigativ-Journalist Greg Palast: "Die meisten von ihnen sind Arme, Afroamerikaner, oder Menschen lateinamerikanischer oder asiatischer Herkunft, mit anderen Worten, vor allem Wähler der Demokratischen Partei." ("In den USA gehen sechs Millionen Stimmen verloren")
6. Keine umgehende Stichwahl
Durch eine umgehende Stichwahl (Instant-runoff voting) könnten Anhänger dritter, kleiner Parteien in der ersten Runde ohne Angst ihre Stimme abgeben, dem ihnen weniger zusagenden Kandidaten indirekt in die Hände zu spielen.
In einem der entscheidenden swing states, in denen sich Demokraten und Republikaner die Waage halten, würde ein Anhänger der Kandidatin Jill Stein am morgigen Dienstag Trump nutzen, wenn er die Grünen-Politikerin wählt - weil diese Stimme dem Demokraten im Zweifelsfall fehlen würde.
7. Der US-Senat
Der US-Senat verstärkt die Macht kleiner Bundesstaaten erheblich. Das von den Republikanern geprägte Wyoming mit einer Bevölkerung von nur gut 582.000 Menschen entsendet zwei Senatoren nach Washington. Das von den Demokraten dominierte Kalifornien mit 38 Millionen Menschen hat ebenfalls zwei Senatoren - obwohl dort 66 Mal mehr Menschen leben.
8. Über die Zentralbank wird nicht abgestimmt
"Die US-Wirtschaft gleicht einem Auto mit zwei Gas- und zwei Bremspedalen", schreibt Schwarz: "Der Kongress kontrolliert ein Paar, aber die Zentralbank (Federal Reserve) kontrolliert das andere Paar."
Die sieben Mitglieder des Leitungsgremiums werden von Präsidenten für jeweils 14 Jahre benannt. Das parallele Bundeskomitee für den Offenen Markt (Federal Open Market Committee), das über Zinsraten entscheidet, wird von den sieben Führungsmitgliedern und fünf Bankenvertretern gebildet. Die Banken haben damit einen demokratisch nicht legitimierten direkten Einfluss.
9. Die USA der Konzerne sind mächtiger als alle Politiker
John Dewey, einer der wichtigsten pro-demokratischen Philosophen der modernen USA, hatte 1931 geschrieben: "Politik ist der Schattenriss, den das Big Business auf die Gesellschaft wirft."
Dies habe sich zuletzt 2008 in den Rettungspaketen für die Wall Street gezeigt, argumentiert Schwarz. Die großen Banken konnten der US-Wirtschaft nicht nur in einem Maße schaden, wie das keinem Politiker hätte gelingen können. "Sie konnten die Politik ohne große Mühe an die Leine legen und sie zu Hilfen zwingen, die sich am Ende auf Billionen US-Dollar summierten." Sinkende Steuersätze für transnationale Konzerne seien nun auch von Hillary Clinton und Donald Trump zu erwarten, so Schwarz, der trotz der deprimierenden Liste dennoch an seine Leser appelliert: Geht wählen!"
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