Niedergang der Linken: Die Partei als Ruine
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Linkspartei als parlamentarische Kraft fast k.o. gegangen. Ergebnis angesichts struktureller Probleme nicht überraschend. Im Osten verlieren die Sozialisten, im Westen sind sie nie richtig angekommen. Ein Gastbeitrag
Besonders bitter für die Linkspartei ist das Abschneiden der AfD im Osten. Die AfD holte im Süden der neuen Bundesländer beinahe jedes Direktmandat. Bei der Frage nach der Partei, "die am ehesten die Interessen des Ostens vertritt", liegt die AfD mittlerweile leicht vor der LINKEN. Dabei kam 2005 noch über die Hälfte der Stimmen der Linkspartei aus dem Osten.
Doch das ist längst Vergangenheit. Mit 8,5 Prozent erreichte die Partei in Brandenburg ihren absoluten Tiefstwert (2009: 28,5 Prozent). Die vormalige Herzkammer der Linken im Osten blutet aus. Das ist mehr als bildlich zu verstehen. Bei jeder Wahl sterben 10 bis 15 Prozent der Mitglieder und Wähler im Osten buchstäblich weg – fast ohne Ersatz.
Die Linke im Osten nimmt das reglos zur Kenntnis. Ihr Niedergang liegt nur zum Teil an der AfD. Der andere Teil ist hausgemacht. Die Stimmenverluste an die AfD sind überschaubar. Bei der Bundestagswahl 2017 verlor sie mit elf Prozent die meisten Wähler an die Rechtspartei - weniger als an die Friedhöfe im Osten.
Ein weitaus größeres Problem ist die inhaltliche Auszehrung der Partei, die durch das Aufkommen der AfD sichtbar wurde. Seit die AfD im Osten bei Wahlen antritt, konzentrieren sich die Mainstreammedien mit ihrer Kritik ganz auf die AfD. Das war vor 2013 noch anders. Vor jeder Wahl tauchten "Enthüllungsberichte" und die x-te Neuauflage der Stasivorwürfe an Gregor Gysi auf. Paradoxerweise nützte dieser mediale Shitstorm der LINKEN und heute eben der AfD. DIE LINKE war damit Protestpartei.
Viele ihrer Mandatsträger hingegen versuchten dieser Stimmungsmache durch guter Sacharbeit zu begegnen. Sie mieden die Zuspitzung und die Kontroverse. Viele passten sich an. Der beste Ausdruck dieser Anpassung waren unzählige Regierungsbeteiligungen mit überschaubaren Erfolgen. Mittlerweile ist unklar, wofür Die Linke im Osten eigentlich noch steht. Die Partei braucht daher dringend ein eigenständigeres Profil.
Der vergessene Architekt der Agenda 2010
Tatsächlich punktete die SPD mit sozialen Wahlkampfthemen. In den letzten Jahren kehrten Teile der Partei wirtschaftsliberalen Vorstellungen den Rücken. Sichtbarer Ausdruck davon war eine Erhöhung des Mindestlohns, kleine Rentenreformen und eine Abkehr von Schuldenbremse in der Großen Koalition. Das motivierte viele, vorwiegend ältere Wähler, diesmal taktisch die SPD zu wählen.
Aber selbst diese taktische Wahl ist ein Problem für Die Linke. Der Protest gegen die Agenda 2010 gehört zum Gründungsmythos der Linken und anscheinend trägt dieser nicht mehr. Die Strahlkraft der sozialen Forderungen der Linken reichte in diesem Wahlkampf daher schlicht nicht aus.
Schon Anfang der 2010er-Jahre war die Linkspartei in einer ähnlichen Krisensituation. Die Umfragewerte sanken mit dem Aufschwung der Konjunktur nach der Finanzkrise 2009 und 2010 massiv ab. Schon damals schien die Partei am Ende. Gerettet hat sie am Ende der Zustrom von vielen jungen, oft akademischen Mitgliedern.
Diese kamen in den letzten Jahren aus den Bewegungen gegen rechts, aus Fridays for Future und der Seebrücke. Gleichzeitig sank der Anteil der Arbeiter und den Wählern stetig ab. Für eine linke Partei ist der Verlust der Arbeiter und vieler mit unteren und mittleren Bildungsabschlüssen verheerend.
Auf dieses Problem der Linken weist in den letzten Jahren Sahra Wagenknecht unermüdlich hin. So verdienstvoll ihre Kritik an dieser Stelle sein mag, so bleibt bei den meisten Menschen im Land nur hängen: "Die Linke kümmert sich nicht mehr um die Arbeiter." Eine Lösung der Probleme ist das nicht - im Gegenteil.
Das zeigt sich exemplarisch an ihrem neuesten Buch Die Selbstgerechten. So geht sie ausführlich auf die Stärke der alten Linken und noch ausführlicher auf die Probleme der Migration und der "Lifestyle-Linken" ein. Sie schießt regelrecht gegen Anti-Rechts-Bewegungen wie "Unteilbar", BlackLivesMatter und andere.
Zwar ist das Konzept einer Partei als Plattform der Bewegungen schon früher gescheitert - etwa bei der Partito della Rifondazione Comunista in Italien. Wer aber nach Vorschlägen für Gewerkschaften und sozial Aktive sucht oder gar die Rückgewinnung der Arbeiter, wird nicht fündig. Etwas weniger Gendersternchen, Migration und etwas mehr nationale Identität sollen das Geheimrezept sein. Der Ernsthaftigkeit des Problems wird das in keiner Weise gerecht.
Dazu ist der Rechtsruck eines Teils der Arbeiter zu sehr ein internationales Phänomen. So richtig ihre Kritik in dieser Frage ist, so schwach sind die Antworten. Ohne wirkliche Antworten wird das Gerede von der Linken, die die Interessen der kleinen Leute vergisst, nur allzu leicht zur selbst erfüllenden Prophezeiung. Im Gegensatz zu SPD und Grünen hat Die Linke noch einen relevanten Anteil von Arbeitern, Erwerbslosen und Angestellten in der Partei. Das darf sie nicht verspielen.
Das ist aber nur die eine Seite, die andere ist die scharfe Reaktion auf ihre Thesen, die sogar in absehbar erfolglosen Ausschlussanträgen gegen Wagenknecht gipfelten. Am Ende schießt sich die Partei damit wechselseitig die Wählerinnen und Wähler weg - ein Kampf, der nur Verlierer kennt. Aus Bewegungen wie Deutsche Wohnen & Co. enteignen muss die Linkspartei Kraft tanken ohne Arbeiter und Akademiker gegeneinander auszuspielen.