Nicht anerkannte Kopimisten und ein erlaubtes Nudelsieb
Neues aus der Welt der Religion
2007 stellten wir im Interview mit Jan Huwald von der Piratenpartei fest, dass ein Verbot zur Weitergabe von Information Gewissenskonflikte auslösen kann, und fragten, ob es zum Schutz der eigenen Glaubensüberzeugungen nicht besser wäre, eine "International Church of Information Sharing" zu gründen, als eine Partei, weil Religionsgemeinschaften vom Grundgesetz weit umfassender geschützt sind als Parteien. Ein durch religiöse Überzeugungen hervorgerufener Gewissenskonflikt muss sogar in die Beurteilung der Strafbarkeit einer Handlung mit einbezogen werden.
Drei Jahre später tauchte eine schwedische Gruppe namens Missionerande Kopimistsamfundet (Missionierende Kirche des Kopimismus) auf. Kern dieser neuen Religion ist die Wertschätzung des Kopierens (einschließlich des Remixens) als Tugend. Der Kopierte soll sein Kopiertwerden den Glaubensgrundsätzen der Kirche nach als Ehre wertschätzen, weil es ein Zeichen dafür ist, dass das, was er schuf, gut ist. Und die Geheimhaltung von Quellcode wird als verbotswürdige Verfehlung verdammt und sogar mit Sklaverei verglichen.
Für einen Beitritt zum Kopimismus reicht der Aufruf der Website, das Zustimmen zu den Grundsätzen und das Kopieren des Kirchenlogos - einer an das KLF-Zeichen erinnernden Pyramide. Weitere Symbole der Religion sind die Tastenkombinationen Strg+V und Strg+C. Als Sprecher des Kopimismus fungiert der Philosophiestudent Isaac Gerson aus Uppsala. Er entgegnet auf den Vorwurf, seine Religion sei bloß ein Umweg, um Filesharing ungefährlicher zu machen, dass es tatsächlich die Manager und Lobbyisten der Medienindustrie seien, die nicht wirklich an die Richtigkeit dessen glauben, was sie erzählen, und ihre Forderungen nur deshalb vorbringen, weil sie ihren Profiten dienlich sind.
Allerdings hofft Gerson in der Tat darauf, den in § 1 des Kapitels 2 der schwedischen Verfassung festgeschriebenen besonderen Schutz der Religionsausübung für sich und seine Glaubensbrüder in Anspruch nehmen zu können. Dazu muss er allerdings die offizielle Zulassung als Religionsgemeinschaft erwirken. Ein erster Antrag scheiterte im März letzten Jahres deshalb, weil man den Treffen der Kopimisten nicht genug Gebets- beziehungsweise Meditationscharakter zubilligte, der amtlicherseits als Voraussetzung für eine Anerkennung verlangt wird. Allerdings lassen sich solche Formalien leicht ändern, was die Missionierende Kirche des Kopimismus auch machte. Trotzdem bekam sie jetzt ein zweites Ablehnungsschreiben, dem Gersons Ansicht nach eine valide Begründung fehlt.
Möglicherweise hätte eine Sekte, die sich auf christliche Glaubensgrundsätze bezieht, bessere Chancen auf Anerkennung. Bezüge in den (von Gott unter eine Art Proto-Creative-Commons-Lizenz gestellten) Evangelien gibt es dafür genug: Da wird beispielsweise der Messias unter anderem deshalb angeklagt, weil er ungenehmigt Fische und Brot vermehrt (also kopiert) hat und weil er angeblich Händler aus dem Tempel vergrault - einem Ort der sich nicht nur (wie in der traditionellen Exegese) gut mit dem Körper, sondern noch besser mit dem Internet vergleichen lässt. Und weil diese Anklagepunkte etwas dünn sind, schiebt eine Gruppe von Lobbyisten mit finanziellen Interessen im Tempel schnell ein paar Staatssicherheitsargumente vor und präsentiert sie der Judikative (Pilatus) die den Lobbyisten entgegen besseren Wissens und Gewissens nachgibt und Jesus einer sadistischen Exekutive übergibt.
Mehr Erfolg als die Kopimisten hatte diese Woche der Wiener Niko Alm. Der 35-Jährige ist Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien und Initiator einer Volkspetition gegen Kirchenprivilegien. Weil es ihn ärgerte, dass für Religiöse eine Ausnahme vom Kopfbedeckungsverbot bei Führerscheinfotos gemacht wird, setzte er sich für seines kurzerhand ein Nudelsieb auf und machte geltend, dass dies seine Pflicht als Anhänger des Glaubens an das Fliegende Spaghettimonster sei, einer absichtlich bizarren Religionsparodie, mit der ihr Gründer Bobby Henderson auf die Absurdität kreationistischer Vorstellungen hinweisen wollte. Nach einer amtsärztlichen Untersuchung vom Alms Geisteszustand und einer längeren Wartezeit akzeptierte die Wiener Bundespolizeidirektion das Foto schließlich – aber nicht als religiöse Ausnahme, sondern deshalb, weil "das Gesicht frei erkennbar" ist.
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