Nichts gelernt oder böse Absicht?
Patent Box und Knowledge Development Box - die nächsten Wundertüten für Steuertricks
Der weltweite Steuersenkungswettbewerb ist inzwischen in der Region von 1 % angekommen und damit ganz offensichtlich am Ende der Abwärtsspirale. Zu den maßgeblichen europäischen Treibern in diesem Spiel zählt neben den Niederlanden und Luxemburg die Republik Irland. Auch in der Finanzkrise hatte man bislang auf der grünen Insel die Steuervorteile für die Großkonzerne eisern verteidigt. Auf Druck der OECD kommt jetzt ein wenig Bewegung in das Spiel.
Die irische Regierung hat verkündet, dass sie das seit Jahren etablierte System des Double Irish aufgeben will - zumindest in Zukunft, also für Unternehmen, die das Prinzip erst ab 2015 nutzen wollten. Für alle, die jetzt schon in den Genuss von Double Irish kommen, gilt eine Besitzstandsgarantie bis 2020. Mit einem Vorlauf bis zum Jahresende dürfte so manches Unternehmen noch rechtzeitig auf den Zug aufspringen.
Ihre niedrigen Unternehmenssteuern begründet die irische Regierung mit 160.000 Arbeitsplätzen bei den steuerlich begünstigten Unternehmen. Deshalb will man neben dem niedrigen Unternehmenssteuersatz von 12,5 % (der nicht zur Diskussion steht) auch künftig nicht wirklich die Finger von den Steuertricks lassen.
Mit der aktuellen Corporation Tax Reform will man weiterhin sicherstellen, dass Irland eine Heimat für die besten und weltweit erfolgreichsten Unternehmen bleibt und sich gegen seine Wettbewerber bei der Unternehmensansiedelung durchsetzt.
Irland ist dringend auf Auslandsinvestitionen angewiesen. In der Vergangenheit konnte das Land vielfach den geforderten Eigenanteil für Projekte, die von der EU gefördert wurden, nicht aufbringen, so dass diese Projekte nur realisierbar waren, wenn Brüssel die Finanzierung voll übernahm.
Vor diesem Hintergrund ist es durchaus nachvollziehbar, dass man in Dublin fast um jeden Preis nach Investoren angelt. Und nachdem klassische Produktionsbetriebe dem Druck der Fertigungsmöglichkeiten in Fernost nicht standhalten konnten, lernte man im Kampf um die besten Standortvorteile, dass man auch mit ungewöhnlichen Steueroptionen Betriebe anlocken kann.
Welchen Nutzen haben die Unternehmen von den Steueroptimierungen?
Dass Unternehmen ihre Steuerlast gezielt reduzieren wollen, ist beleibe keine neue Entwicklung. So schrieb der Spiegel schon vor fast 40 Jahren, am 20.09.1976:
Wirtschaftsexperten deckten versteckten Gewinntransfer und phantastische Verrechnungsgewinne vom Rohstoff zur Fertigware auf, bei dem Bestseller-Herzmittel Persantin zum Beispiel von 200 Mark auf am Ende 45.400 Mark je Kilogramm.
Auch wenn solche Gewinntransfers durch optimierte Transferpreise heute beispielsweise im Bereich des Handels mit China noch immer genutzt werden (da man die Gewinne so am leichtesten außer Landes schaffen kann), ist die Spur einer Lieferung vergleichsweise leicht zu verfolgen. Deutsche Autobauer in China mussten dies im Zusammenhang mit der chinesischen Kritik an den Ersatzteilpreisen gerade bitter zur Kenntnis nehmen.
