Niedergang der Linken: Die Partei als Ruine
Seite 2: Die Rechte in den vormaligen Industriehochburgen und die norwegische Alternative
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Die zugespitzten Thesen von Sahra Wagenknecht nützen der Partei kaum - sie provozierten unnötigen Streit im Wahljahr. Doch wer meint, allein Sahra Wagenknecht wäre an der Misere der Sozialisten schuld, irrt gewaltig. Im Gegensatz zu manch anderem macht sie sich über die Krise der Sozialdemokratie und den Aufstieg der Rechten wenigstens vertiefte Gedanken.
Wagenknecht knüpft explizit an die internationale Debatte um den Rechtsruck an. Sie will die verlorenen Arbeiter von der AfD zurückholen und knüpft damit bewusst an viele Themen der Rechten an. Letztlich ist bei der AfD nicht viel zu holen, weil es eher konservative Arbeiter oder Jüngere ohne Parteibindung sind, die die AfD anspricht.
Wichtiger wäre es die vielen ehemaligen Wählerinnen und Wähler der SPD gerade in diesen Gebieten zu gewinnen, statt die klare Abgrenzung nach rechts und damit das eigene Profil aufzuweichen. Und hier ließe sich tatsächlich etwas von den internationalen Diskussionen lernen.
Der Fokus auf die abgehängten, deindustrialisierten Regionen im Land - in denen die AfD gute Ergebnisse holt, kann trotzdem richtig sein. Hier gibt es auch die meisten Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Nicht der schrumpfende Osten entscheidet über die Zukunft der Linkspartei. Weder die CDU, noch die SPD vermögen es im Osten, im Ruhrpott und vielen alten Hochburgen der Arbeiterbewegung zu punkten - von Mannheim bis Dortmund.
Mit einem ähnlichen Kurs hat die stramm linke Partei Rödt zuletzt in Norwegen einen viel beachteten Sieg errungen. Dazu gehören eine linkspopulistische Ansprache, mehr Zuspitzung und ein Fokus auf soziale Themen und auch mehr Mut zur regionalisierten Ansprache. Die Menschen Bitterfeld ticken beim Klimathema eben anders als in Berlin.
Ampel oder Jamaika?
Doch um es mit der Ruhrpottlegende Adi Preißler zu sagen: "Grau ist im Leben alle Theorie - aber entscheidend ist auf dem Platz". In der Auseinandersetzung mit der kommenden Regierung muss sich der Wert der Linken neu erweisen. Während der Wahlkampf sich auf Nickeligkeiten wie das falsche Lachen von Armin Laschet im Hochwassergebiet konzentrierte statt auf den Elefanten im Raum, nämlich die Kosten der Coronakrise, wird das bei kommenden Koalitionsverhandlungen rasend schnell zum Thema werden.
Ob Klimaschutz oder Krisenkosten - beides wird massiv Geld verschlingen und sowohl die Grünen als auch die SPD haben dazu kaum Finanzierungsvorschläge gemacht. Kommt die Jamaika-Koalition werden die Kosten des Klimawandels mit großer Sicherheit über Gebühren und Steuern auf die Mehrheit der Bevölkerung abgewälzt.
Das wird große Auseinandersetzungen und viel Unmut provozieren. Die Linke kann und muss dann gegen unsoziale Massensteuern auftreten - übrigens auch aus ökologischen Gründen. Wer Klimaschutz gegen die Mehrheit macht, nützt dem Menschheitsanliegen Klimaschutz null komma null. Das wird umso schwerer, weil die Fraktion sämtliche profilierte Klimapolitiker mit der Wahlniederlage verloren hat.
Einfacher wäre daher sicher eine Ampel. Die SPD kann die Linkspartei auf dem sozialen Feld sehr viel leichter stellen. Die SPD muss als stärkste Partei wenigstens ein paar ihrer sozialen Forderungen umsetzen - mit viel weniger Geld im Haushalt. Sie kann und muss damit scheitern – erst recht mit einem möglichen FDP-Finanzminister Christian Lindner.
Zu wenig Beachtung findet bislang auch der sich verstärkende Fachkräftemangel. Weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt führt früher oder später zu erhöhtem Selbstbewusstsein bei den Beschäftigten. Wenn es dann zu stärkeren Auseinandersetzungen kommt, muss Die Linke endlich ihre Scheu vor einer aktiven Betriebspolitik ablegen und stärker in und mit den Gewerkschaften der Regierung für soziale Reformen Druck machen.
Das gute Ergebnis der Sozialdemokratie täuscht über ihren Zustand hinweg. Ganze 48 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben an, die SPD nur wegen Olaf Scholz zu wählen. Vor allem in den alten SPD-Hochburgen konnte diese Kanzlerwahl überproportional viele Alte an die Urnen bewegen.
Bei den Jungen aber hat die SPD weiter verloren. Ihr Wahlsieg zehrt ganz vom Glanz der Vergangenheit. Die Linke mag bei den Wahlen am Sonntag zu Boden gegangen sein, k.o. ist sie nicht. Viele weitere Chancen wird sie aber nicht bekommen; dafür ist sie zu angeschlagen.
Janis Ehling ist Mitglied des Parteivorstand der Linken. Als Doktorand forscht er zu linken Parteien und Klassenentwicklung in Europa.