Nicht einmal eine symbolische Strafe für Defizitverstöße Spaniens und Portugals
Spanien bekommt sogar von der EU-Kommission erneut zwei Jahre Zeit für den Defizitabbau, doch Portugal ist weiter entsetzt über eine "wenig freundliche" Behandlung
Bevor die EU-Kommission am Mittwoch über die Sanktionen wegen Defizitverstößen gegen Spanien und Portugal entschieden hat, wurde schon aus Brüssel korrekt berichtet, Spanien werde erneut bevorzugt behandelt. Hatte die Kommission dem Land schon bis 2016 ein Jahr mehr Zeit als Portugal eingeräumt, um das Haushaltsdefizit auf das Stabilitätskriterium von 3% des Bruttosozialprodukts (BIP) zu drücken, soll es nun sogar bis 2018 weitere zwei Jahre dafür erhalten. Das hatten verschiedene Medien mit Bezug auf Quellen in der Kommission übereinstimmend berichtet.
Und nun werden erneut sogar überhaupt keine Strafen wegen der Defizitverstöße verhängt, hieß es bereits in spanischen und portugiesischen Medien. Vizepräsident Valdis Dombrovskis hat die Entscheidung mit einer anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage in beiden Ländern begründet. So gab es nun doch in Brüssel noch einmal eine überraschende Veränderung, da die Strafen ganz ausgesetzt wurden.
Eigentlich ging man bisher davon aus, dass zwar erstmals Strafen ausgesprochen, aber nur "symbolisch" sein würden. Eigentlich hätten Strafzahlungen in Höhe von 0,2% des BIP verhängt werden können. Das wären im Fall von Spanien gut 2,1 Milliarden Euro und im Fall Portugals etwa 360 Millionen Euro. Doch auch der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hatte längst gefordert, diese Strafzahlung möglichst auf "null" zu setzen.
Möglich wurden die Veränderungen, weil im Fall Spaniens auf dem Treffen der G20-Finanzminister am Wochenende im chinesischen Chengdu auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dafür geworben hatte, die Strafe auf "null" zu senken. Dafür müsse das Land "vor Jahresende neue Maßnahmen beschließen", zitierte El Mundo Schäubles "private" Äußerungen. Da Deutschland als treibende Kraft hinter Sanktionen stand, war dies für die konservative Zeitung von "entscheidender Bedeutung". Tatsächlich soll Spanien jetzt 2016 das Defizit nur auf 4,6% senken, 2017 auf 3,1% und erst 2018 muss das Land die Stabilitätsmarke wieder unterschreiten. Was Spanien eigentlich schon in diesem Jahr hätte erreichen müssen, wird in spanischen Medien nun als "sehr harte Ziele" bezeichnet.
Es werde so Druck auf eine schnelle Regierungsbildung gemacht, heißt es. Es dürfte sich also um eine Unterstützung der konservativen Volkspartei (PP) und für den bisherigen Regierungschef Mariano Rajoy handeln. Rajoy hat zwar die Neuwahlen im Juni gewonnen, doch wie nach den Wahlen im Dezember fehlen der PP Unterstützer (Verzweifelte Regierungsbildung in Spanien), da die Partei in viele Korruptionsskandale verstrickt ist. Um die Wahlaussichten von Rajoy nicht zu verschlechtern, war sogar die Entscheidung über die Sanktionen nicht vor den Wahlen getroffen worden, sondern sie wurde auf die Zeit danach vertagt, um eine Linksregierung wie in Portugal zu verhindern.
Portugal fühlte sich massiv ungerecht behandelt, denn Schäuble geht stets hart mit dem kleinen Land und seiner sozialistischen Regierung ins Gericht, da diese den Austeritätskurs aufgekündigt hat, Löhne und Renten anhebt oder Steuern senkt. Gegenüber der Zeitung Publico sprach der Regierungschef António Costa nun von einer "wenig freundlichen Behandlung". Kürzlich hatte Schäuble sogar behauptet, Portugal müsse bald ein neues Rettungsprogramm beantragen. Und der deutsche Chef des Rettungsschirms (ESM) sekundierte. Klaus Regling sorgte ebenfalls für Empörung in Portugal, als er erklärte: "Das einzige Land, das mir Sorge macht, ist Portugal."
In Lissabon ist man nachhaltig verärgert und Regierungschef António Costa kündigte mit Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei einer Strafe schon eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an. Auch das dürfte dazu beigetragen haben, dass auch Portugal nicht zu einer Strafzahlung verurteilt wird. Unklar ist noch, was die Aussetzung von Geldern aus EU-Fonds angeht, die eigentlich mit Sanktionen einhergehen sollten. Doch auch hier wurde eine Entscheidung vertagt, sie soll erst nach der Sommerpause fallen (Strafen gegen Spanien und Portugal in Vorbereitung).
Jedenfalls versteht die Linksregierung in Portugal nicht, warum durch Sanktionen der erfolgreiche Erholungskurs behindert werden sollte. Anders als Spanien hätte Portugal schon 2015 sein Defizit fast auf die Stabilitätsgrenze gesenkt, hätte nicht eine von der EU-Kommission genehmigte Bankenrettung dann doch zu einem Verstoß geführt. Doch das Land garantiert glaubhaft, 2016 das Defizit auf 3% zu senken, wofür Reserven angelegt wurden.
Spanien nimmt dagegen niemand ab, es könne das Defizit auch nur 2017 wieder auf die Stabilitätsmarke senken. Es lag 2015 mit 5,1% ohne Bankenrettung weit über allen Zielen, die Rajoy auch in keinem einzigen Jahr eingehalten hat. Gerade hatten die unabhängigen Haushaltsaufseher (AIReF) berechnet, 2016 werde das Defizit bei 4,7% liegen. Weil Rajoy die Austerität nicht in Frage stellt, bekommt Spanien erneut mehr Zeit, obwohl es das Land mit dieser Politik trotz eines stabilen Wachstums nicht schafft, sein Versprechen einzuhalten.
Letztlich brachte es der frühere portugiesische Regierungschef Pedro Passos Coelho auf den Punkt. Portugal werde für "aktuelle Vorgänge" und nicht für die Vergangenheit bestraft. "Viele europäische Regierungen zweifeln", weil "wichtige Reformen zurückgedreht" würden, die der Konservative eingeleitet hatte. Costa handle "unverantwortlich". Dabei hat Coelho der Linksregierung das Bankenproblem als faules Ei hinterlassen. Die Konservativen schoben es vier Jahre unter Troika-Aufsicht nur hinaus.