Viel einfacher und auch schwerer zu verfolgen sind die konzerninternen Transfers im Bereich des "geistigen Eigentums" wie Warenzeichen oder Patentlizenzierungen. Und genau hierfür will die irische Regierung jetzt offensichtlich neue Werkzeuge anbieten:
Die Option, für Neugründungen die Unternehmenssteuer für die ersten drei Jahre auszusetzen, ist dabei nur von marginalem Interesse, da man hierbei im Wettbewerb mit anderen Ländern steht, die 15 Jahre Tax Holiday anbieten und mit viel niedrigeren Lohnkosten punkten können. Erfolgversprechender ist daher der Weg, den Großbritannien einschlug:
Dort hat man eine sogenannte Patent Box eingeführt. Dabei können Unternehmen, die Patente nutzen, die bei ausgewählten Patentämtern angemeldet wurden, von massiven Steuervorteilen profitieren. Begünstigt werden dabei praktisch alle Einnahmen, die einem entsprechend registrierten Patent zugeschrieben werden können, einschließlich der Strafzahlungen aus Patentverletzungen.
Ein Ziel dieser Steuermäßigungen soll es sein, patentfähige Entwicklungen ins Land holen. Da die jeweiligen Patente auch von Dritten zugekauft werden können, scheint die Förderung von Entwicklungen jedoch eher ein Vorwand zu sein, um die Patent Box schön zu reden. Vorgeblich Erfinder will man belohnen, die ihre Entwicklungen in eine solche Box beim zuständigen Finanzamt einbringen und dann kräftige Steuerrabatte erhalten.
Die Regelung hilft aber auch multinationalen Konzernen, die Patente und Lizenzen eigenständig bewerten und über die Ländergrenzen verschieben können. Und weil die Entwicklung von Steuervorteilen nicht zuletzt davon profitiert, dass sie sich nicht sofort als offensichtlich erkennen lassen, verpasst man dem irischen Modell einen anderen Namen.
Da man in Irland inzwischen auch erkannt hat, dass die Investitionen in Fertigungseinrichtungen wie Fabriken und Maschinen zurückgehen und dafür stärker in wissensbasiertes Kapital investiert wird, will man derartige Investitionen begünstigen und plant daher eine "Knowledge Development Box". Diese Box soll natürlich die beste ihrer Art werden und sich durch einen niedrigen und wettbewerbsfähigen Steuersatz auszeichnen. Damit will Irland auch in der kommenden Dekade für multinationale Unternehmen, die ihre Steuerlast minimieren wollen, interessant bleiben.
Wer kommt für die Finanzierung der öffentlichen Hand auf, wenn die Konzerne sich aus dem Staub machen?
Den Preis für die Steuersparmodelle zum Nutzen der multinationalen Konzerne müssen auch in Irland die normalen Bürger bezahlen. So beträgt die reguläre Umsatzsteuer (VAT) 23, der ermäßigte Satz 13,5 und ein zweiter ermäßigter Satz 9 %. Und auf Druck der EU wurde in Irland, wo Trinkwasser seit Generationen meist kostenlos verfügbar war, ein Wasserzins eingeführt, der für manche privaten Haushalte kaum zu bezahlen war und daher jetzt auf Antrag aus Steuermitteln subventioniert werden soll.
Die zunehmende Verlagerung der Steuerlast auf die Bürger (welche diese nicht so leicht abschütteln können), die gezielte Steueroptimierung durch US-amerikanische Konzerne wie Apple, Amazon oder Google und die erkennbare Entwicklung von Unternehmensfusionen, die beispielsweise Pfizer oder Chiquita aus der US-amerikanischen Steuerpflicht herausgebrochen hätten, haben die OECD auf den Plan gerufen, wo man den Base Erosion and Profit Shifting Aktionsplan (BEPS) zur Bekämpfung gemeinschädlicher Steuersparmodelle ins Leben gerufen hat, um die internationale Steuergerechtigkeit zu verbessern.
Deutschland fährt im Falle der Patent Boxen offensichtlich zweigleisig: Einerseits will man verhindern, dass andere Länder mit niedrigen Steuersätzen internationale Investoren anlocken, die dann als Investoren in Deutschland nicht mehr verfügbar sind und verkündet "Patentboxen sind eines der größten Steuerprobleme in Europa". Andererseits überlegt man, eine eigene deutsche Patent Box zu etablieren, die jedoch nur hierzulande entwickelte Patente berücksichtigten soll. Die Bewertung, was hierzulande entwickelt wurde, dürfte jedoch nicht so leicht fallen.
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