Noch einmal!

Eine neue Chance für das papierlose Büro

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Unlängst wurde viel über eine "neue Finanzarchitektur" in der Weltwirtschaft gesprochen, um solche Dinge zu verhindern wie Aufstände in Indonesien, Lustlosigkeit in Japan, Weltuntergang in Rußland, hochgezogene Augenbrauen in Deutschland usw. Nichts ist geschehen, weil es noch nicht schlimm genug ist, aber es gab Forderungen nach einer Veränderung der Metapher von der Architektur.

"Ich denke, daß das Wort Architektur nicht gut für die Anwendung auf wirtschaftliche Dinge geeignet ist", soll John Heimann, der frühere Vorsitzende von Merill Lynch Global Capital Marktes, gesagt haben. "Man muß die Aufmerksamkeit stärker auf die Installationen und die Elektrizität richten. Das ist nicht so dramatisch, aber es sind die Installationen und die Elektrizität, die ein Haus funktionsfähig machen."

Dieser Ruf zu den Fundamenten von einem Mann, der eher an große Entwürfe gewohnt ist, läßt nichts Gutes ahnen. Er scheint der Fragmentierung des Nationalstaates, die die Welt nach dem Kalten Krieg heimsucht, noch mehr Evidenz zu geben. Gemäß einem verrückten Subsidaritätsprozess wird jeder dazu gezwungen, sich auf die kleinstmögliche Einheit zu beschränken. Daher sind Architekten genötigt, sich großer strategischer Ideen zu entledigen und sich daran zu machen, den Riegel an der Badezimmertür zu befestigen. Das ist schlimm. Die Folge, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen zu können, ist bei jedem Bürogebäude offensichtlich.

Es war einmal eine Zeit, als es eine große strategische Idee für Büros gab, deren Grundlage eine Kombination aus neuer Informationstechnologie und Mikrocomputern bildete. Diese Idee wurde papierloses Büro genannt.

Warum, so fragten ihre visionären Befürworter, sollte es noch länger überall Papierstapel geben müssen, wenn es doch auf jedem Schreibtisch nicht nur ein Telefon, sondern auch einen Computer gibt, der mit jedem anderen Computer in der Welt kommunizieren kann?

In den USA sprangen einige in die Zukunft blickende Unternehmen auf diese Idee an. Ein bekanntes amerikanisches Versicherungsunternehmen prägte den Slogan: "Paper free by eighty-three" und begann, mit "papierlosen Tagen" und "Tagen der verschlossenen Schränke" darauf hin zu arbeiten. Aber das ging nicht gut. Die Angestellten waren gegen diesen Plan. Sie kauften sich sogar ihr eigenes Papier und schmuggelten es in das Büro. Kurz vor dem vorgesehenen Termin 1983 wurde das Projekt aufgegeben. Die meisten, die es kannten, lachten nur. Sie verstanden nicht, daß das Scheitern des papierlosen Büros keine Farce, sondern eine Tragödie war. Sie dachten, es beweise die Maxime des Duke of Cambridge, daß der Zeitpunkt für Veränderung dann gekommen ist, wenn man dagegen nichts mehr machen kann, aber nicht davor.

Und das Ergebnis? Nach dem United States Office of Waste Reduction Services verbraucht heute das typische Bürogebäude täglich ein Kilogramm Abfallpapier pro Angestelltem, so daß Papier die Hälfte des Mülls ausmacht. In Büros wird ein normales Dokument 19 Mal kopiert. 1,5 Billionen Seiten werden jedes Jahr ausgedruckt und 200 Millionen Seiten jeden Tag zu den Akten gelegt. Recycling ist keine Lösung, wenn man nicht die Zahlen manipuliert, denn obgleich jede Tonne Recyclingpapier 17 Bäume und 90 Liter Benzin einspart, hat noch niemand die Kosten für den Transport zu den Recyclingfirmen ausgerechnet.

Moderne Büros sind computer- und papierbasiert. Das ist eine gewaltige Verschwendung, die man unbedacht in ihr Design einbaut. Es ist an der Zeit, dem papierlosen Büro erneut eine Chance zu geben.

Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer