Niemand will für Online-Content bezahlen

Interview mit Geoffrey Sands, Vizepräsident der Medien-Consulting-Firma Booz, Allen & Hamilton in New York über die Medientrends im Jahr 2005

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Was sind die generellen Trends für die Medien, die Sie in Ihrer Studie für das Jahr 2005 ausfindig gemacht haben?

Geoffrey Sands: Zur Zeit haben die einzelnen Medienunternehmen jede Menge Konkurrenz, und stehen einer Unmenge von Informations- und Unterhaltungsprodukten gegenüber. Das führt dazu, dass die Kosten explodieren, etwa um wirklich gute Talente einzukaufen, und es bedarf enorm hoher Ausgaben für Marketing, um diesen Wust zu durchbrechen. Viele Unternehmen gehen deshalb mit anderen zusammen bzw. formen Allianzen, andere wollen ihr Geschäft durch Internetunternehmungen oder die Expansion in internationale Märkte vergrößern.

Wenn man sich einmal anschaut, wie viele neue Medien es gibt, wie lange kann denn die Werbeindustrie all diese Publikationen noch finanzieren?

Geoffrey Sands: Das stimmt, es gibt nur eine gewisse Anzahl von wirklichen Talenten, auch bei den kreativen Leuten in den Medien und in der Unterhaltung. Dadurch dass es immer mehr Medien gibt, kommt es zwangsläufig zu Qualitätsverlusten, und manche Medien werden unvermeidlich verschwinden. Natürlich werden die Times Warners, Viacoms und Disneys weiterhin wachsen und gedeihen. Aber die Kleineren werden ganz schön Schwierigkeiten bekommen. Andererseits glaube ich auch, dass die Werber es gerne sehen, wenn eine gewisse Vielfalt aufrecht erhalten bleibt, sie werden also gewisse Nischenprodukte am Leben erhalten, aber auch die kämpfen untereinander um immer kleiner werdende Anteile am Werbebudget.

Müssen wir befürchten, daß Werbung und Inhalt immer weiter verschwimmen?

Geoffrey Sands: Wir sind da auch einem gefährlichen Weg. Die großen Medienunternehmen machen sehr oft von Cross-Promotion Gebrauch, also dass Fernsehsender für die Printorgane des gleichen Konzerns werben und umgekehrt. Das wird immer schlimmer, so sehr daß man am Ende die Frage nach Unabhängigkeit und Objektivität stellen könnte, vor allem wenn es um Nachrichten geht. Angesichts der Tatsache, dass kein Mensch mehr für Online-Content bezahlen will, werden außerdem immer mehr Einnahmen durch die Werbung und ECommerce hereinkommen müssen. Die Frage ist, ob die Medien da die Grenzen zwischen Werbung und Inhalt aufrecht erhalten können. Ich glaube, dass es für uns alle schlimmer wird, wenn dieser Trend die Objektivität der Medien gefährdet. Viele Firmen tragen diese Kämpfe bereits intern aus, wie es bei der LA Times passiert ist.

Wie sollen denn die Zeitungen überleben, wenn niemand mehr etwas für Inhalte bezahlen will?

Geoffrey Sands: Wenn man sich mal lokale Nachrichten anschaut, das wird ein attraktiver Markt bleiben, und neuere Studien bestärken den Eindruck, dass die Leute lokale Nachrichten mögen, also Wetter, Verkehr und regionale Nachrichten. Aber die Frage ist, wer wird diese Nachrichten in Zukunft liefern? Wird es Sidewalk.com sein oder die Online-Version einer unabhängigen Lokalzeitung oder ein Ableger eines riesigen Medienimperiums? Sicher ist, dass diejenigen, die überleben werden, den Online-Markt auf irgendeine Weise umfassen müssen. Und wenn sie das machen, müssen sie sich mit neuen Preismodellen auseinandersetzen, die Werbung in den Print- und Onlineausgaben zusammenschnüren.

Wie weit wird denn in 15 Jahren die Verschmelzung von Internet und TV sein?

Geoffrey Sands: Das weiß mit Sicherheit kein Mensch. Ich persönlich vermute, dass es kein Einzelgerät für beide Dienste geben wird, es wird zwar eine gewisse Konvergenz geben, also dass man über den Fernseher Internetzugang bekommen kann, und dass man Videos auf dem Computer sehen kann. Aber es wird immer ein Gerät geben, das sich direkt auf Unterhaltung konzentriert, und eines mit dem man Information abruft und Daten speichert.

Wird es denn in 50 Jahren noch Bücher geben?

Geoffrey Sands: Elektronische Bücher werden mit Sicherheit sehr populär werden, vor allem bei jüngeren Leuten, genauso wie tragbare Geräte mit denen man im Internet surfen und Informationen abrufen kann. Ich glaube auch, dass kleine Buchhändler, also so etwas wie Tante-Emma-Läden für Bücher, vom Online-Verkehr profitieren werden. Wenn man zum Beispiel ein seltenes Buch sucht, findet man das im Internet schnell, auch wenn der Buchladen Tausende von Meilen weg ist. Einige wenige große Buchhändler werden weiterhin Erfolg haben mit ihrem Konzept von Inhouse-Cafes und Lesungen, während die mittelgroßen Läden den größten Druck spüren werden.

Werden denn unabhängige Medien in dieser Werbewelt überhaupt überleben können?

Geoffrey Sands: Das wird sehr schwer werden, weil man so leicht Informationen umsonst vom Internet bekommt. Vor allem für Nachrichtenmedien wird es hart. Es wird natürlich Blätter wie die New York Times oder Newsweek geben, aber die Herausforderung ist da, dass sie eine inhaltliche Linie finden müssen, auf die es sich zu warten lohnt. Vielleicht wird es am Ende einen aufgesplitteten Markt geben, auf dem Online-Services aktuelle Nachrichten umsonst bringe, und die Printausgaben Hintergrund liefern, für den die Leute bezahlen werden.