Niger: USA erkennen keinen Putsch, aber eigene Interessen

(Bild: Thomas Goisque / CC BY-SA 3.0)

Geopolitisches Investment: Pentagon will militärische Stützpunkte behalten. Frankreich muss sich darauf gefasst machen, seine Truppen abzuziehen. Wagner-Chef Prigoschin bietet der Militärjunta Unterstützung an.

Die militärische Option gegen die Putschisten in Niger ist zwar formell noch auf dem Tisch, aber wenig wahrscheinlich. Die Diplomatie hat Vortritt, wie es ein französischer Analyst beschreibt.

Als begrüßenswerte Deeskalation wird das in Regierungskreisen in Paris aber nicht bejubelt. Denn nach Stand der Dinge ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Putschisten in Niamey an der Macht halten. Und damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Frankreich seine Truppen auch aus Niger abziehen muss. Da geht gegen die geopolitischen, wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen des Landes.

Mit solchen Interessen steht Paris nicht alleine da. Vom transatlantischen Bruder im Geiste der internationalen regelbasierten Ordnung, den USA, kommt dazu Klartext:

Niger ist ein Partner, und wir wollen nicht, dass diese Partnerschaft beendet wird. Wir haben Hunderte von Millionen Dollar in Stützpunkte in diesem Land investiert und mit dem dortigen Militär trainiert. Wir wollen also wirklich eine friedliche Lösung für die hart erarbeitete Demokratie in Niger, und wir sind zuversichtlich, dass wir das erreichen können.

Sabrina Singh, stellvertretende Pressesprecherin, US-Verteidigungsministerium

Sprachregelung: "Putschversuch"

Auf der Pressekonferenz am gestrigen Mittwoche, den 15. August, erklärte die Pentagon-Sprecherin, dass man sich in der US-Regierung an der Sprachregelung orientiere, von einem "versuchten Staatsstreich" in Niger zu reden: "We've come very close to say, again, that this is an attempted coup", auf Deutsch: Man nähere sich dem an, "dass es sich um einen Putschversuch handelt".

Würde man von einem Putsch sprechen, hätte dies Konsequenzen für die US-Militärbasen, man könnte sie nicht ohne Weiteres aufrechterhalten. Dem steht entgegen: "Wir haben Vermögenswerte und Interessen in der Region, und unsere oberste Priorität ist es, diese Interessen und die unserer Verbündeten zu schützen." Man wolle nichts überstürzen.

Laut Le Monde würde die offizielle Anerkennung eines Staatsstreiches in Niger die USA "rechtlich dazu zwingen, jegliche Hilfe für Niger einzustellen" und das hätte dann auch Konsequenzen für die US-Truppen in Niger.

Paris: "Dolchstoß in den Rücken"

Als sich die Nummer drei der US-Außenpolitik, Victoria Nuland, Anfang August in der nigrischen Hauptstadt mit einem guten Bekannten der USA traf, mit dem neuen Armeechef Oberstmajor Moussa Salaou Barmou (Portal The Intercept enthüllt: Niger-Putschist in USA ausgebildet), vermied auch sie das Wort vom Staatsstreich und führte Verhandlungen, die ihn Paris nicht gut ankamen.

Dort empfand man einen Dolchstoß in den Rücken (Niger: Durchkreuzt US-Diplomatin Victoria Nuland französische Strategie?). In der US-Regierung hatte man laut Wall Street Journal die Sorge, dass Militärbasen nicht nur in die Hände der Putschisten fallen würden, sondern schließlich von russischen Wagner-Söldnern übernommen werden könnten.

Sollte der Coup gelingen, könnte Russland einige der wichtigsten Drohnenbasen der USA übernehmen, die für Einsätze in der Sahara zwischen Libyen und Nigeria genutzt werden. Wagners Söldner haben bereits ehemalige US-amerikanische und französische Außenposten in Syrien und Mali übernommen.

Wall Street Journal

In Paris unterstützte man demgegenüber das Vorgehen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, die mit militärischen Mitteln drohte, falls der abgesetzte Präsident nach einem Ultimatum nicht wieder eingesetzt würde.

Zeichen klar gegen eine militärische Intervention

Das Ultimatum ist längst verstrichen, die Unterstützung für die militärische Option schwindet, Frankreich muss auf der Rechnung haben, dass es seine etwa 1.500 Soldaten aus Niger wahrscheinlich abziehen muss. Zwar wollen sich die Ecowas-Vertreter morgen und am Freitag in Ghana nochmals zu Verhandlungen treffen, um weitere Schritte zu beschließen.

Aber, was die gut vernetzte französische Zeitung Le Monde an wichtigen Stimmen aus der Ecowas ("In der Vergangenheit, wie in Sierra Leone und Gambia, gab es Einigkeit, diese Militäroperationen zu unterstützen. Heute gibt es tiefe Meinungsverschiedenheiten"), wie auch besonders deutlich aus der Afrikanischen Union zitiert, so stehen die Zeichen klar gegen eine militärische Intervention.

Wie Reuters berichtet, hat die Putsch-Regierung in Niger eine Reihe von Militärabkommen mit Frankreich aufgekündigt. Bislang habe Paris dies mit der Bemerkung abtun können, dass man die Militärjunta nicht als legitime Behörde anerkenne.

Was aber, wenn dies informell nach Art der USA geschieht?

Signale aus Russland

Nigers neue Militär-Machthaber sind laut Reuters "offen für Gespräche". Bevorzugte Partner dürften aber die USA und Russland sein und danach erst Frankreich.

Der russische Präsident Putin hat sich laut Nachrichtenagentur gegenüber Malis, von Putschisten eingesetzten, Interimspräsidenten Assimi Goita für eine friedliche Lösung der Situation, zugunsten einer stabileren Sahelzone", ausgesprochen.

Zwar plädierte er für eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung in Niger, aber von einer Forderung nach Wiedereinsetzung des abgesetzten und mit dem Tod bedrohten Präsidenten Mohamed Bazoum ist nicht die Rede.

Deutlicher wurde Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Laut Reuters begrüßte er die Machtübernahme in Niger durch die Armee und bot seine Dienste an.

Im großen Bild zeichnet sich ab: Der russische Einfluss in Westafrika nimmt zu, der Einfluss des Westens nimmt seit Beginn einer Reihe von Putschen ab. Die Militärs in Mali und Burkina Faso haben die französischen Truppen aus dem Land gejagt und die Beziehungen zu Moskau verstärkt.